Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite


Das
Verlohrne Paradies.
Achter Gesang.
Raphael endigte hier. Doch seine bezaubernde Stimme
Klang noch immer in Adams Ohr; er glaubte noch immer
Jhn zu hören; und saß, auf ihn die Gedanken geheftet;
Bis er zuletzt, wie von neuem erwacht, erkenntlich versetzte.
5
Welchen Dank, und welche Vergeltung kann ich dir erstatten,
Großer göttlicher Lehrer so fremder erhabner Geschichte!
Da du den Durst nach Wissenschaft mir so reichlich gestillt hast,
Und so geneigt, wie ein Freund, zu mir dich heruntergelassen,
Dinge mir zu erzählen, die ich sonst nimmer erfahren,
10Und erst itzo von dir mit entzückter Verwundrung gehöret.

Preis und Ehre dafür dem großen allmächtigen Schöpfer,
Wie sichs gebührt. Doch bleibt mir indeß ein Zweifel zurücke,
Den du allein mir benehmen kannst. Wenn voller Entzückung
Jch den herrlichen Bau von Himmel und Erde [Spaltenumbruch] a) betrachte;
Wenn
a) Adam giebt hierdurch dem Engel die
Gelegenheit, die Meynungen des Ptole-
mäus
und Copernicus von dem Welt-
gebäude vorzutragen. Der Dichter aber
braucht die Behutsamkeit, daß der Erz-
engel keines von diesen Systemen durch
[Spaltenumbruch] seinen Ausspruch für gewiß erklärt. Hät-
te Milton in den itzigen Zeiten gelebt, so
hätte er vielleicht ohne Bedenken sich den
Engel für das Copernicanische System
erklären lassen. Z.
E 2


Das
Verlohrne Paradies.
Achter Geſang.
Raphael endigte hier. Doch ſeine bezaubernde Stimme
Klang noch immer in Adams Ohr; er glaubte noch immer
Jhn zu hoͤren; und ſaß, auf ihn die Gedanken geheftet;
Bis er zuletzt, wie von neuem erwacht, erkenntlich verſetzte.
5
Welchen Dank, und welche Vergeltung kann ich dir erſtatten,
Großer goͤttlicher Lehrer ſo fremder erhabner Geſchichte!
Da du den Durſt nach Wiſſenſchaft mir ſo reichlich geſtillt haſt,
Und ſo geneigt, wie ein Freund, zu mir dich heruntergelaſſen,
Dinge mir zu erzaͤhlen, die ich ſonſt nimmer erfahren,
10Und erſt itzo von dir mit entzuͤckter Verwundrung gehoͤret.

