Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


sichten und Vortheilen. Und wo Hauß-Väter ihre
Pflichten als Christen beobachteten, und das Recht
des geistlichen Priesterthums verstünden; würde
das Kirchenwesen wohl ein gantz anderes Ansehen
gewinnen. So lange aber nur die auff Universitä-
ten mit der hohen Schulen-Weisheit begabete, mei-
stens noch sehr rohe, in wahren Christenthum recht
unerfahrne, ungeübte, auffgeblasene Jünglinge,
denen Gemeinden als Hirten und Lehrer vorgesetzt
und auffgebürdet werden, hat man von grosser Bes-
serung sich auch nicht viel Hoffnung zu machen; wo
GOtt der HErr nicht ins Mittel tritt und immer
mit seinem Geist sie dazu sonderbahr ausrüstet und
aussendet.
Alamodan. Alleine mein lieber Herr Modestin es
ist doch nöthig und gut, daß junge Leute auff Uni-
versitäten die rechte reine Glaubens-Lehre fassen, da-
mit sie nicht nur geschickt seyen, die Unwissende zu
lehren; sondern auch denen Ketzern Wiederstand
thun zu können; und was würde daraus nicht vor
eine Unordnung in Kirchen, Schulen und Regi-
ment entstehen, wo denen Gemeinden nicht gelehrte
Leute vorgesetzet werden sollten.
Nicander. Es scheinet der Herr Alamodan seye
sehr um das Wohlseyn des gemeinen Wesens besor-
get; wenn man aber den Flor des Englischen und
Holländischen Staats betrachtet; allwo allerley
Religionen toleriret werden, und jedem frey stehet
GOtt nach seinem Begriff zu verehren; wird dar-
aus nicht zu ersehen seyn, daß der Unterscheid in Re-
ligions-Sachen keine Unordnung im gemeinen
Wesen


ſichten und Vortheilen. Und wo Hauß-Vaͤter ihre
Pflichten als Chriſten beobachteten, und das Recht
des geiſtlichen Prieſterthums verſtuͤnden; wuͤrde
das Kirchenweſen wohl ein gantz anderes Anſehen
gewinnen. So lange aber nur die auff Univerſitaͤ-
ten mit der hohen Schulen-Weisheit begabete, mei-
ſtens noch ſehr rohe, in wahren Chriſtenthum recht
unerfahrne, ungeuͤbte, auffgeblaſene Juͤnglinge,
denen Gemeinden als Hirten und Lehrer vorgeſetzt
und auffgebuͤrdet werden, hat man von groſſer Beſ-
ſerung ſich auch nicht viel Hoffnung zu machen; wo
GOtt der HErr nicht ins Mittel tritt und immer
mit ſeinem Geiſt ſie dazu ſonderbahr ausruͤſtet und
ausſendet.
Alamodan. Alleine mein lieber Herr Modeſtin es
iſt doch noͤthig und gut, daß junge Leute auff Uni-
verſitaͤten die rechte reine Glaubens-Lehre faſſen, da-
mit ſie nicht nur geſchickt ſeyen, die Unwiſſende zu
lehren; ſondern auch denen Ketzern Wiederſtand
thun zu koͤnnen; und was wuͤrde daraus nicht vor
eine Unordnung in Kirchen, Schulen und Regi-
ment entſtehen, wo denen Gemeinden nicht gelehrte
Leute vorgeſetzet werden ſollten.
