Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

bleibt eine Unart, die sich sehr übel bestrafen kann.
Doch gibt es Ausnahmen, und kurz, der Auftritt
bei der Reiterstatue des Gouverneurs, die Drohung,
die vom Grabe des Erschlagenen her urplötzlich das
Gelächter des Nachtschwärmers haarsträubend unter¬
bricht, war mir bereits in die Krone gefahren. Ich
griff einen Accord und fühlte, ich hatte an der rech¬
ten Pforte angeklopft, dahinter schon die ganze Legion
von Schrecken bei einander liege, die im Finale los¬
zulassen sind. So kam für's Erste ein Adagio her¬
aus: D moll, vier Tacte nur, darauf ein zweiter
Satz mit fünfen -- es wird, bild' ich mir ein, auf
dem Theater etwas Ungewöhnliches geben, wo die
stärksten Blasinstrumente die Stimme begleiten. Einst¬
weilen hören Sie's, so gut es sich hier machen läßt."

Er löschte ohne weiteres die Kerzen der beiden
neben ihm stehenden Armleuchter aus, und jener
furchtbare Choral: "Dein Lachen endet vor der
Morgenröthe!" erklang durch die Todtenstille des
Zimmers. Wie von entlegenen Sternenkreisen fallen
die Töne aus silbernen Posaunen, eiskalt, Mark
und Seele durchschneidend, herunter durch die blaue
Nacht.

"Wer ist hier? Antwort!" hört man Don Juan

bleibt eine Unart, die ſich ſehr übel beſtrafen kann.
Doch gibt es Ausnahmen, und kurz, der Auftritt
bei der Reiterſtatue des Gouverneurs, die Drohung,
die vom Grabe des Erſchlagenen her urplötzlich das
Gelächter des Nachtſchwärmers haarſträubend unter¬
bricht, war mir bereits in die Krone gefahren. Ich
griff einen Accord und fühlte, ich hatte an der rech¬
ten Pforte angeklopft, dahinter ſchon die ganze Legion
von Schrecken bei einander liege, die im Finale los¬
zulaſſen ſind. So kam für's Erſte ein Adagio her¬
aus: D moll, vier Tacte nur, darauf ein zweiter
Satz mit fünfen — es wird, bild' ich mir ein, auf
dem Theater etwas Ungewöhnliches geben, wo die
ſtärkſten Blasinſtrumente die Stimme begleiten. Einſt¬
weilen hören Sie's, ſo gut es ſich hier machen läßt.“

Er löſchte ohne weiteres die Kerzen der beiden
neben ihm ſtehenden Armleuchter aus, und jener
furchtbare Choral: „Dein Lachen endet vor der
Morgenröthe!“ erklang durch die Todtenſtille des
Zimmers. Wie von entlegenen Sternenkreiſen fallen
die Töne aus ſilbernen Poſaunen, eiskalt, Mark
und Seele durchſchneidend, herunter durch die blaue
Nacht.

„Wer iſt hier? Antwort!“ hört man Don Juan

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0114" n="102"/>
bleibt eine Unart, die &#x017F;ich &#x017F;ehr übel be&#x017F;trafen kann.<lb/>
Doch gibt es Ausnahmen, und kurz, der Auftritt<lb/>
bei der Reiter&#x017F;tatue des Gouverneurs, die Drohung,<lb/>
die vom Grabe des Er&#x017F;chlagenen her urplötzlich das<lb/>
Gelächter des Nacht&#x017F;chwärmers haar&#x017F;träubend unter¬<lb/>
bricht, war mir bereits in die Krone gefahren. Ich<lb/>
griff einen Accord und fühlte, ich hatte an der rech¬<lb/>
ten Pforte angeklopft, dahinter &#x017F;chon die ganze Legion<lb/>
von Schrecken bei einander liege, die im Finale los¬<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind. So kam für's Er&#x017F;te ein Adagio her¬<lb/>
aus: <hi rendition="#aq">D</hi> moll, vier Tacte nur, darauf ein zweiter<lb/>
Satz mit fünfen &#x2014; es wird, bild' ich mir ein, auf<lb/>
dem Theater etwas Ungewöhnliches geben, wo die<lb/>
&#x017F;tärk&#x017F;ten Blasin&#x017F;trumente die Stimme begleiten. Ein&#x017F;<lb/>
weilen hören Sie's, &#x017F;o gut es &#x017F;ich hier machen läßt.&#x201C;</p><lb/>
      <p>Er lö&#x017F;chte ohne weiteres die Kerzen der beiden<lb/>
neben ihm &#x017F;tehenden Armleuchter aus, und jener<lb/>
furchtbare Choral: &#x201E;Dein Lachen endet vor der<lb/>
Morgenröthe!&#x201C; erklang durch die Todten&#x017F;tille des<lb/>
Zimmers. Wie von entlegenen Sternenkrei&#x017F;en fallen<lb/>
die Töne aus &#x017F;ilbernen Po&#x017F;aunen, eiskalt, Mark<lb/>
und Seele durch&#x017F;chneidend, herunter durch die blaue<lb/>
Nacht.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Wer i&#x017F;t hier? Antwort!&#x201C; hört man Don Juan<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0114] bleibt eine Unart, die ſich ſehr übel beſtrafen kann. Doch gibt es Ausnahmen, und kurz, der Auftritt bei der Reiterſtatue des Gouverneurs, die Drohung, die vom Grabe des Erſchlagenen her urplötzlich das Gelächter des Nachtſchwärmers haarſträubend unter¬ bricht, war mir bereits in die Krone gefahren. Ich griff einen Accord und fühlte, ich hatte an der rech¬ ten Pforte angeklopft, dahinter ſchon die ganze Legion von Schrecken bei einander liege, die im Finale los¬ zulaſſen ſind. So kam für's Erſte ein Adagio her¬ aus: D moll, vier Tacte nur, darauf ein zweiter Satz mit fünfen — es wird, bild' ich mir ein, auf dem Theater etwas Ungewöhnliches geben, wo die ſtärkſten Blasinſtrumente die Stimme begleiten. Einſt¬ weilen hören Sie's, ſo gut es ſich hier machen läßt.“ Er löſchte ohne weiteres die Kerzen der beiden neben ihm ſtehenden Armleuchter aus, und jener furchtbare Choral: „Dein Lachen endet vor der Morgenröthe!“ erklang durch die Todtenſtille des Zimmers. Wie von entlegenen Sternenkreiſen fallen die Töne aus ſilbernen Poſaunen, eiskalt, Mark und Seele durchſchneidend, herunter durch die blaue Nacht. „Wer iſt hier? Antwort!“ hört man Don Juan

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/114
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/114>, abgerufen am 09.11.2024.