Preis und Ehre dafuͤr dem großen allmaͤchtigen Schoͤpfer,
Wie ſichs gebuͤhrt. Doch bleibt mir indeß ein Zweifel zuruͤcke,
Den du allein mir benehmen kannſt. Wenn voller Entzuͤckung
Jch den herrlichen Bau von Himmel und Erde [Spaltenumbruch] a) betrachte;
Wenn
a) Adam giebt hierdurch dem Engel die
Gelegenheit, die Meynungen des Ptole-
mäus
und Copernicus von dem Welt-
gebaͤude vorzutragen. Der Dichter aber
braucht die Behutſamkeit, daß der Erz-
engel keines von dieſen Syſtemen durch
[Spaltenumbruch] ſeinen Ausſpruch fuͤr gewiß erklaͤrt. Haͤt-
te Milton in den itzigen Zeiten gelebt, ſo
haͤtte er vielleicht ohne Bedenken ſich den
Engel fuͤr das Copernicaniſche Syſtem
erklaͤren laſſen. Z.
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0053" n="35"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>Das<lb/>
Verlohrne Paradies.<lb/>
Achter Ge&#x017F;ang.</head><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">R</hi><hi rendition="#fr">aphael</hi> endigte hier. Doch &#x017F;eine bezaubernde Stimme</l><lb/>
            <l>Klang noch immer in <hi rendition="#fr">Adams</hi> Ohr; er glaubte noch immer</l><lb/>
            <l>Jhn zu ho&#x0364;ren; und &#x017F;aß, auf ihn die Gedanken geheftet;</l><lb/>
            <l>Bis er zuletzt, wie von neuem erwacht, erkenntlich ver&#x017F;etzte.</l>
          </lg><lb/>
          <note place="left">5</note>
          <lg n="2">
            <l>Welchen Dank, und welche Vergeltung kann ich dir er&#x017F;tatten,</l><lb/>
            <l>Großer go&#x0364;ttlicher Lehrer &#x017F;o fremder erhabner Ge&#x017F;chichte!</l><lb/>
            <l>Da du den Dur&#x017F;t nach Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft mir &#x017F;o reichlich ge&#x017F;tillt ha&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;o geneigt, wie ein Freund, zu mir dich heruntergela&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Dinge mir zu erza&#x0364;hlen, die ich &#x017F;on&#x017F;t nimmer erfahren,<lb/><note place="left">10</note>Und er&#x017F;t itzo von dir mit entzu&#x0364;ckter Verwundrung geho&#x0364;ret.</l><lb/>
            <l>Preis und Ehre dafu&#x0364;r dem großen allma&#x0364;chtigen Scho&#x0364;pfer,</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ichs gebu&#x0364;hrt. Doch bleibt mir indeß ein Zweifel zuru&#x0364;cke,</l><lb/>
            <l>Den du allein mir benehmen kann&#x017F;t. Wenn voller Entzu&#x0364;ckung</l><lb/>
            <l>Jch den herrlichen Bau von Himmel und Erde <cb/>
<note place="foot" n="a)">Adam giebt hierdurch dem Engel die<lb/>
Gelegenheit, die Meynungen des <hi rendition="#fr">Ptole-<lb/>
mäus</hi> und <hi rendition="#fr">Copernicus</hi> von dem Welt-<lb/>
geba&#x0364;ude vorzutragen. Der Dichter aber<lb/>
braucht die Behut&#x017F;amkeit, daß der Erz-<lb/>
engel keines von die&#x017F;en Sy&#x017F;temen durch<lb/><cb/>
&#x017F;einen Aus&#x017F;pruch fu&#x0364;r gewiß erkla&#x0364;rt. Ha&#x0364;t-<lb/>
te Milton in den itzigen Zeiten gelebt, &#x017F;o<lb/>
ha&#x0364;tte er vielleicht ohne Bedenken &#x017F;ich den<lb/>
Engel fu&#x0364;r das Copernicani&#x017F;che Sy&#x017F;tem<lb/>
erkla&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note> betrachte;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0053] Das Verlohrne Paradies. Achter Geſang. Raphael endigte hier. Doch ſeine bezaubernde Stimme Klang noch immer in Adams Ohr; er glaubte noch immer Jhn zu hoͤren; und ſaß, auf ihn die Gedanken geheftet; Bis er zuletzt, wie von neuem erwacht, erkenntlich verſetzte. Welchen Dank, und welche Vergeltung kann ich dir erſtatten, Großer goͤttlicher Lehrer ſo fremder erhabner Geſchichte! Da du den Durſt nach Wiſſenſchaft mir ſo reichlich geſtillt haſt, Und ſo geneigt, wie ein Freund, zu mir dich heruntergelaſſen, Dinge mir zu erzaͤhlen, die ich ſonſt nimmer erfahren, Und erſt itzo von dir mit entzuͤckter Verwundrung gehoͤret. Preis und Ehre dafuͤr dem großen allmaͤchtigen Schoͤpfer, Wie ſichs gebuͤhrt. Doch bleibt mir indeß ein Zweifel zuruͤcke, Den du allein mir benehmen kannſt. Wenn voller Entzuͤckung Jch den herrlichen Bau von Himmel und Erde a) betrachte; Wenn a) Adam giebt hierdurch dem Engel die Gelegenheit, die Meynungen des Ptole- mäus und Copernicus von dem Welt- gebaͤude vorzutragen. Der Dichter aber braucht die Behutſamkeit, daß der Erz- engel keines von dieſen Syſtemen durch ſeinen Ausſpruch fuͤr gewiß erklaͤrt. Haͤt- te Milton in den itzigen Zeiten gelebt, ſo haͤtte er vielleicht ohne Bedenken ſich den Engel fuͤr das Copernicaniſche Syſtem erklaͤren laſſen. Z. E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/53
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/53>, abgerufen am 05.12.2024.