Nicander. Es ſcheinet der Herr Alamodan ſeye
ſehr um das Wohlſeyn des gemeinen Weſens beſor-
get; wenn man aber den Flor des Engliſchen und
Hollaͤndiſchen Staats betrachtet; allwo allerley
Religionen toleriret werden, und jedem frey ſtehet
GOtt nach ſeinem Begriff zu verehren; wird dar-
aus nicht zu erſehen ſeyn, daß der Unterſcheid in Re-
ligions-Sachen keine Unordnung im gemeinen
Weſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0035" n="29"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ichten und Vortheilen. Und wo Hauß-Va&#x0364;ter ihre<lb/>
Pflichten als Chri&#x017F;ten beobachteten, und das Recht<lb/>
des gei&#x017F;tlichen Prie&#x017F;terthums ver&#x017F;tu&#x0364;nden; wu&#x0364;rde<lb/>
das Kirchenwe&#x017F;en wohl ein gantz anderes An&#x017F;ehen<lb/>
gewinnen. So lange aber nur die auff Univer&#x017F;ita&#x0364;-<lb/>
ten mit der hohen Schulen-Weisheit begabete, mei-<lb/>
&#x017F;tens noch &#x017F;ehr rohe, in wahren Chri&#x017F;tenthum recht<lb/>
unerfahrne, ungeu&#x0364;bte, auffgebla&#x017F;ene Ju&#x0364;nglinge,<lb/>
denen Gemeinden als Hirten und Lehrer vorge&#x017F;etzt<lb/>
und auffgebu&#x0364;rdet werden, hat man von gro&#x017F;&#x017F;er Be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erung &#x017F;ich auch nicht viel Hoffnung zu machen; wo<lb/>
GOtt der HErr nicht ins Mittel tritt und immer<lb/>
mit &#x017F;einem Gei&#x017F;t &#x017F;ie dazu &#x017F;onderbahr ausru&#x0364;&#x017F;tet und<lb/>
aus&#x017F;endet.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Alleine mein lieber Herr <hi rendition="#aq">Mode&#x017F;tin</hi> es<lb/>
i&#x017F;t doch no&#x0364;thig und gut, daß junge Leute auff Uni-<lb/>
ver&#x017F;ita&#x0364;ten die rechte reine Glaubens-Lehre fa&#x017F;&#x017F;en, da-<lb/>
mit &#x017F;ie nicht nur ge&#x017F;chickt &#x017F;eyen, die Unwi&#x017F;&#x017F;ende zu<lb/>
lehren; &#x017F;ondern auch denen Ketzern Wieder&#x017F;tand<lb/>
thun zu ko&#x0364;nnen; und was wu&#x0364;rde daraus nicht vor<lb/>
eine Unordnung in Kirchen, Schulen und Regi-<lb/>
ment ent&#x017F;tehen, wo denen Gemeinden nicht gelehrte<lb/>
Leute vorge&#x017F;etzet werden &#x017F;ollten.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Es &#x017F;cheinet der Herr <hi rendition="#aq">Alamodan</hi> &#x017F;eye<lb/>
&#x017F;ehr um das Wohl&#x017F;eyn des gemeinen We&#x017F;ens be&#x017F;or-<lb/>
get; wenn man aber den Flor des Engli&#x017F;chen und<lb/>
Holla&#x0364;ndi&#x017F;chen Staats betrachtet; allwo allerley<lb/>
Religionen <hi rendition="#aq">toleri</hi>ret werden, und jedem frey &#x017F;tehet<lb/>
GOtt nach &#x017F;einem Begriff zu verehren; wird dar-<lb/>
aus nicht zu er&#x017F;ehen &#x017F;eyn, daß der Unter&#x017F;cheid in Re-<lb/>
ligions-Sachen keine Unordnung im gemeinen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">We&#x017F;en</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0035] ſichten und Vortheilen. Und wo Hauß-Vaͤter ihre Pflichten als Chriſten beobachteten, und das Recht des geiſtlichen Prieſterthums verſtuͤnden; wuͤrde das Kirchenweſen wohl ein gantz anderes Anſehen gewinnen. So lange aber nur die auff Univerſitaͤ- ten mit der hohen Schulen-Weisheit begabete, mei- ſtens noch ſehr rohe, in wahren Chriſtenthum recht unerfahrne, ungeuͤbte, auffgeblaſene Juͤnglinge, denen Gemeinden als Hirten und Lehrer vorgeſetzt und auffgebuͤrdet werden, hat man von groſſer Beſ- ſerung ſich auch nicht viel Hoffnung zu machen; wo GOtt der HErr nicht ins Mittel tritt und immer mit ſeinem Geiſt ſie dazu ſonderbahr ausruͤſtet und ausſendet. Alamodan. Alleine mein lieber Herr Modeſtin es iſt doch noͤthig und gut, daß junge Leute auff Uni- verſitaͤten die rechte reine Glaubens-Lehre faſſen, da- mit ſie nicht nur geſchickt ſeyen, die Unwiſſende zu lehren; ſondern auch denen Ketzern Wiederſtand thun zu koͤnnen; und was wuͤrde daraus nicht vor eine Unordnung in Kirchen, Schulen und Regi- ment entſtehen, wo denen Gemeinden nicht gelehrte Leute vorgeſetzet werden ſollten. Nicander. Es ſcheinet der Herr Alamodan ſeye ſehr um das Wohlſeyn des gemeinen Weſens beſor- get; wenn man aber den Flor des Engliſchen und Hollaͤndiſchen Staats betrachtet; allwo allerley Religionen toleriret werden, und jedem frey ſtehet GOtt nach ſeinem Begriff zu verehren; wird dar- aus nicht zu erſehen ſeyn, daß der Unterſcheid in Re- ligions-Sachen keine Unordnung im gemeinen Weſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/35
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/35>, abgerufen am 18.12.2024.