Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.als alle ergriff, ihr, sollte man denken, konnte nichts als alle ergriff, ihr, ſollte man denken, konnte nichts <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0123" n="111"/> als alle ergriff, ihr, ſollte man denken, konnte nichts<lb/> fehlen, nichts genommen oder getrübt ſeyn; ihr reines<lb/> Glück in dem wahrhaft geliebten Mann, das erſt ſo<lb/> eben ſeine förmliche Beſtätigung erhielt, mußte alles<lb/> andre verſchlingen, vielmehr, das Edelſte und Schönſte,<lb/> wovon ihr Herz bewegt ſeyn konnte, mußte ſich noth¬<lb/> wendig mit jener ſeligen Fülle in Eines verſchmelzen.<lb/> So wäre es auch wohl gekommen, hätte ſie geſtern<lb/> und heute der bloßen Gegenwart, jetzt nur dem reinen<lb/> Nachgenuß derſelben leben können. Allein am Abend<lb/> ſchon, bei den Erzählungen der Frau, war ſie von<lb/> leiſer Furcht für ihn, an deſſen liebenswerthem Bild<lb/> ſie ſich ergötzte, geheim beſchlichen worden; dieſe<lb/> Ahnung wirkte nachher, die ganze Zeit als Mozart<lb/> ſpielte, hinter allem unſäglichen Reiz, durch alle das<lb/> geheimnißvolle Grauen der Muſik hindurch, im Grund<lb/> ihres Bewußtſeyns fort, und endlich überraſchte, er¬<lb/> ſchütterte ſie das was er ſelbſt in der nämlichen Rich¬<lb/> tung gelegenheitlich von ſich erzählte. Es ward ihr<lb/> ſo gewiß, ſo ganz gewiß, daß dieſer Mann ſich ſchnell<lb/> und unaufhaltſam in ſeiner eigenen Gluth verzehre,<lb/> daß er nur eine flüchtige Erſcheinung auf der Erde<lb/> ſeyn könne, weil ſie den Ueberfluß, den er verſtrö¬<lb/> men würde, in Wahrheit nicht ertrüge.</p><lb/> </body> </text> </TEI> [111/0123]
als alle ergriff, ihr, ſollte man denken, konnte nichts
fehlen, nichts genommen oder getrübt ſeyn; ihr reines
Glück in dem wahrhaft geliebten Mann, das erſt ſo
eben ſeine förmliche Beſtätigung erhielt, mußte alles
andre verſchlingen, vielmehr, das Edelſte und Schönſte,
wovon ihr Herz bewegt ſeyn konnte, mußte ſich noth¬
wendig mit jener ſeligen Fülle in Eines verſchmelzen.
So wäre es auch wohl gekommen, hätte ſie geſtern
und heute der bloßen Gegenwart, jetzt nur dem reinen
Nachgenuß derſelben leben können. Allein am Abend
ſchon, bei den Erzählungen der Frau, war ſie von
leiſer Furcht für ihn, an deſſen liebenswerthem Bild
ſie ſich ergötzte, geheim beſchlichen worden; dieſe
Ahnung wirkte nachher, die ganze Zeit als Mozart
ſpielte, hinter allem unſäglichen Reiz, durch alle das
geheimnißvolle Grauen der Muſik hindurch, im Grund
ihres Bewußtſeyns fort, und endlich überraſchte, er¬
ſchütterte ſie das was er ſelbſt in der nämlichen Rich¬
tung gelegenheitlich von ſich erzählte. Es ward ihr
ſo gewiß, ſo ganz gewiß, daß dieſer Mann ſich ſchnell
und unaufhaltſam in ſeiner eigenen Gluth verzehre,
daß er nur eine flüchtige Erſcheinung auf der Erde
ſeyn könne, weil ſie den Ueberfluß, den er verſtrö¬
men würde, in Wahrheit nicht ertrüge.
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