Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


und Schwierigkeit nicht auswickeln können: so
lange wir den Glauben nur alleine oder vornemlich
in dem Begriff und Meinungen setzen, und an Mei-
nungen und Conceptes binden. Wenn wir aber
obiges feste setzen: daß der wahre Glaube die Liebe
GOttes und des Nächsten mit einem festen Ver-
trauen auf GOtt zum Grunde legen: Welchen
Glauben auch Enoch, Abraham, Jsaac, Jacob und
andere Väter unter der Verheissung gehabt, noch
ehe ein Buchstabe von heiliger Schrifft verfasset
ware: ohnerachtet dieselbe gewißlich die Erkänntnis
von Christo, dessen Leyden, Sterben und Auferste-
hung u. d. g. Glaubens-Articuln nicht so wie wir
heute zu Tage gehabt haben: so wird man aus
solchem Zweiffel und Schwierigkeit gar leichte kom-
men können.
Alamodan. So wäre es denn gleichviel was
vor einen Glauben und Religion man hätte; sie
möchte Heydnisch, Mahometanisch oder Christ-
lich seyn.
Modestin. Der Herr verzeihe mir, dieses folget
derowegen noch lange nicht, und confundiret er mir
Glauben und Religion. Die Religion kan und
ist wircklich bey gar vielen ohne wahren durch die
Liebe thätigen Glauben: unter denen in der Welt
üblichen Religionen ist allerdings ein gar grosser
Unterscheid; und hat allerdings die wahre Christ-
liche vor der Mahometanischen und Heydnischen,
(welche mit vielen groben Jrrthümern vermischet
sind) einen gar grossen vortrefflichen Vorzug; wel-
cher aber doch diejenige wenig helffen wird, welche
durch
D 5


und Schwierigkeit nicht auswickeln koͤnnen: ſo
lange wir den Glauben nur alleine oder vornemlich
in dem Begriff und Meinungen ſetzen, und an Mei-
nungen und Conceptes binden. Wenn wir aber
obiges feſte ſetzen: daß der wahre Glaube die Liebe
GOttes und des Naͤchſten mit einem feſten Ver-
trauen auf GOtt zum Grunde legen: Welchen
Glauben auch Enoch, Abraham, Jſaac, Jacob und
andere Vaͤter unter der Verheiſſung gehabt, noch
ehe ein Buchſtabe von heiliger Schrifft verfaſſet
ware: ohnerachtet dieſelbe gewißlich die Erkaͤnntnis
von Chriſto, deſſen Leyden, Sterben und Auferſte-
hung u. d. g. Glaubens-Articuln nicht ſo wie wir
heute zu Tage gehabt haben: ſo wird man aus
ſolchem Zweiffel und Schwierigkeit gar leichte kom-
men koͤnnen.
Alamodan. So waͤre es denn gleichviel was
vor einen Glauben und Religion man haͤtte; ſie
moͤchte Heydniſch, Mahometaniſch oder Chriſt-
lich ſeyn.
