Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.Vorhang gegenüber sitzen. Oder ist es nicht so? Unsre Gesellschaft aber hatte damit, daß sie ein Mörike, Mozart. 7
Vorhang gegenüber ſitzen. Oder iſt es nicht ſo? Unſre Geſellſchaft aber hatte damit, daß ſie ein Mörike, Mozart. 7
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0109" n="97"/> Vorhang gegenüber ſitzen. Oder iſt es nicht ſo?<lb/> Wenn auf der Schwelle jedes erhabenen tragiſchen<lb/> Kunſtwerks, es heiße Macbeth, Oedipus oder wie<lb/> ſonſt, ein Schauer der ewigen Schönheit ſchwebt,<lb/> wo träfe dieß in höherem, auch nur in gleichem<lb/> Maße zu, als eben hier? Der Menſch verlangt und<lb/> ſcheut zugleich aus ſeinem gewöhnlichen Selbſt ver¬<lb/> trieben zu werden, er fühlt, das Unendliche wird ihn<lb/> berühren, das ſeine Bruſt zuſammenzieht, indem es<lb/> ſie ausdehnen und den Geiſt gewaltſam an ſich reißen<lb/> will. Die Ehrfurcht vor der vollendeten Kunſt tritt<lb/> hinzu; der Gedanke, ein göttliches Wunder genießen,<lb/> es als ein Verwandtes in ſich aufnehmen zu dürfen,<lb/> zu können, führt eine Art von Rührung, ja von<lb/> Stolz mit ſich, vielleicht den glücklichſten und reinſten,<lb/> deſſen wir fähig ſind.</p><lb/> <p>Unſre Geſellſchaft aber hatte damit, daß ſie ein<lb/> uns von Jugend auf völlig zu eigen gewordenes<lb/> Werk jetzt erſtmals kennen lernen ſollte, einen von<lb/> unſerem Verhältniß unendlich verſchiedenen Stand,<lb/> und, wenn man das beneidenswerthe Glück der per¬<lb/> ſönlichen Vermittlung durch den Urheber abrechnet,<lb/> bei weitem nicht den günſtigen wie wir, da eine<lb/> reine und vollkommene Auffaſſung eigentlich niemand<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Mörike</hi>, Mozart. 7<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [97/0109]
Vorhang gegenüber ſitzen. Oder iſt es nicht ſo?
Wenn auf der Schwelle jedes erhabenen tragiſchen
Kunſtwerks, es heiße Macbeth, Oedipus oder wie
ſonſt, ein Schauer der ewigen Schönheit ſchwebt,
wo träfe dieß in höherem, auch nur in gleichem
Maße zu, als eben hier? Der Menſch verlangt und
ſcheut zugleich aus ſeinem gewöhnlichen Selbſt ver¬
trieben zu werden, er fühlt, das Unendliche wird ihn
berühren, das ſeine Bruſt zuſammenzieht, indem es
ſie ausdehnen und den Geiſt gewaltſam an ſich reißen
will. Die Ehrfurcht vor der vollendeten Kunſt tritt
hinzu; der Gedanke, ein göttliches Wunder genießen,
es als ein Verwandtes in ſich aufnehmen zu dürfen,
zu können, führt eine Art von Rührung, ja von
Stolz mit ſich, vielleicht den glücklichſten und reinſten,
deſſen wir fähig ſind.
Unſre Geſellſchaft aber hatte damit, daß ſie ein
uns von Jugend auf völlig zu eigen gewordenes
Werk jetzt erſtmals kennen lernen ſollte, einen von
unſerem Verhältniß unendlich verſchiedenen Stand,
und, wenn man das beneidenswerthe Glück der per¬
ſönlichen Vermittlung durch den Urheber abrechnet,
bei weitem nicht den günſtigen wie wir, da eine
reine und vollkommene Auffaſſung eigentlich niemand
Mörike, Mozart. 7
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