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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Dort weilen rosige Gestalten
In heitern Höhen, himmlisch klar,
Und fest an goldnen Seilen halten
Sie schwesterlich das Kettenpaar;
Sie liegen ängstlich auf den Knieen
Und sehen sanft zum wilden Spiel,
Und wie sie im Gebete glühen,
Löst, wie ein Traum, sich sein Gefühl.
Denn ihr Gesang tönt mild und leise,
Er rührt beruhigend sein Ohr:
O folge harmlos deiner Weise,
Dazu Allvater dich erkor!
Dem Wort der Sterne kannst du trauen,
Laß dein Gemüth in ihnen ruhn!
Das Tiefste wirst du endlich schauen,
Begreifen lernen all dein Thun.
Und wirst nicht länger menschlich hadern,
Wirst schaun der Dinge heil'ge Zahl,
Wie in der Erde warmen Adern,
Wie in dem Frühlingssonnenstrahl,
Wie in des Sturmes dunkeln Falten
Des Vaters göttlich Wesen schwebt,
Den Faden freundlicher Gewalten,
Den Geist der holden Eintracht webt.
Einst wird es kommen, daß auf Erden
Sich höhere Geschlechter freun,
Und heitre Angesichter werden
Des Ewig-Schönen Spiegel seyn,
Dort weilen roſige Geſtalten
In heitern Hoͤhen, himmliſch klar,
Und feſt an goldnen Seilen halten
Sie ſchweſterlich das Kettenpaar;
Sie liegen aͤngſtlich auf den Knieen
Und ſehen ſanft zum wilden Spiel,
Und wie ſie im Gebete gluͤhen,
Loͤst, wie ein Traum, ſich ſein Gefuͤhl.
Denn ihr Geſang toͤnt mild und leiſe,
Er ruͤhrt beruhigend ſein Ohr:
O folge harmlos deiner Weiſe,
Dazu Allvater dich erkor!
Dem Wort der Sterne kannſt du trauen,
Laß dein Gemuͤth in ihnen ruhn!
Das Tiefſte wirſt du endlich ſchauen,
Begreifen lernen all dein Thun.
Und wirſt nicht laͤnger menſchlich hadern,
Wirſt ſchaun der Dinge heil'ge Zahl,
Wie in der Erde warmen Adern,
Wie in dem Fruͤhlingsſonnenſtrahl,
Wie in des Sturmes dunkeln Falten
Des Vaters goͤttlich Weſen ſchwebt,
Den Faden freundlicher Gewalten,
Den Geiſt der holden Eintracht webt.
Einſt wird es kommen, daß auf Erden
Sich hoͤhere Geſchlechter freun,
Und heitre Angeſichter werden
Des Ewig-Schoͤnen Spiegel ſeyn,
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[160/0176] Dort weilen roſige Geſtalten In heitern Hoͤhen, himmliſch klar, Und feſt an goldnen Seilen halten Sie ſchweſterlich das Kettenpaar; Sie liegen aͤngſtlich auf den Knieen Und ſehen ſanft zum wilden Spiel, Und wie ſie im Gebete gluͤhen, Loͤst, wie ein Traum, ſich ſein Gefuͤhl. Denn ihr Geſang toͤnt mild und leiſe, Er ruͤhrt beruhigend ſein Ohr: O folge harmlos deiner Weiſe, Dazu Allvater dich erkor! Dem Wort der Sterne kannſt du trauen, Laß dein Gemuͤth in ihnen ruhn! Das Tiefſte wirſt du endlich ſchauen, Begreifen lernen all dein Thun. Und wirſt nicht laͤnger menſchlich hadern, Wirſt ſchaun der Dinge heil'ge Zahl, Wie in der Erde warmen Adern, Wie in dem Fruͤhlingsſonnenſtrahl, Wie in des Sturmes dunkeln Falten Des Vaters goͤttlich Weſen ſchwebt, Den Faden freundlicher Gewalten, Den Geiſt der holden Eintracht webt. Einſt wird es kommen, daß auf Erden Sich hoͤhere Geſchlechter freun, Und heitre Angeſichter werden Des Ewig-Schoͤnen Spiegel ſeyn,

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/176>, abgerufen am 03.05.2024.