Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.distinguiren, und also auch aller Ehren werth sind: ob aber derentwegen die Christliche Reli- gion die einige wahre seligmachende sey, zweiffele ich noch; indem ja unter denen Heyden aller- dings solche Exempel angewiesen werden können; welche diese Glückseligkeit, Ruhe und Frieden des Gemüths so wohl als verschiedene Christen besessen haben. Modestin. Lieber Herr Nicander, ich will ihm dieses nicht bestreiten; wie ich ihm es auch schon oben zugestanden habe: daß unter denen Heyden sich welche befunden, die dem Lichte der Natur und der allgemeinen Gnade GOttes Folge leistende, zu der wahren Glückseligkeit eines Göttlichen Friedens und Ruhe des Gemüthes gelanget sind; ob sie gleich eine so grosse und genaue Erkänntniß von der Göttlichen Weißheit nicht gehabt haben mögen, als wir zu unserer Zeit erlangen können: indem sich die Geheimnisse der ewigen Weißheit von Grad zu Grade eröffnen, und nach ihrem Wohlgefallen austheilen. Doch ist auch kein Zweiffel, daß sie GOtt dem HErrn als das höchste vollkommenste Wesen aller Wesen im Geiste veneriret, angebetet, und in der Liebe ihres Nächsten dem Dictamini Na- turae Folge geleistet haben, nach dem Maaß ihrer Erkänntniß: wodurch sie eben zu der Tugend ge- langet sind. Wo ihme aber beliebet die Geschichte genau einzusehen und zu untersuchen, wird er doch zwischen dem Leben und Thaten derer meisten Phi- losophen; und zwischen dem Leben, Thun und Lei- den; wie auch der Morale JEsu Christi, seiner Apo-
diſtinguiren, und alſo auch aller Ehren werth ſind: ob aber derentwegen die Chriſtliche Reli- gion die einige wahre ſeligmachende ſey, zweiffele ich noch; indem ja unter denen Heyden aller- dings ſolche Exempel angewieſen werden koͤnnen; welche dieſe Gluͤckſeligkeit, Ruhe und Frieden des Gemuͤths ſo wohl als verſchiedene Chriſten beſeſſen haben. Modeſtin. Lieber Herr Nicander, ich will ihm dieſes nicht beſtreiten; wie ich ihm es auch ſchon oben zugeſtanden habe: daß unter denen Heyden ſich welche befunden, die dem Lichte der Natur und der allgemeinen Gnade GOttes Folge leiſtende, zu der wahren Gluͤckſeligkeit eines Goͤttlichen Friedens und Ruhe des Gemuͤthes gelanget ſind; ob ſie gleich eine ſo groſſe und genaue Erkaͤnntniß von der Goͤttlichen Weißheit nicht gehabt haben moͤgen, als wir zu unſerer Zeit erlangen koͤnnen: indem ſich die Geheimniſſe der ewigen Weißheit von Grad zu Grade eroͤffnen, und nach ihrem Wohlgefallen austheilen. Doch iſt auch kein Zweiffel, daß ſie GOtt dem HErrn als das hoͤchſte vollkommenſte Weſen aller Weſen im Geiſte veneriret, angebetet, und in der Liebe ihres Naͤchſten dem Dictamini Na- turæ Folge geleiſtet haben, nach dem Maaß ihrer Erkaͤnntniß: wodurch ſie eben zu der Tugend ge- langet ſind. Wo ihme aber beliebet die Geſchichte genau einzuſehen und zu unterſuchen, wird er doch zwiſchen dem Leben und Thaten derer meiſten Phi- loſophen; und zwiſchen dem Leben, Thun und Lei- den; wie auch der Morale JEſu Chriſti, ſeiner Apo-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp> <p><pb facs="#f0069" n="63"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#aq">diſtingui</hi>ren, und alſo auch aller Ehren werth<lb/> ſind: ob aber derentwegen die Chriſtliche Reli-<lb/> gion die einige wahre ſeligmachende ſey, zweiffele<lb/> ich noch; indem ja unter denen Heyden aller-<lb/> dings ſolche Exempel angewieſen werden koͤnnen;<lb/> welche dieſe Gluͤckſeligkeit, Ruhe und Frieden des<lb/> Gemuͤths ſo wohl als verſchiedene Chriſten beſeſſen<lb/> haben.