Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.Dahero ich auch nicht glaube: daß, wo der Stand zweyer Personen gar sehr unterschieden ist (als z. E. eines Königes und geringen Unterthanen) zwi- schen solchen eine recht intime Freundschafft Platz haben könne. Sondern es muß dabey der Gerin- gere des Obern entweder Esel oder Narr seyn. Welches einer intimen Freundschafft widerspricht. Theogenes. Herr Nicander raisoniret hiebey gantz wohl. Die Freundschafft unter gleichen Gemü- thern, und deren Stand nicht zu sehr unterschieden, ist wohl die beste und festeste. Und sind die von gleichen Neigungen wohl die bequemsten zur Auf- richtung und Erhaltung einer vertraulichen wah- ren Freundschafft, wo sie einander recht kennen zu lernen Gelegenheit haben, und sich darum die Mühe geben wollen. Modestin. Je redlicher, aufrichtiger, bescheide- ner, leutseliger und unintereßirter ein Tugendlie- bender gegen einen andern seines gleichen verfäh- ret, und mit sorgfältiger Gefälligkeit einer dem an- dern zuvor zu kommen bemühet ist: je eher wird der Zweck der vertraulichen Freundschafft erhalten. Welches in der That ein halber Himmel auf Erden ist, warum sich doch wenige bemühen mögen. Alamodan. Ey! wer sollte nicht gerne gute auf- richtige Freunde haben wollen, auf welche man sich in Zeit der Noth verlassen könte? Alleine wo findet
Dahero ich auch nicht glaube: daß, wo der Stand zweyer Perſonen gar ſehr unterſchieden iſt (als z. E. eines Koͤniges und geringen Unterthanen) zwi- ſchen ſolchen eine recht intime Freundſchafft Platz haben koͤnne. Sondern es muß dabey der Gerin- gere des Obern entweder Eſel oder Narr ſeyn. Welches einer intimen Freundſchafft widerſpricht. Theogenes. Herr Nicander raiſoniret hiebey gantz wohl. Die Freundſchafft unter gleichen Gemuͤ- thern, und deren Stand nicht zu ſehr unterſchieden, iſt wohl die beſte und feſteſte. Und ſind die von gleichen Neigungen wohl die bequemſten zur Auf- richtung und Erhaltung einer vertraulichen wah- ren Freundſchafft, wo ſie einander recht kennen zu lernen Gelegenheit haben, und ſich darum die Muͤhe geben wollen. Modeſtin. Je redlicher, aufrichtiger, beſcheide- ner, leutſeliger und unintereßirter ein Tugendlie- bender gegen einen andern ſeines gleichen verfaͤh- ret, und mit ſorgfaͤltiger Gefaͤlligkeit einer dem an- dern zuvor zu kommen bemuͤhet iſt: je eher wird der Zweck der vertraulichen Freundſchafft erhalten. Welches in der That ein halber Himmel auf Erden iſt, warum ſich doch wenige bemuͤhen moͤgen. Alamodan. Ey! wer ſollte nicht gerne gute auf- richtige Freunde haben wollen, auf welche man ſich in Zeit der Noth verlaſſen koͤnte? Alleine wo findet
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Dahero ich auch nicht glaube: daß, wo der Stand
zweyer Perſonen gar ſehr unterſchieden iſt (als
z. E. eines Koͤniges und geringen Unterthanen) zwi-
ſchen ſolchen eine recht intime Freundſchafft Platz
haben koͤnne. Sondern es muß dabey der Gerin-
gere des Obern entweder Eſel oder Narr ſeyn.
Welches einer intimen Freundſchafft widerſpricht.
Theogenes. Herr Nicander raiſoniret hiebey gantz
wohl. Die Freundſchafft unter gleichen Gemuͤ-
thern, und deren Stand nicht zu ſehr unterſchieden,
iſt wohl die beſte und feſteſte. Und ſind die von
gleichen Neigungen wohl die bequemſten zur Auf-
richtung und Erhaltung einer vertraulichen wah-
ren Freundſchafft, wo ſie einander recht kennen zu
lernen Gelegenheit haben, und ſich darum die Muͤhe
geben wollen.
Modeſtin. Je redlicher, aufrichtiger, beſcheide-
ner, leutſeliger und unintereßirter ein Tugendlie-
bender gegen einen andern ſeines gleichen verfaͤh-
ret, und mit ſorgfaͤltiger Gefaͤlligkeit einer dem an-
dern zuvor zu kommen bemuͤhet iſt: je eher wird
der Zweck der vertraulichen Freundſchafft erhalten.
Welches in der That ein halber Himmel auf Erden
iſt, warum ſich doch wenige bemuͤhen moͤgen.
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Zitationshilfe: | Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/150>, abgerufen am 21.02.2025. |