Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.durch Verderbung des Sinnes und des durch die Liebe thätigen Glaubens ermangeln. Nicander. Daß die Herren ihre Religion so sehr über andere erheben, scheinet mir aus dem Vorur- theil der Gebuhrt und Erziehung herzurühren; und wo sie unter denen Heyden, Türcken, Jüden, oder einem andern Volcke gebohren und erzogen worden wären; würden sie eben ihrer Väter Meinungen beypflichten, und die Christliche Religion schwerlich vorziehen. Jndem man bey euch ja fast so absurde Denteleyen und Grimmassen derer Pfaffen bey ih- rem Gottesdienst sehen und wahrnehmen kan, als bey verschiedenen anderer Völcker Religions-Ge- brauch und Ceremonien. Modestin. Mein werther Herr Nicander, er wirfft die Sachen, die zu entscheiden sind, auch ziemlich durcheinander: Weßwegen man den Grund der Sache etwas tiefer suchen, und das Aeussere von dem Jnnern, den Kern von denen Schaalen wohl entscheiden muß, wo man die Sachen recht einse- hen und beurtheilen will. GOtt ist ein Geist, und die wahren Anbeter, beten ihn im Geiste und der Wahrheit an, verehren, veneriren ihn von gantzem Hertzen, und setzen all ihr Vertrauen auf ihn. Was die äusserliche Ceremonien anlangt, sind es gewißlich wohl recht indifferente Manieren; und ist wohl wenig daran gelegen: ob man den äusser- lichen Reverentz gegen einen grossen Herren nach der Landes-Art, nach Orientalischer, Griechi- scher, Jtaliänisch, Spanischer, Frantzösisch oder Teutscher Art mache: wenn nur das Hertz auf- richtig
durch Verderbung des Sinnes und des durch die Liebe thaͤtigen Glaubens ermangeln. Nicander. Daß die Herren ihre Religion ſo ſehr uͤber andere erheben, ſcheinet mir aus dem Vorur- theil der Gebuhrt und Erziehung herzuruͤhren; und wo ſie unter denen Heyden, Tuͤrcken, Juͤden, oder einem andern Volcke gebohren und erzogen worden waͤren; wuͤrden ſie eben ihrer Vaͤter Meinungen beypflichten, und die Chriſtliche Religion ſchwerlich vorziehen. Jndem man bey euch ja faſt ſo abſurde Denteleyen und Grimmaſſen derer Pfaffen bey ih- rem Gottesdienſt ſehen und wahrnehmen kan, als bey verſchiedenen anderer Voͤlcker Religions-Ge- brauch und Ceremonien. Modeſtin. Mein werther Herr Nicander, er wirfft die Sachen, die zu entſcheiden ſind, auch ziemlich durcheinander: Weßwegen man den Grund der Sache etwas tiefer ſuchen, und das Aeuſſere von dem Jnnern, den Kern von denen Schaalen wohl entſcheiden muß, wo man die Sachen recht einſe- hen und beurtheilen will. GOtt iſt ein Geiſt, und die wahren Anbeter, beten ihn im Geiſte und der Wahrheit an, verehren, veneriren ihn von gantzem Hertzen, und ſetzen all ihr Vertrauen auf ihn. Was die aͤuſſerliche Ceremonien anlangt, ſind es gewißlich wohl recht indifferente Manieren; und iſt wohl wenig daran gelegen: ob man den aͤuſſer- lichen Reverentz gegen einen groſſen Herren nach der Landes-Art, nach Orientaliſcher, Griechi- ſcher, Jtaliaͤniſch, Spaniſcher, Frantzoͤſiſch oder Teutſcher Art mache: wenn nur das Hertz auf- richtig
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durch Verderbung des Sinnes und des durch die
Liebe thaͤtigen Glaubens ermangeln.
Nicander. Daß die Herren ihre Religion ſo ſehr
uͤber andere erheben, ſcheinet mir aus dem Vorur-
theil der Gebuhrt und Erziehung herzuruͤhren; und
wo ſie unter denen Heyden, Tuͤrcken, Juͤden, oder
einem andern Volcke gebohren und erzogen worden
waͤren; wuͤrden ſie eben ihrer Vaͤter Meinungen
beypflichten, und die Chriſtliche Religion ſchwerlich
vorziehen. Jndem man bey euch ja faſt ſo abſurde
Denteleyen und Grimmaſſen derer Pfaffen bey ih-
rem Gottesdienſt ſehen und wahrnehmen kan, als
bey verſchiedenen anderer Voͤlcker Religions-Ge-
brauch und Ceremonien.
Modeſtin. Mein werther Herr Nicander, er wirfft
die Sachen, die zu entſcheiden ſind, auch ziemlich
durcheinander: Weßwegen man den Grund der
Sache etwas tiefer ſuchen, und das Aeuſſere von
dem Jnnern, den Kern von denen Schaalen wohl
entſcheiden muß, wo man die Sachen recht einſe-
hen und beurtheilen will. GOtt iſt ein Geiſt, und
die wahren Anbeter, beten ihn im Geiſte und der
Wahrheit an, verehren, veneriren ihn von gantzem
Hertzen, und ſetzen all ihr Vertrauen auf ihn.
Was die aͤuſſerliche Ceremonien anlangt, ſind es
gewißlich wohl recht indifferente Manieren; und
iſt wohl wenig daran gelegen: ob man den aͤuſſer-
lichen Reverentz gegen einen groſſen Herren nach
der Landes-Art, nach Orientaliſcher, Griechi-
ſcher, Jtaliaͤniſch, Spaniſcher, Frantzoͤſiſch oder
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