Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


Confutio: welche es gewißlich euren heutigen a la
mode
Christen in Ausübung derer Tugenden weit
zuvor gethan haben. Sind diese denn auch neu
gebohren gewesen?
Modestin. Jch trage meines Theils kein Beden-
cken auch denen frommen Heyden sowohl, als denen
Vätern vor und nach der Sündfluth die neue Ge-
burth aus GOtt zuzuschreiben: Da es ohnmöglich,
ohne Beystand und die Gnade GOttes etwas Gu-
tes zu wollen, vielweniger zu vollbringen; auch
kommen ja alle gute und vollkommene Gaben von
oben herab vom Vater des Lichtes. Zwar will
solchen grossen Leuten, (als auch Hermestrismegi-
stus, Jamblichus, Proclus
und andere Weise auch
unter alten Aegyptiern, Chaldäern und andern
Nationen gewesen) den Geist der Weißheit nicht
absprechen: sintemahlen dieselbe nach dem Maaß
ihrer Erkänntnis auch eine besondere Veneration
GOttes und Liebe gegen ihren Nächsten bezeuget
haben. Confutii und anderer Moral ist billig zu
bewundern und hochzuachten; als welche von der
Christlichen wenig unterschieden. Doch müssen
wir billig einen Unterscheid machen, zwischen einem
Kinde, Jüngling und Mann in Christo; auch den
Unterscheid der zwischen einen pur Natürlichen und
Wiedergebohrnen ist, und worinnen solcher bestehe,
mit ihrer Genehmhaltung untersuchen und in un-
sere Betrachtung ziehen.
Nicander. Jch lasse einem jeden nicht alleine
seine Meinung und Sentimens gerne frey passiren;
nehme mir auch die Freyheit alles zu prüfen, und
das


Confutio: welche es gewißlich euren heutigen à la
mode
Chriſten in Ausuͤbung derer Tugenden weit
zuvor gethan haben. Sind dieſe denn auch neu
gebohren geweſen?
Modeſtin. Jch trage meines Theils kein Beden-
cken auch denen frommen Heyden ſowohl, als denen
Vaͤtern vor und nach der Suͤndfluth die neue Ge-
burth aus GOtt zuzuſchreiben: Da es ohnmoͤglich,
ohne Beyſtand und die Gnade GOttes etwas Gu-
tes zu wollen, vielweniger zu vollbringen; auch
kommen ja alle gute und vollkommene Gaben von
oben herab vom Vater des Lichtes. Zwar will
ſolchen groſſen Leuten, (als auch Hermestrismegi-
ſtus, Jamblichus, Proclus
und andere Weiſe auch
unter alten Aegyptiern, Chaldaͤern und andern
Nationen geweſen) den Geiſt der Weißheit nicht
abſprechen: ſintemahlen dieſelbe nach dem Maaß
ihrer Erkaͤnntnis auch eine beſondere Veneration
GOttes und Liebe gegen ihren Naͤchſten bezeuget
haben. Confutii und anderer Moral iſt billig zu
bewundern und hochzuachten; als welche von der
Chriſtlichen wenig unterſchieden. Doch muͤſſen
wir billig einen Unterſcheid machen, zwiſchen einem
Kinde, Juͤngling und Mann in Chriſto; auch den
Unterſcheid der zwiſchen einen pur Natuͤrlichen und
Wiedergebohrnen iſt, und worinnen ſolcher beſtehe,
mit ihrer Genehmhaltung unterſuchen und in un-
ſere Betrachtung ziehen.
