Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.An eine Aeolsharfe. Tu semper urges flebilibus modisH or . Angelehnt an die Epheuwand Dieser alten Terrasse, Du, einer luftgebornen Muse Geheimnißvolles Saitenspiel, Fang' an, Fange wieder an Deine melodische Klage! Ihr kommet, Winde, fern herüber, Ach! von des Knaben, Der mir so lieb war, Frisch grünendem Hügel. Und Frühlingsblüthen unterweges streifend, Uebersättigt mit Wohlgerüchen, Wie süß bedrängt ihr dies Herz! Und säuselt her in die Saiten, Angezogen von wohllautender Wehmuth, Wachsend im Zug meiner Sehnsucht, Und hinsterbend wieder. Aber auf einmal, Wie der Wind heftiger herstößt, An eine Aeolsharfe. Tu semper urges flebilibus modisH or . Angelehnt an die Epheuwand Dieſer alten Terraſſe, Du, einer luftgebornen Muſe Geheimnißvolles Saitenſpiel, Fang' an, Fange wieder an Deine melodiſche Klage! Ihr kommet, Winde, fern heruͤber, Ach! von des Knaben, Der mir ſo lieb war, Friſch gruͤnendem Huͤgel. Und Fruͤhlingsbluͤthen unterweges ſtreifend, Ueberſaͤttigt mit Wohlgeruͤchen, Wie ſuͤß bedraͤngt ihr dies Herz! Und ſaͤuſelt her in die Saiten, Angezogen von wohllautender Wehmuth, Wachſend im Zug meiner Sehnſucht, Und hinſterbend wieder. Aber auf einmal, Wie der Wind heftiger herſtoͤßt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0068" n="52"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">An eine Aeolsharfe.</hi><lb/> </head> <cit> <quote> <hi rendition="#aq">Tu semper urges flebilibus modis<lb/> Mysten ademptum: nec tibi Vespero<lb/> Surgente decedunt amores,<lb/> Nec rapidum fugiente Solem.</hi><lb/> </quote> <bibl> <hi rendition="#aq">H</hi> <hi rendition="#k">or</hi> <hi rendition="#aq">.</hi><lb/> </bibl> </cit> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Angelehnt an die Epheuwand</l><lb/> <l>Dieſer alten Terraſſe,</l><lb/> <l>Du, einer luftgebornen Muſe</l><lb/> <l>Geheimnißvolles Saitenſpiel,</l><lb/> <l>Fang' an,</l><lb/> <l>Fange wieder an</l><lb/> <l>Deine melodiſche Klage!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ihr kommet, Winde, fern heruͤber,</l><lb/> <l>Ach! von des Knaben,</l><lb/> <l>Der mir ſo lieb war,</l><lb/> <l>Friſch gruͤnendem Huͤgel.</l><lb/> <l>Und Fruͤhlingsbluͤthen unterweges ſtreifend,</l><lb/> <l>Ueberſaͤttigt mit Wohlgeruͤchen,</l><lb/> <l>Wie ſuͤß bedraͤngt ihr dies Herz!</l><lb/> <l>Und ſaͤuſelt her in die Saiten,</l><lb/> <l>Angezogen von wohllautender Wehmuth,</l><lb/> <l>Wachſend im Zug meiner Sehnſucht,</l><lb/> <l>Und hinſterbend wieder.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Aber auf einmal,</l><lb/> <l>Wie der Wind heftiger herſtoͤßt,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [52/0068]
An eine Aeolsharfe.
Tu semper urges flebilibus modis
Mysten ademptum: nec tibi Vespero
Surgente decedunt amores,
Nec rapidum fugiente Solem.
H or .
Angelehnt an die Epheuwand
Dieſer alten Terraſſe,
Du, einer luftgebornen Muſe
Geheimnißvolles Saitenſpiel,
Fang' an,
Fange wieder an
Deine melodiſche Klage!
Ihr kommet, Winde, fern heruͤber,
Ach! von des Knaben,
Der mir ſo lieb war,
Friſch gruͤnendem Huͤgel.
Und Fruͤhlingsbluͤthen unterweges ſtreifend,
Ueberſaͤttigt mit Wohlgeruͤchen,
Wie ſuͤß bedraͤngt ihr dies Herz!
Und ſaͤuſelt her in die Saiten,
Angezogen von wohllautender Wehmuth,
Wachſend im Zug meiner Sehnſucht,
Und hinſterbend wieder.
Aber auf einmal,
Wie der Wind heftiger herſtoͤßt,
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/68>, abgerufen am 23.07.2024. |