welcher seitwärts eine Pappelallee von nicht sechs¬ hundert Schritten zum herrschaftlichen Garten führte.
Mozart, nachdem man ausgestiegen, überließ wie gewöhnlich der Frau die Bestellung des Essens. In¬ zwischen befahl er für sich ein Glas Wein in die untere Stube, während sie, nächst einem Trunke fri¬ schen Wassers, nur irgend einen stillen Winkel, um ein Stündchen zu schlafen, verlangte. Man führte sie eine Treppe hinauf, der Gatte folgte, ganz mun¬ ter vor sich hin singend und pfeifend. In einem rein geweißten und schnell gelüfteten Zimmer befand sich unter andern veralteten Möbeln von edlerer Herkunft -- sie waren ohne Zweifel aus den gräflichen Ge¬ mächern seiner Zeit hierher gewandert -- ein sauberes, leichtes Bett mit gemaltem Himmel auf dünnen, grün lackirten Säulen, dessen seidene Vorhänge längst durch einen gewöhnlichern Stoff ersetzt waren. Constanze machte sich's bequem, er versprach sie rechtzeitig zu wecken, sie riegelte die Thüre hinter ihm zu und er suchte nunmehr Unterhaltung für sich in der allge¬ meinen Schenkstube. Hier war jedoch außer dem Wirth keine Seele, und weil dessen Gespräch dem Gast so wenig wie sein Wein behagte, so bezeugte er Lust, bis der Tisch bereit wäre, noch einen
welcher ſeitwärts eine Pappelallee von nicht ſechs¬ hundert Schritten zum herrſchaftlichen Garten führte.
Mozart, nachdem man ausgeſtiegen, überließ wie gewöhnlich der Frau die Beſtellung des Eſſens. In¬ zwiſchen befahl er für ſich ein Glas Wein in die untere Stube, während ſie, nächſt einem Trunke fri¬ ſchen Waſſers, nur irgend einen ſtillen Winkel, um ein Stündchen zu ſchlafen, verlangte. Man führte ſie eine Treppe hinauf, der Gatte folgte, ganz mun¬ ter vor ſich hin ſingend und pfeifend. In einem rein geweißten und ſchnell gelüfteten Zimmer befand ſich unter andern veralteten Möbeln von edlerer Herkunft — ſie waren ohne Zweifel aus den gräflichen Ge¬ mächern ſeiner Zeit hierher gewandert — ein ſauberes, leichtes Bett mit gemaltem Himmel auf dünnen, grün lackirten Säulen, deſſen ſeidene Vorhänge längſt durch einen gewöhnlichern Stoff erſetzt waren. Conſtanze machte ſich's bequem, er verſprach ſie rechtzeitig zu wecken, ſie riegelte die Thüre hinter ihm zu und er ſuchte nunmehr Unterhaltung für ſich in der allge¬ meinen Schenkſtube. Hier war jedoch außer dem Wirth keine Seele, und weil deſſen Geſpräch dem Gaſt ſo wenig wie ſein Wein behagte, ſo bezeugte er Luſt, bis der Tiſch bereit wäre, noch einen
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[26/0038]
welcher ſeitwärts eine Pappelallee von nicht ſechs¬
hundert Schritten zum herrſchaftlichen Garten führte.
Mozart, nachdem man ausgeſtiegen, überließ wie
gewöhnlich der Frau die Beſtellung des Eſſens. In¬
zwiſchen befahl er für ſich ein Glas Wein in die
untere Stube, während ſie, nächſt einem Trunke fri¬
ſchen Waſſers, nur irgend einen ſtillen Winkel, um
ein Stündchen zu ſchlafen, verlangte. Man führte
ſie eine Treppe hinauf, der Gatte folgte, ganz mun¬
ter vor ſich hin ſingend und pfeifend. In einem rein
geweißten und ſchnell gelüfteten Zimmer befand ſich
unter andern veralteten Möbeln von edlerer Herkunft
— ſie waren ohne Zweifel aus den gräflichen Ge¬
mächern ſeiner Zeit hierher gewandert — ein ſauberes,
leichtes Bett mit gemaltem Himmel auf dünnen, grün
lackirten Säulen, deſſen ſeidene Vorhänge längſt durch
einen gewöhnlichern Stoff erſetzt waren. Conſtanze
machte ſich's bequem, er verſprach ſie rechtzeitig zu
wecken, ſie riegelte die Thüre hinter ihm zu und er
ſuchte nunmehr Unterhaltung für ſich in der allge¬
meinen Schenkſtube. Hier war jedoch außer dem
Wirth keine Seele, und weil deſſen Geſpräch dem
Gaſt ſo wenig wie ſein Wein behagte, ſo bezeugte
er Luſt, bis der Tiſch bereit wäre, noch einen
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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/38>, abgerufen am 27.07.2024.
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