Modeſtin. Der Herr verzeihe mir, dieſes folget
derowegen noch lange nicht, und confundiret er mir
Glauben und Religion. Die Religion kan und
iſt wircklich bey gar vielen ohne wahren durch die
Liebe thaͤtigen Glauben: unter denen in der Welt
uͤblichen Religionen iſt allerdings ein gar groſſer
Unterſcheid; und hat allerdings die wahre Chriſt-
liche vor der Mahometaniſchen und Heydniſchen,
(welche mit vielen groben Jrrthuͤmern vermiſchet
ſind) einen gar groſſen vortrefflichen Vorzug; wel-
cher aber doch diejenige wenig helffen wird, welche
durch
D 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0063" n="57"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
und Schwierigkeit nicht auswickeln ko&#x0364;nnen: &#x017F;o<lb/>
lange wir den Glauben nur alleine oder vornemlich<lb/>
in dem Begriff und Meinungen &#x017F;etzen, und an Mei-<lb/>
nungen und <hi rendition="#aq">Conceptes</hi> binden. Wenn wir aber<lb/>
obiges fe&#x017F;te &#x017F;etzen: daß der wahre Glaube die Liebe<lb/>
GOttes und des Na&#x0364;ch&#x017F;ten mit einem fe&#x017F;ten Ver-<lb/>
trauen auf GOtt zum Grunde legen: Welchen<lb/>
Glauben auch Enoch, Abraham, J&#x017F;aac, Jacob und<lb/>
andere Va&#x0364;ter unter der Verhei&#x017F;&#x017F;ung gehabt, noch<lb/>
ehe ein Buch&#x017F;tabe von heiliger Schrifft verfa&#x017F;&#x017F;et<lb/>
ware: ohnerachtet die&#x017F;elbe gewißlich die Erka&#x0364;nntnis<lb/>
von Chri&#x017F;to, de&#x017F;&#x017F;en Leyden, Sterben und Aufer&#x017F;te-<lb/>
hung u. d. g. Glaubens-Articuln nicht &#x017F;o wie wir<lb/>
heute zu Tage gehabt haben: &#x017F;o wird man aus<lb/>
&#x017F;olchem Zweiffel und Schwierigkeit gar leichte kom-<lb/>
men ko&#x0364;nnen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>So wa&#x0364;re es denn gleichviel was<lb/>
vor einen Glauben und Religion man ha&#x0364;tte; &#x017F;ie<lb/>
mo&#x0364;chte Heydni&#x017F;ch, Mahometani&#x017F;ch oder Chri&#x017F;t-<lb/>
lich &#x017F;eyn.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Der Herr verzeihe mir, die&#x017F;es folget<lb/>
derowegen noch lange nicht, und <hi rendition="#aq">confundi</hi>ret er mir<lb/>
Glauben und Religion. Die Religion kan und<lb/>
i&#x017F;t wircklich bey gar vielen ohne wahren durch die<lb/>
Liebe tha&#x0364;tigen Glauben: unter denen in der Welt<lb/>
u&#x0364;blichen Religionen i&#x017F;t allerdings ein gar gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Unter&#x017F;cheid; und hat allerdings die wahre Chri&#x017F;t-<lb/>
liche vor der Mahometani&#x017F;chen und Heydni&#x017F;chen,<lb/>
(welche mit vielen groben Jrrthu&#x0364;mern vermi&#x017F;chet<lb/>
&#x017F;ind) einen gar gro&#x017F;&#x017F;en vortrefflichen Vorzug; wel-<lb/>
cher aber doch diejenige wenig helffen wird, welche<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0063] und Schwierigkeit nicht auswickeln koͤnnen: ſo lange wir den Glauben nur alleine oder vornemlich in dem Begriff und Meinungen ſetzen, und an Mei- nungen und Conceptes binden. Wenn wir aber obiges feſte ſetzen: daß der wahre Glaube die Liebe GOttes und des Naͤchſten mit einem feſten Ver- trauen auf GOtt zum Grunde legen: Welchen Glauben auch Enoch, Abraham, Jſaac, Jacob und andere Vaͤter unter der Verheiſſung gehabt, noch ehe ein Buchſtabe von heiliger Schrifft verfaſſet ware: ohnerachtet dieſelbe gewißlich die Erkaͤnntnis von Chriſto, deſſen Leyden, Sterben und Auferſte- hung u. d. g. Glaubens-Articuln nicht ſo wie wir heute zu Tage gehabt haben: ſo wird man aus ſolchem Zweiffel und Schwierigkeit gar leichte kom- men koͤnnen. Alamodan. So waͤre es denn gleichviel was vor einen Glauben und Religion man haͤtte; ſie moͤchte Heydniſch, Mahometaniſch oder Chriſt- lich ſeyn. Modeſtin. Der Herr verzeihe mir, dieſes folget derowegen noch lange nicht, und confundiret er mir Glauben und Religion. Die Religion kan und iſt wircklich bey gar vielen ohne wahren durch die Liebe thaͤtigen Glauben: unter denen in der Welt uͤblichen Religionen iſt allerdings ein gar groſſer Unterſcheid; und hat allerdings die wahre Chriſt- liche vor der Mahometaniſchen und Heydniſchen, (welche mit vielen groben Jrrthuͤmern vermiſchet ſind) einen gar groſſen vortrefflichen Vorzug; wel- cher aber doch diejenige wenig helffen wird, welche durch D 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/63
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/63>, abgerufen am 23.11.2024.