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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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"Aha, Sie haben mir schon meine schwache
Seite abgemerkt. Aber was sagt der Bräutigam
dazu?"

"Ein oder zweimal will ich durch die Finger
sehen."

"Sehr gut; wir werden der Gelegenheit wahr¬
nehmen. Indeß fürchten Sie nichts, Herr Baron;
es hat keine Gefahr, so lang mir nicht der Gott
hier sein Gesicht und seine langen gelben Haare borgt.
Ich wünschte wohl, er thät's! er sollte auf der Stelle
Mozarts Zopf mitsammt seinem schönsten Bandl da¬
für haben."

"Apollo möge aber dann zusehen," lachte Fran¬
ziska, "wie er es anfängt künftig, seinen neuen fran¬
zösischen Haarschmuck mit Anstand in die kastalische
Fluth zu tauchen."

Unter diesen und ähnlichen Scherzen stieg Lustig¬
keit und Muthwillen immer mehr. Die Männer
spürten nach und nach den Wein, es wurden eine
Menge Gesundheiten getrunken und Mozart kam in
den Zug, nach seiner Gewohnheit in Versen zu
sprechen, wobei ihm der Lieutenant das Gleichge¬
wicht hielt und auch der Papa nicht zurückbleiben
wollte; es glückte ihm ein paarmal zum Verwundern.

„Aha, Sie haben mir ſchon meine ſchwache
Seite abgemerkt. Aber was ſagt der Bräutigam
dazu?“

„Ein oder zweimal will ich durch die Finger
ſehen.“

„Sehr gut; wir werden der Gelegenheit wahr¬
nehmen. Indeß fürchten Sie nichts, Herr Baron;
es hat keine Gefahr, ſo lang mir nicht der Gott
hier ſein Geſicht und ſeine langen gelben Haare borgt.
Ich wünſchte wohl, er thät's! er ſollte auf der Stelle
Mozarts Zopf mitſammt ſeinem ſchönſten Bandl da¬
für haben.“

„Apollo möge aber dann zuſehen,“ lachte Fran¬
ziska, „wie er es anfängt künftig, ſeinen neuen fran¬
zöſiſchen Haarſchmuck mit Anſtand in die kaſtaliſche
Fluth zu tauchen.“

Unter dieſen und ähnlichen Scherzen ſtieg Luſtig¬
keit und Muthwillen immer mehr. Die Männer
ſpürten nach und nach den Wein, es wurden eine
Menge Geſundheiten getrunken und Mozart kam in
den Zug, nach ſeiner Gewohnheit in Verſen zu
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wicht hielt und auch der Papa nicht zurückbleiben
wollte; es glückte ihm ein paarmal zum Verwundern.

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[69/0081] „Aha, Sie haben mir ſchon meine ſchwache Seite abgemerkt. Aber was ſagt der Bräutigam dazu?“ „Ein oder zweimal will ich durch die Finger ſehen.“ „Sehr gut; wir werden der Gelegenheit wahr¬ nehmen. Indeß fürchten Sie nichts, Herr Baron; es hat keine Gefahr, ſo lang mir nicht der Gott hier ſein Geſicht und ſeine langen gelben Haare borgt. Ich wünſchte wohl, er thät's! er ſollte auf der Stelle Mozarts Zopf mitſammt ſeinem ſchönſten Bandl da¬ für haben.“ „Apollo möge aber dann zuſehen,“ lachte Fran¬ ziska, „wie er es anfängt künftig, ſeinen neuen fran¬ zöſiſchen Haarſchmuck mit Anſtand in die kaſtaliſche Fluth zu tauchen.“ Unter dieſen und ähnlichen Scherzen ſtieg Luſtig¬ keit und Muthwillen immer mehr. Die Männer ſpürten nach und nach den Wein, es wurden eine Menge Geſundheiten getrunken und Mozart kam in den Zug, nach ſeiner Gewohnheit in Verſen zu ſprechen, wobei ihm der Lieutenant das Gleichge¬ wicht hielt und auch der Papa nicht zurückbleiben wollte; es glückte ihm ein paarmal zum Verwundern.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/81>, abgerufen am 27.11.2024.