Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.Das verlohrne Paradies. So schuf Gott den Himmel [Spaltenumbruch]
p), so schuf er die Erde; noch war sie Leer; ein unförmlicher Klumpen. Und dunkele finstere Nacht lag Auf dem Abgrund; doch schwebte der Geist mit brütenden Schwingen 230Ueber den ruhigen Wassern, und goß lebendige Wärme Und lebendige Kraft in den schweren flüßigen Klumpen, Stieß hergegen die schwarzen und kalten, höllischen Hefen, Welche dem Leben zuwider sind, nieder; dann bildet, und fügt er Gleiche Dinge zu gleichen; die übrigen schied er von ihnen 235An viel andere Oerter; dazwischen spannt' er die Luft aus, Und die Erde hieng da, auf ihrem Mittelpunkt ruhend. Und Gott sprach: Es werde Licht q)! Das ätherische Licht sprang Plötzlich hervor aus dem Schooße der Nacht; das erste, das reine Aller Dinge. Von seinem Geburtsort, von Often her, fieng es 240Durch die dunkele Luft den majestätischen Lauf an. Noch umgab es der Flohr von einer stralenden Wolke, Und noch war die Sonne nicht da. Das Licht hielt indessen Jn der Wolkenhütte sich auf. Es sah der Allmächtge, Daß es gut war. Da scheidete Gott das Licht von dem Dunkeln, 245Nannt es Tag, und die Finsterniß Nacht. Aus Abend und Morgen Ward p) Der Leser wird ohne Mühe wahr- nehmen, wie genau Milton in der gan- zen künftigen Beschreibung der Schö- pfung bey der Schrift bleibt, so daß er, wenn es nur einigermaßen angeht, ihre eignen Worte beybehält. Z. q) Jm ersten Buch Mos. I, 3. Und
Gott sprach, es werde Licht, und es [Spaltenumbruch] ward Licht. Dieß ist die Stelle, die Longin so besonders bewundert; unser Poet aber macht sie etwas weitläuftiger, und sucht einigermaßen zu zeigen, wie das Licht den ersten Tag, und die Sonne doch nicht eher als den vierten Tag darauf gemacht worden. N. Das verlohrne Paradies. So ſchuf Gott den Himmel [Spaltenumbruch]
p), ſo ſchuf er die Erde; noch war ſie Leer; ein unfoͤrmlicher Klumpen. Und dunkele finſtere Nacht lag Auf dem Abgrund; doch ſchwebte der Geiſt mit bruͤtenden Schwingen 230Ueber den ruhigen Waſſern, und goß lebendige Waͤrme Und lebendige Kraft in den ſchweren fluͤßigen Klumpen, Stieß hergegen die ſchwarzen und kalten, hoͤlliſchen Hefen, Welche dem Leben zuwider ſind, nieder; dann bildet, und fuͤgt er Gleiche Dinge zu gleichen; die uͤbrigen ſchied er von ihnen 235An viel andere Oerter; dazwiſchen ſpannt’ er die Luft aus, Und die Erde hieng da, auf ihrem Mittelpunkt ruhend. Und Gott ſprach: Es werde Licht q)! Das aͤtheriſche Licht ſprang Ploͤtzlich hervor aus dem Schooße der Nacht; das erſte, das reine Aller Dinge. Von ſeinem Geburtsort, von Often her, fieng es 240Durch die dunkele Luft den majeſtaͤtiſchen Lauf an. Noch umgab es der Flohr von einer ſtralenden Wolke, Und noch war die Sonne nicht da. Das Licht hielt indeſſen Jn der Wolkenhuͤtte ſich auf. Es ſah der Allmaͤchtge, Daß es gut war. Da ſcheidete Gott das Licht von dem Dunkeln, 245Nannt es Tag, und die Finſterniß Nacht. Aus Abend und Morgen Ward p) Der Leſer wird ohne Muͤhe wahr- nehmen, wie genau Milton in der gan- zen kuͤnftigen Beſchreibung der Schoͤ- pfung bey der Schrift bleibt, ſo daß er, wenn es nur einigermaßen angeht, ihre eignen Worte beybehaͤlt. Z. q) Jm erſten Buch Moſ. I, 3. Und
Gott ſprach, es werde Licht, und es [Spaltenumbruch] ward Licht. Dieß iſt die Stelle, die Longin ſo beſonders bewundert; unſer Poet aber macht ſie etwas weitlaͤuftiger, und ſucht einigermaßen zu zeigen, wie das Licht den erſten Tag, und die Sonne doch nicht eher als den vierten Tag darauf gemacht worden. N. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0030" n="14"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <lg n="11"> <l>So ſchuf Gott den Himmel <cb/> <note place="foot" n="p)">Der Leſer wird ohne Muͤhe wahr-<lb/> nehmen, wie genau Milton in der gan-<lb/> zen kuͤnftigen Beſchreibung der Schoͤ-<lb/> pfung bey der Schrift bleibt, ſo daß er,<lb/> wenn es nur einigermaßen angeht, ihre<lb/> eignen Worte beybehaͤlt. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note>, ſo ſchuf er die Erde; noch war ſie</l><lb/> <l>Leer; ein unfoͤrmlicher Klumpen. Und dunkele finſtere Nacht lag</l><lb/> <l>Auf dem Abgrund; doch ſchwebte der Geiſt mit bruͤtenden Schwingen<lb/><note place="left">230</note>Ueber den ruhigen Waſſern, und goß lebendige Waͤrme</l><lb/> <l>Und lebendige Kraft in den ſchweren fluͤßigen Klumpen,</l><lb/> <l>Stieß hergegen die ſchwarzen und kalten, hoͤlliſchen Hefen,</l><lb/> <l>Welche dem Leben zuwider ſind, nieder; dann bildet, und fuͤgt er</l><lb/> <l>Gleiche Dinge zu gleichen; die uͤbrigen ſchied er von ihnen<lb/><note place="left">235</note>An viel andere Oerter; dazwiſchen ſpannt’ er die Luft aus,</l><lb/> <l>Und die Erde hieng da, auf ihrem Mittelpunkt ruhend.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Und Gott ſprach: Es werde Licht <note place="foot" n="q)">Jm erſten Buch Moſ. <hi rendition="#aq">I,</hi> 3. <hi rendition="#fr">Und<lb/> Gott ſprach, es werde Licht, und es<lb/><cb/> ward Licht.</hi> Dieß iſt die Stelle, die<lb/><hi rendition="#fr">Longin</hi> ſo beſonders bewundert; unſer<lb/> Poet aber macht ſie etwas weitlaͤuftiger,<lb/> und ſucht einigermaßen zu zeigen, wie das<lb/> Licht den erſten Tag, und die Sonne<lb/> doch nicht eher als den vierten Tag darauf<lb/> gemacht worden. <hi rendition="#fr">N.</hi></note>! Das aͤtheriſche Licht ſprang</l><lb/> <l>Ploͤtzlich hervor aus dem Schooße der Nacht; das erſte, das reine</l><lb/> <l>Aller Dinge. Von ſeinem Geburtsort, von Often her, fieng es<lb/><note place="left">240</note>Durch die dunkele Luft den majeſtaͤtiſchen Lauf an.</l><lb/> <l>Noch umgab es der Flohr von einer ſtralenden Wolke,</l><lb/> <l>Und noch war die Sonne nicht da. Das Licht hielt indeſſen</l><lb/> <l>Jn der Wolkenhuͤtte ſich auf. Es ſah der Allmaͤchtge,</l><lb/> <l>Daß es gut war. Da ſcheidete Gott das Licht von dem Dunkeln,<lb/><note place="left">245</note>Nannt es Tag, und die Finſterniß Nacht. Aus Abend und Morgen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ward</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [14/0030]
Das verlohrne Paradies.
So ſchuf Gott den Himmel
p), ſo ſchuf er die Erde; noch war ſie
Leer; ein unfoͤrmlicher Klumpen. Und dunkele finſtere Nacht lag
Auf dem Abgrund; doch ſchwebte der Geiſt mit bruͤtenden Schwingen
Ueber den ruhigen Waſſern, und goß lebendige Waͤrme
Und lebendige Kraft in den ſchweren fluͤßigen Klumpen,
Stieß hergegen die ſchwarzen und kalten, hoͤlliſchen Hefen,
Welche dem Leben zuwider ſind, nieder; dann bildet, und fuͤgt er
Gleiche Dinge zu gleichen; die uͤbrigen ſchied er von ihnen
An viel andere Oerter; dazwiſchen ſpannt’ er die Luft aus,
Und die Erde hieng da, auf ihrem Mittelpunkt ruhend.
Und Gott ſprach: Es werde Licht q)! Das aͤtheriſche Licht ſprang
Ploͤtzlich hervor aus dem Schooße der Nacht; das erſte, das reine
Aller Dinge. Von ſeinem Geburtsort, von Often her, fieng es
Durch die dunkele Luft den majeſtaͤtiſchen Lauf an.
Noch umgab es der Flohr von einer ſtralenden Wolke,
Und noch war die Sonne nicht da. Das Licht hielt indeſſen
Jn der Wolkenhuͤtte ſich auf. Es ſah der Allmaͤchtge,
Daß es gut war. Da ſcheidete Gott das Licht von dem Dunkeln,
Nannt es Tag, und die Finſterniß Nacht. Aus Abend und Morgen
Ward
p) Der Leſer wird ohne Muͤhe wahr-
nehmen, wie genau Milton in der gan-
zen kuͤnftigen Beſchreibung der Schoͤ-
pfung bey der Schrift bleibt, ſo daß er,
wenn es nur einigermaßen angeht, ihre
eignen Worte beybehaͤlt. Z.
q) Jm erſten Buch Moſ. I, 3. Und
Gott ſprach, es werde Licht, und es
ward Licht. Dieß iſt die Stelle, die
Longin ſo beſonders bewundert; unſer
Poet aber macht ſie etwas weitlaͤuftiger,
und ſucht einigermaßen zu zeigen, wie das
Licht den erſten Tag, und die Sonne
doch nicht eher als den vierten Tag darauf
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