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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Sieh! wie die Wolken finstre Ballen schließen
Um den ehrwürd'gen Trotz der Burgruine!
Von Weitem schon hört man den alten Riesen,
Stumm harrt das Thal mit ungewisser Miene,
Der Kukuk nur ruft sein einförmig Grüßen
Versteckt aus unerforschter Wildniß Grüne, --
Jezt kracht die Wölbung und verhallet lange,
Das wundervolle Schauspiel ist im Gange!
Ja nun, indeß mit hoher Feuerhelle
Der Blitz die Stirn und Wange mir verklärt,
Ruf' ich den lauten Segen in die grelle
Musik des Donners, die mein Wort bewährt:
O Thal! du meines Lebens andre Schwelle!
Du meiner tiefsten Kräfte stiller Herd!
Du meiner Liebe Wundernest! ich scheide,
Leb wohl! -- und sey dein Engel mein Geleite!

4 *
Sieh! wie die Wolken finſtre Ballen ſchließen
Um den ehrwuͤrd'gen Trotz der Burgruine!
Von Weitem ſchon hoͤrt man den alten Rieſen,
Stumm harrt das Thal mit ungewiſſer Miene,
Der Kukuk nur ruft ſein einfoͤrmig Gruͤßen
Verſteckt aus unerforſchter Wildniß Gruͤne, —
Jezt kracht die Woͤlbung und verhallet lange,
Das wundervolle Schauſpiel iſt im Gange!
Ja nun, indeß mit hoher Feuerhelle
Der Blitz die Stirn und Wange mir verklaͤrt,
Ruf' ich den lauten Segen in die grelle
Muſik des Donners, die mein Wort bewaͤhrt:
O Thal! du meines Lebens andre Schwelle!
Du meiner tiefſten Kraͤfte ſtiller Herd!
Du meiner Liebe Wunderneſt! ich ſcheide,
Leb wohl! — und ſey dein Engel mein Geleite!

4 *
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[51/0067] Sieh! wie die Wolken finſtre Ballen ſchließen Um den ehrwuͤrd'gen Trotz der Burgruine! Von Weitem ſchon hoͤrt man den alten Rieſen, Stumm harrt das Thal mit ungewiſſer Miene, Der Kukuk nur ruft ſein einfoͤrmig Gruͤßen Verſteckt aus unerforſchter Wildniß Gruͤne, — Jezt kracht die Woͤlbung und verhallet lange, Das wundervolle Schauſpiel iſt im Gange! Ja nun, indeß mit hoher Feuerhelle Der Blitz die Stirn und Wange mir verklaͤrt, Ruf' ich den lauten Segen in die grelle Muſik des Donners, die mein Wort bewaͤhrt: O Thal! du meines Lebens andre Schwelle! Du meiner tiefſten Kraͤfte ſtiller Herd! Du meiner Liebe Wunderneſt! ich ſcheide, Leb wohl! — und ſey dein Engel mein Geleite! 4 *

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/67>, abgerufen am 06.05.2024.