Nicander. Jch laſſe einem jeden nicht alleine
ſeine Meinung und Sentimens gerne frey paſſiren;
nehme mir auch die Freyheit alles zu pruͤfen, und
das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0048" n="42"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#aq">Confutio:</hi> welche es gewißlich euren heutigen <hi rendition="#aq">à la<lb/>
mode</hi> Chri&#x017F;ten in Ausu&#x0364;bung derer Tugenden weit<lb/>
zuvor gethan haben. Sind die&#x017F;e denn auch neu<lb/>
gebohren gewe&#x017F;en?</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch trage meines Theils kein Beden-<lb/>
cken auch denen frommen Heyden &#x017F;owohl, als denen<lb/>
Va&#x0364;tern vor und nach der Su&#x0364;ndfluth die neue Ge-<lb/>
burth aus GOtt zuzu&#x017F;chreiben: Da es ohnmo&#x0364;glich,<lb/>
ohne Bey&#x017F;tand und die Gnade GOttes etwas Gu-<lb/>
tes zu wollen, vielweniger zu vollbringen; auch<lb/>
kommen ja alle gute und vollkommene Gaben von<lb/>
oben herab vom Vater des Lichtes. Zwar will<lb/>
&#x017F;olchen gro&#x017F;&#x017F;en Leuten, (als auch <hi rendition="#aq">Hermestrismegi-<lb/>
&#x017F;tus, Jamblichus, Proclus</hi> und andere Wei&#x017F;e auch<lb/>
unter alten Aegyptiern, Chalda&#x0364;ern und andern<lb/>
Nationen gewe&#x017F;en) den Gei&#x017F;t der Weißheit nicht<lb/>
ab&#x017F;prechen: &#x017F;intemahlen die&#x017F;elbe nach dem Maaß<lb/>
ihrer Erka&#x0364;nntnis auch eine be&#x017F;ondere <hi rendition="#aq">Veneration</hi><lb/>
GOttes und Liebe gegen ihren Na&#x0364;ch&#x017F;ten bezeuget<lb/>
haben. <hi rendition="#aq">Confutii</hi> und anderer <hi rendition="#aq">Moral</hi> i&#x017F;t billig zu<lb/>
bewundern und hochzuachten; als welche von der<lb/>
Chri&#x017F;tlichen wenig unter&#x017F;chieden. Doch mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wir billig einen Unter&#x017F;cheid machen, zwi&#x017F;chen einem<lb/>
Kinde, Ju&#x0364;ngling und Mann in Chri&#x017F;to; auch den<lb/>
Unter&#x017F;cheid der zwi&#x017F;chen einen pur Natu&#x0364;rlichen und<lb/>
Wiedergebohrnen i&#x017F;t, und worinnen &#x017F;olcher be&#x017F;tehe,<lb/>
mit ihrer Genehmhaltung unter&#x017F;uchen und in un-<lb/>
&#x017F;ere Betrachtung ziehen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch la&#x017F;&#x017F;e einem jeden nicht alleine<lb/>
&#x017F;eine Meinung und <hi rendition="#aq">Sentimens</hi> gerne frey <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;i</hi>ren;<lb/>
nehme mir auch die Freyheit alles zu pru&#x0364;fen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0048] Confutio: welche es gewißlich euren heutigen à la mode Chriſten in Ausuͤbung derer Tugenden weit zuvor gethan haben. Sind dieſe denn auch neu gebohren geweſen? Modeſtin. Jch trage meines Theils kein Beden- cken auch denen frommen Heyden ſowohl, als denen Vaͤtern vor und nach der Suͤndfluth die neue Ge- burth aus GOtt zuzuſchreiben: Da es ohnmoͤglich, ohne Beyſtand und die Gnade GOttes etwas Gu- tes zu wollen, vielweniger zu vollbringen; auch kommen ja alle gute und vollkommene Gaben von oben herab vom Vater des Lichtes. Zwar will ſolchen groſſen Leuten, (als auch Hermestrismegi- ſtus, Jamblichus, Proclus und andere Weiſe auch unter alten Aegyptiern, Chaldaͤern und andern Nationen geweſen) den Geiſt der Weißheit nicht abſprechen: ſintemahlen dieſelbe nach dem Maaß ihrer Erkaͤnntnis auch eine beſondere Veneration GOttes und Liebe gegen ihren Naͤchſten bezeuget haben. Confutii und anderer Moral iſt billig zu bewundern und hochzuachten; als welche von der Chriſtlichen wenig unterſchieden. Doch muͤſſen wir billig einen Unterſcheid machen, zwiſchen einem Kinde, Juͤngling und Mann in Chriſto; auch den Unterſcheid der zwiſchen einen pur Natuͤrlichen und Wiedergebohrnen iſt, und worinnen ſolcher beſtehe, mit ihrer Genehmhaltung unterſuchen und in un- ſere Betrachtung ziehen. Nicander. Jch laſſe einem jeden nicht alleine ſeine Meinung und Sentimens gerne frey paſſiren; nehme mir auch die Freyheit alles zu pruͤfen, und das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/48
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/48>, abgerufen am 18.12.2024.