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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Das verlohrne Paradies.

Also fuhr er seitdem, von innrer Unruh gejaget,
Mit der Finsterniß sieben Nächte herum um die Erde,
65Zirkelte dreymal die Linie durch, die den Tag und die Nächte

Gleich macht; und durchkreuzte von einem Pole zum andern
Emsig den Wagen der Nacht zum viertenmale, nachdem er
Beyde Coluren durchschnitten; und mit der achten der Nächte
Kam er zurück, und fand an der anderen Seite von Eden,
70Fern vom Eingang des Gartens, und von der Cherubischen Wache

Einen verborgenen Weg. Es war ein Platz in dem Garten,
Welchen die Neugier vergebens itzt sucht, obgleich nur die Sünde,
Nicht die Zeit, die Verändrung gemacht; hier stürzte der Tigris
An dem Fuße von Eden tief unter dem Boden hinunter
75Jn den Abgrund, und kam hernach beym Baume des Lebens

Wieder zum Theil hervor, wie eine sprudelnde Quelle.
Satan sank mit dem rauschenden Fluß zugleich in den Abgrund,

Und stieg mit ihm wieder herauf, wie ein dünstender Nebel.
Er erforscht dann, wo er sich nun am besten verberge.
80Denn er hatte das Meer und das Land durchsuchet, von Eden

Ueber Pontus hinweg bis zu dem Mäotischen Pfuhle,
Am Fluß Oby hinaus bis nieder zum südlichen Pole,
Und in die Länge gen Westen vom Strom des mächtgen Orontes,
Bis an den Jsthmus von Darien hin, der den Ocean zuschließt;
85Und von da bis zum Land, das der Ganges und Jndus benetzet,

So durchstreifte die Erde sein Flug; mit fleißigem Forschen,
Und genauer Besichtgung beschaut er jedes Geschöpfe,
Welches von allen am besten zu seinem Betruge sich schicke;

Und

Das verlohrne Paradies.

Alſo fuhr er ſeitdem, von innrer Unruh gejaget,
Mit der Finſterniß ſieben Naͤchte herum um die Erde,
65Zirkelte dreymal die Linie durch, die den Tag und die Naͤchte

Gleich macht; und durchkreuzte von einem Pole zum andern
Emſig den Wagen der Nacht zum viertenmale, nachdem er
Beyde Coluren durchſchnitten; und mit der achten der Naͤchte
Kam er zuruͤck, und fand an der anderen Seite von Eden,
70Fern vom Eingang des Gartens, und von der Cherubiſchen Wache

Einen verborgenen Weg. Es war ein Platz in dem Garten,
Welchen die Neugier vergebens itzt ſucht, obgleich nur die Suͤnde,
Nicht die Zeit, die Veraͤndrung gemacht; hier ſtuͤrzte der Tigris
An dem Fuße von Eden tief unter dem Boden hinunter
75Jn den Abgrund, und kam hernach beym Baume des Lebens

Wieder zum Theil hervor, wie eine ſprudelnde Quelle.
Satan ſank mit dem rauſchenden Fluß zugleich in den Abgrund,

Und ſtieg mit ihm wieder herauf, wie ein duͤnſtender Nebel.
Er erforſcht dann, wo er ſich nun am beſten verberge.
80Denn er hatte das Meer und das Land durchſuchet, von Eden

Ueber Pontus hinweg bis zu dem Maͤotiſchen Pfuhle,
Am Fluß Oby hinaus bis nieder zum ſuͤdlichen Pole,
Und in die Laͤnge gen Weſten vom Strom des maͤchtgen Orontes,
Bis an den Jſthmus von Darien hin, der den Ocean zuſchließt;
85Und von da bis zum Land, das der Ganges und Jndus benetzet,

So durchſtreifte die Erde ſein Flug; mit fleißigem Forſchen,
Und genauer Beſichtgung beſchaut er jedes Geſchoͤpfe,
Welches von allen am beſten zu ſeinem Betruge ſich ſchicke;

Und
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[70/0090] Das verlohrne Paradies. Alſo fuhr er ſeitdem, von innrer Unruh gejaget, Mit der Finſterniß ſieben Naͤchte herum um die Erde, Zirkelte dreymal die Linie durch, die den Tag und die Naͤchte Gleich macht; und durchkreuzte von einem Pole zum andern Emſig den Wagen der Nacht zum viertenmale, nachdem er Beyde Coluren durchſchnitten; und mit der achten der Naͤchte Kam er zuruͤck, und fand an der anderen Seite von Eden, Fern vom Eingang des Gartens, und von der Cherubiſchen Wache Einen verborgenen Weg. Es war ein Platz in dem Garten, Welchen die Neugier vergebens itzt ſucht, obgleich nur die Suͤnde, Nicht die Zeit, die Veraͤndrung gemacht; hier ſtuͤrzte der Tigris An dem Fuße von Eden tief unter dem Boden hinunter Jn den Abgrund, und kam hernach beym Baume des Lebens Wieder zum Theil hervor, wie eine ſprudelnde Quelle. Satan ſank mit dem rauſchenden Fluß zugleich in den Abgrund, Und ſtieg mit ihm wieder herauf, wie ein duͤnſtender Nebel. Er erforſcht dann, wo er ſich nun am beſten verberge. Denn er hatte das Meer und das Land durchſuchet, von Eden Ueber Pontus hinweg bis zu dem Maͤotiſchen Pfuhle, Am Fluß Oby hinaus bis nieder zum ſuͤdlichen Pole, Und in die Laͤnge gen Weſten vom Strom des maͤchtgen Orontes, Bis an den Jſthmus von Darien hin, der den Ocean zuſchließt; Und von da bis zum Land, das der Ganges und Jndus benetzet, So durchſtreifte die Erde ſein Flug; mit fleißigem Forſchen, Und genauer Beſichtgung beſchaut er jedes Geſchoͤpfe, Welches von allen am beſten zu ſeinem Betruge ſich ſchicke; Und

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/90>, abgerufen am 29.11.2024.