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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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vordere Thor soll allezeit geschlossen bleiben. Der Streich wär' aber jedenfalls verhütet worden, hättet Ihr zur rechten Zeit Eure Zurüstungen gemacht.

Hier trat die Gräfin hastig und mit freudiger Aufregung, das offene Billet in der Hand, aus dem anstoßenden Cabinet. Wißt Ihr, rief sie, wer unten ist? Um Gotteswillen, lest den Brief -- Mozart aus Wien, der Componist! Man muß gleich gehen, ihn heraufzubitten -- ich fürchte nur, er ist schon fort! Was wird er von mir denken! Ihr, Velten, seid ihm doch höflich begegnet? Was ist denn eigentlich geschehen?

Geschehn? versetzte der Gemahl, dem die Aussicht auf den Besuch eines berühmten Mannes unmöglich allen Aerger auf der Stelle niederschlagen konnte: "der tolle Mensch hat von dem Baum, den ich Eugenien bestimmte, eine der neun Orangen abgerissen, hm! das Ungeheuer! Somit ist unserem Spaß geradezu die Spitze abgebrochen, und Max mag sein Gedicht nur gleich cassiren.

O nicht doch! sagte die dringende Dame: die Lücke läßt sich leicht ausfüllen, überlaßt es nur mir. Geht Beide jetzt, erlös't, empfangt den guten Mann, so freundlich und so schmeichelhaft ihr immer könnt. Er soll, wenn wir ihn irgend halten können, heut nicht weiter. Trefft ihr ihn nicht im Garten mehr, sucht ihn im Wirthshaus auf, und bringet ihn mit seiner Frau. Ein größeres Geschenk, eine schönere Ueber-

vordere Thor soll allezeit geschlossen bleiben. Der Streich wär' aber jedenfalls verhütet worden, hättet Ihr zur rechten Zeit Eure Zurüstungen gemacht.

Hier trat die Gräfin hastig und mit freudiger Aufregung, das offene Billet in der Hand, aus dem anstoßenden Cabinet. Wißt Ihr, rief sie, wer unten ist? Um Gotteswillen, lest den Brief — Mozart aus Wien, der Componist! Man muß gleich gehen, ihn heraufzubitten — ich fürchte nur, er ist schon fort! Was wird er von mir denken! Ihr, Velten, seid ihm doch höflich begegnet? Was ist denn eigentlich geschehen?

Geschehn? versetzte der Gemahl, dem die Aussicht auf den Besuch eines berühmten Mannes unmöglich allen Aerger auf der Stelle niederschlagen konnte: „der tolle Mensch hat von dem Baum, den ich Eugenien bestimmte, eine der neun Orangen abgerissen, hm! das Ungeheuer! Somit ist unserem Spaß geradezu die Spitze abgebrochen, und Max mag sein Gedicht nur gleich cassiren.

O nicht doch! sagte die dringende Dame: die Lücke läßt sich leicht ausfüllen, überlaßt es nur mir. Geht Beide jetzt, erlös't, empfangt den guten Mann, so freundlich und so schmeichelhaft ihr immer könnt. Er soll, wenn wir ihn irgend halten können, heut nicht weiter. Trefft ihr ihn nicht im Garten mehr, sucht ihn im Wirthshaus auf, und bringet ihn mit seiner Frau. Ein größeres Geschenk, eine schönere Ueber-

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[0036] vordere Thor soll allezeit geschlossen bleiben. Der Streich wär' aber jedenfalls verhütet worden, hättet Ihr zur rechten Zeit Eure Zurüstungen gemacht. Hier trat die Gräfin hastig und mit freudiger Aufregung, das offene Billet in der Hand, aus dem anstoßenden Cabinet. Wißt Ihr, rief sie, wer unten ist? Um Gotteswillen, lest den Brief — Mozart aus Wien, der Componist! Man muß gleich gehen, ihn heraufzubitten — ich fürchte nur, er ist schon fort! Was wird er von mir denken! Ihr, Velten, seid ihm doch höflich begegnet? Was ist denn eigentlich geschehen? Geschehn? versetzte der Gemahl, dem die Aussicht auf den Besuch eines berühmten Mannes unmöglich allen Aerger auf der Stelle niederschlagen konnte: „der tolle Mensch hat von dem Baum, den ich Eugenien bestimmte, eine der neun Orangen abgerissen, hm! das Ungeheuer! Somit ist unserem Spaß geradezu die Spitze abgebrochen, und Max mag sein Gedicht nur gleich cassiren. O nicht doch! sagte die dringende Dame: die Lücke läßt sich leicht ausfüllen, überlaßt es nur mir. Geht Beide jetzt, erlös't, empfangt den guten Mann, so freundlich und so schmeichelhaft ihr immer könnt. Er soll, wenn wir ihn irgend halten können, heut nicht weiter. Trefft ihr ihn nicht im Garten mehr, sucht ihn im Wirthshaus auf, und bringet ihn mit seiner Frau. Ein größeres Geschenk, eine schönere Ueber-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:56:24Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:56:24Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1910/36>, abgerufen am 26.04.2024.