Dieß, neben vielem andern, ging, nachdem sie sich gestern niedergelegt, in ihrem Busen auf und ab, während der Nachhall Don Juans verworren noch lange fort ihr inneres Gehör einnahm. Erst gegen Tag schlief sie ermüdet ein.
Die drei Damen hatten sich nunmehr mit ihren Arbeiten in den Garten gesetzt, die Männer leisteten ihnen Gesellschaft, und da das Gespräch natürlich zu¬ nächst nur Mozart betraf, so verschwieg auch Eugenie ihre Befürchtungen nicht. Keins wollte dieselben im Mindesten theilen, wiewohl der Baron sie vollkom¬ men begriff. Zur guten Stunde, in recht menschlich reiner, dankbarer Stimmung pflegt man sich jeder Unglücksidee, die einen gerade nicht unmittelbar an¬ geht, aus allen Kräften zu erwehren. Die sprechend¬ sten, lachendsten Gegenbeweise wurden, besonders vom Oheim, vorgebracht, und wie gerne hörte nicht Eu¬ genie alles an! Es fehlte nicht viel, so glaubte sie wirklich zu schwarz gesehen zu haben.
Einige Augenblicke später, als sie durch's große Zimmer oben ging, das eben gereinigt und wieder in Ordnung gebracht worden war, und dessen vorge¬ zogene, grün damastene Fenstergardinen nur ein sanf¬ tes Dämmerlicht zuließen, stand sie wehmüthig vor
Dieß, neben vielem andern, ging, nachdem ſie ſich geſtern niedergelegt, in ihrem Buſen auf und ab, während der Nachhall Don Juans verworren noch lange fort ihr inneres Gehör einnahm. Erſt gegen Tag ſchlief ſie ermüdet ein.
Die drei Damen hatten ſich nunmehr mit ihren Arbeiten in den Garten geſetzt, die Männer leiſteten ihnen Geſellſchaft, und da das Geſpräch natürlich zu¬ nächſt nur Mozart betraf, ſo verſchwieg auch Eugenie ihre Befürchtungen nicht. Keins wollte dieſelben im Mindeſten theilen, wiewohl der Baron ſie vollkom¬ men begriff. Zur guten Stunde, in recht menſchlich reiner, dankbarer Stimmung pflegt man ſich jeder Unglücksidee, die einen gerade nicht unmittelbar an¬ geht, aus allen Kräften zu erwehren. Die ſprechend¬ ſten, lachendſten Gegenbeweiſe wurden, beſonders vom Oheim, vorgebracht, und wie gerne hörte nicht Eu¬ genie alles an! Es fehlte nicht viel, ſo glaubte ſie wirklich zu ſchwarz geſehen zu haben.
Einige Augenblicke ſpäter, als ſie durch's große Zimmer oben ging, das eben gereinigt und wieder in Ordnung gebracht worden war, und deſſen vorge¬ zogene, grün damaſtene Fenſtergardinen nur ein ſanf¬ tes Dämmerlicht zuließen, ſtand ſie wehmüthig vor
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Dieß, neben vielem andern, ging, nachdem ſie
ſich geſtern niedergelegt, in ihrem Buſen auf und ab,
während der Nachhall Don Juans verworren noch
lange fort ihr inneres Gehör einnahm. Erſt gegen
Tag ſchlief ſie ermüdet ein.
Die drei Damen hatten ſich nunmehr mit ihren
Arbeiten in den Garten geſetzt, die Männer leiſteten
ihnen Geſellſchaft, und da das Geſpräch natürlich zu¬
nächſt nur Mozart betraf, ſo verſchwieg auch Eugenie
ihre Befürchtungen nicht. Keins wollte dieſelben im
Mindeſten theilen, wiewohl der Baron ſie vollkom¬
men begriff. Zur guten Stunde, in recht menſchlich
reiner, dankbarer Stimmung pflegt man ſich jeder
Unglücksidee, die einen gerade nicht unmittelbar an¬
geht, aus allen Kräften zu erwehren. Die ſprechend¬
ſten, lachendſten Gegenbeweiſe wurden, beſonders vom
Oheim, vorgebracht, und wie gerne hörte nicht Eu¬
genie alles an! Es fehlte nicht viel, ſo glaubte ſie
wirklich zu ſchwarz geſehen zu haben.
Einige Augenblicke ſpäter, als ſie durch's große
Zimmer oben ging, das eben gereinigt und wieder
in Ordnung gebracht worden war, und deſſen vorge¬
zogene, grün damaſtene Fenſtergardinen nur ein ſanf¬
tes Dämmerlicht zuließen, ſtand ſie wehmüthig vor
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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/124>, abgerufen am 17.02.2025.
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