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Modeſtin.</hi> </hi> </speaker> <p>Lieber Herr <hi rendition="#aq">Nicander,</hi> ich will ihm<lb/> dieſes nicht beſtreiten; wie ich ihm es auch ſchon<lb/> oben zugeſtanden habe: daß unter denen Heyden<lb/> ſich welche befunden, die dem Lichte der Natur und<lb/> der allgemeinen Gnade GOttes Folge leiſtende, zu<lb/> der wahren Gluͤckſeligkeit eines Goͤttlichen Friedens<lb/> und Ruhe des Gemuͤthes gelanget ſind; ob ſie<lb/> gleich eine ſo groſſe und genaue Erkaͤnntniß von der<lb/> Goͤttlichen Weißheit nicht gehabt haben moͤgen,<lb/> als wir zu unſerer Zeit erlangen koͤnnen: indem ſich<lb/> die Geheimniſſe der ewigen Weißheit von Grad zu<lb/> Grade eroͤffnen, und nach ihrem Wohlgefallen<lb/> austheilen. Doch iſt auch kein Zweiffel, daß ſie<lb/> GOtt dem HErrn als das hoͤchſte vollkommenſte<lb/> Weſen aller Weſen im Geiſte <hi rendition="#aq">veneri</hi>ret, angebetet,<lb/> und in der Liebe ihres Naͤchſten dem <hi rendition="#aq">Dictamini Na-<lb/> turæ</hi> Folge geleiſtet haben, nach dem Maaß ihrer<lb/> Erkaͤnntniß: wodurch ſie eben zu der Tugend ge-<lb/> langet ſind. Wo ihme aber beliebet die Geſchichte<lb/> genau einzuſehen und zu unterſuchen, wird er doch<lb/> zwiſchen dem Leben und Thaten derer meiſten Phi-<lb/> loſophen; und zwiſchen dem Leben, Thun und Lei-<lb/> den; wie auch der Morale JEſu Chriſti, ſeiner<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Apo-</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [63/0069]
diſtinguiren, und alſo auch aller Ehren werth
ſind: ob aber derentwegen die Chriſtliche Reli-
gion die einige wahre ſeligmachende ſey, zweiffele
ich noch; indem ja unter denen Heyden aller-
dings ſolche Exempel angewieſen werden koͤnnen;
welche dieſe Gluͤckſeligkeit, Ruhe und Frieden des
Gemuͤths ſo wohl als verſchiedene Chriſten beſeſſen
haben.
Modeſtin. Lieber Herr Nicander, ich will ihm
dieſes nicht beſtreiten; wie ich ihm es auch ſchon
oben zugeſtanden habe: daß unter denen Heyden
ſich welche befunden, die dem Lichte der Natur und
der allgemeinen Gnade GOttes Folge leiſtende, zu
der wahren Gluͤckſeligkeit eines Goͤttlichen Friedens
und Ruhe des Gemuͤthes gelanget ſind; ob ſie
gleich eine ſo groſſe und genaue Erkaͤnntniß von der
Goͤttlichen Weißheit nicht gehabt haben moͤgen,
als wir zu unſerer Zeit erlangen koͤnnen: indem ſich
die Geheimniſſe der ewigen Weißheit von Grad zu
Grade eroͤffnen, und nach ihrem Wohlgefallen
austheilen. Doch iſt auch kein Zweiffel, daß ſie
GOtt dem HErrn als das hoͤchſte vollkommenſte
Weſen aller Weſen im Geiſte veneriret, angebetet,
und in der Liebe ihres Naͤchſten dem Dictamini Na-
turæ Folge geleiſtet haben, nach dem Maaß ihrer
Erkaͤnntniß: wodurch ſie eben zu der Tugend ge-
langet ſind. Wo ihme aber beliebet die Geſchichte
genau einzuſehen und zu unterſuchen, wird er doch
zwiſchen dem Leben und Thaten derer meiſten Phi-
loſophen; und zwiſchen dem Leben, Thun und Lei-
den; wie auch der Morale JEſu Chriſti, ſeiner
Apo-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |