die Straße jetzt nach einer kurzen Strecke ebenen Wegs allmählig abwärts senkte, wo eine lachende Gegend sich bis an die entfernteren Berge verlor, fing unser Meister, nachdem er eine Zeitlang still gewesen, wieder an: "Die Erde ist wahrhaftig schön, und keinem zu verdenken, wenn er so lang wie mög¬ lich darauf bleiben will. Gott sey's gedankt, ich fühle mich so frisch und wohl wie je, und wäre bald zu tausend Dingen aufgelegt, die denn auch alle nach einander an die Reihe kommen sollen, wie nur mein neues Werk vollendet und aufgeführt seyn wird. Wie viel ist draußen in der Welt, und wie viel daheim, Merkwürdiges und Schönes, das ich noch gar nicht kenne, an Wunderwerken der Natur, an Wissen¬ schaften, Künsten und nützlichen Gewerben! Der schwarze Köhlerbube dort bei seinem Meiler weiß dir von manchen Sachen auf ein Haar so viel Bescheid wie ich, da doch ein Sinn und ein Verlangen in mir wäre, auch einen Blick in Dieß und Jen's zu thun, das eben nicht zu meinem nächsten Kram gehört."
"Mir kam," versetzte sie, "in diesen Tagen dein alter Sackkalender in die Hände von Anno fünfund¬ achtzig; da hast du hinten angemerkt drei bis vier
die Straße jetzt nach einer kurzen Strecke ebenen Wegs allmählig abwärts ſenkte, wo eine lachende Gegend ſich bis an die entfernteren Berge verlor, fing unſer Meiſter, nachdem er eine Zeitlang ſtill geweſen, wieder an: „Die Erde iſt wahrhaftig ſchön, und keinem zu verdenken, wenn er ſo lang wie mög¬ lich darauf bleiben will. Gott ſey's gedankt, ich fühle mich ſo friſch und wohl wie je, und wäre bald zu tauſend Dingen aufgelegt, die denn auch alle nach einander an die Reihe kommen ſollen, wie nur mein neues Werk vollendet und aufgeführt ſeyn wird. Wie viel iſt draußen in der Welt, und wie viel daheim, Merkwürdiges und Schönes, das ich noch gar nicht kenne, an Wunderwerken der Natur, an Wiſſen¬ ſchaften, Künſten und nützlichen Gewerben! Der ſchwarze Köhlerbube dort bei ſeinem Meiler weiß dir von manchen Sachen auf ein Haar ſo viel Beſcheid wie ich, da doch ein Sinn und ein Verlangen in mir wäre, auch einen Blick in Dieß und Jen's zu thun, das eben nicht zu meinem nächſten Kram gehört.“
„Mir kam,“ verſetzte ſie, „in dieſen Tagen dein alter Sackkalender in die Hände von Anno fünfund¬ achtzig; da haſt du hinten angemerkt drei bis vier
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die Straße jetzt nach einer kurzen Strecke ebenen
Wegs allmählig abwärts ſenkte, wo eine lachende
Gegend ſich bis an die entfernteren Berge verlor,
fing unſer Meiſter, nachdem er eine Zeitlang ſtill
geweſen, wieder an: „Die Erde iſt wahrhaftig ſchön,
und keinem zu verdenken, wenn er ſo lang wie mög¬
lich darauf bleiben will. Gott ſey's gedankt, ich
fühle mich ſo friſch und wohl wie je, und wäre bald
zu tauſend Dingen aufgelegt, die denn auch alle nach
einander an die Reihe kommen ſollen, wie nur mein
neues Werk vollendet und aufgeführt ſeyn wird. Wie
viel iſt draußen in der Welt, und wie viel daheim,
Merkwürdiges und Schönes, das ich noch gar nicht
kenne, an Wunderwerken der Natur, an Wiſſen¬
ſchaften, Künſten und nützlichen Gewerben! Der
ſchwarze Köhlerbube dort bei ſeinem Meiler weiß dir
von manchen Sachen auf ein Haar ſo viel Beſcheid
wie ich, da doch ein Sinn und ein Verlangen in
mir wäre, auch einen Blick in Dieß und Jen's
zu thun, das eben nicht zu meinem nächſten Kram
gehört.“
„Mir kam,“ verſetzte ſie, „in dieſen Tagen dein
alter Sackkalender in die Hände von Anno fünfund¬
achtzig; da haſt du hinten angemerkt drei bis vier
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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/19>, abgerufen am 27.07.2024.
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