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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Mann und Weib liegt im Bette, die Last des Tages
verschlafend.

Sachte tritt Suckelborst nun vor die nächstgelegene Scheuer,
Mißt mit wohlgefälligem Aug' so Höhe wie Breite
Beider Flügelthore (sie waren nicht von den kleinsten,
Aber er selbst war größer denn sie, dieweil er ein Riese),
Dann betrachtet er Schloß und Riegel, kneipt mit dem
Finger

Ab den Globen und öffnet das Thor und hebet die Flügel
Aus den Angeln und lehnt an die Wand sie übereinander.
Alsbald schaut er sich um nach des Nachbars Scheuer und
schreitet

Zu demselben Geschäft und raubt die mächtigen Thore,
Stellt zu den vorigen sie an die Wand, und alsofort
macht er

Weiter im Gäßchen hinauf, bis er dem fünften und
sechsten

Bauern auf gleiche Weise die Tenne gelüftet. Am Ende
Ueberzählt er die Stücke: es waren eben ein Dutzend
Blätter, und fehlte nur noch, daß er mit sauberen
Stricken

Hinten die Angel-Oehre verband, da war es ein Schreib¬
buch,

Gar ein stattliches; doch dies war ein Geschäft für da¬
heime.

Also nimmt er es unter den Arm, das Werk, und trollt sich.

Unterdeß war der schnarchenden Bauern Einer vom
Schlafe

Aufgeschauert und hörte des schwer-Entwandelnden Fußtritt.

Mann und Weib liegt im Bette, die Laſt des Tages
verſchlafend.

Sachte tritt Suckelborſt nun vor die naͤchſtgelegene Scheuer,
Mißt mit wohlgefaͤlligem Aug' ſo Hoͤhe wie Breite
Beider Fluͤgelthore (ſie waren nicht von den kleinſten,
Aber er ſelbſt war groͤßer denn ſie, dieweil er ein Rieſe),
Dann betrachtet er Schloß und Riegel, kneipt mit dem
Finger

Ab den Globen und oͤffnet das Thor und hebet die Fluͤgel
Aus den Angeln und lehnt an die Wand ſie uͤbereinander.
Alsbald ſchaut er ſich um nach des Nachbars Scheuer und
ſchreitet

Zu demſelben Geſchaͤft und raubt die maͤchtigen Thore,
Stellt zu den vorigen ſie an die Wand, und alſofort
macht er

Weiter im Gaͤßchen hinauf, bis er dem fuͤnften und
ſechsten

Bauern auf gleiche Weiſe die Tenne geluͤftet. Am Ende
Ueberzaͤhlt er die Stuͤcke: es waren eben ein Dutzend
Blaͤtter, und fehlte nur noch, daß er mit ſauberen
Stricken

Hinten die Angel-Oehre verband, da war es ein Schreib¬
buch,

Gar ein ſtattliches; doch dies war ein Geſchaͤft fuͤr da¬
heime.

Alſo nimmt er es unter den Arm, das Werk, und trollt ſich.

Unterdeß war der ſchnarchenden Bauern Einer vom
Schlafe

Aufgeſchauert und hoͤrte des ſchwer-Entwandelnden Fußtritt.
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[181/0197] Mann und Weib liegt im Bette, die Laſt des Tages verſchlafend. Sachte tritt Suckelborſt nun vor die naͤchſtgelegene Scheuer, Mißt mit wohlgefaͤlligem Aug' ſo Hoͤhe wie Breite Beider Fluͤgelthore (ſie waren nicht von den kleinſten, Aber er ſelbſt war groͤßer denn ſie, dieweil er ein Rieſe), Dann betrachtet er Schloß und Riegel, kneipt mit dem Finger Ab den Globen und oͤffnet das Thor und hebet die Fluͤgel Aus den Angeln und lehnt an die Wand ſie uͤbereinander. Alsbald ſchaut er ſich um nach des Nachbars Scheuer und ſchreitet Zu demſelben Geſchaͤft und raubt die maͤchtigen Thore, Stellt zu den vorigen ſie an die Wand, und alſofort macht er Weiter im Gaͤßchen hinauf, bis er dem fuͤnften und ſechsten Bauern auf gleiche Weiſe die Tenne geluͤftet. Am Ende Ueberzaͤhlt er die Stuͤcke: es waren eben ein Dutzend Blaͤtter, und fehlte nur noch, daß er mit ſauberen Stricken Hinten die Angel-Oehre verband, da war es ein Schreib¬ buch, Gar ein ſtattliches; doch dies war ein Geſchaͤft fuͤr da¬ heime. Alſo nimmt er es unter den Arm, das Werk, und trollt ſich. Unterdeß war der ſchnarchenden Bauern Einer vom Schlafe Aufgeſchauert und hoͤrte des ſchwer-Entwandelnden Fußtritt.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/197>, abgerufen am 21.11.2024.