Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwölfter Gesang.

Oder vom Himmel dadurch die oberste Herrschaft zu fordern.
Von Empörung wird er den Namen erhalten [Spaltenumbruch] b) ; wiewohl er
Andere selbst der Empörung beschuldigt. Dann wird er mit Rotten,
Die aus gleicher Eroberungssucht sich mit ihm vereinigt,
40Unter ihm, oder auch mit ihm zugleich tyrannisch zu herrschen,

Aus den Gefilden von Eden nach Westen ziehen; da wird er
Eine Ebene finden, aus deren schwangerem Boden
Schwarzer harzichter Leim, wie aus dem Munde der Hölle,
Siedend hervorquillt; sie nehmen sich vor, aus gebackenen Steinen
45Und aus diesem harzichten Stoff mit verwegenen Händen

Eine Stadt zu erbauen, mit einem gewaltigen Thurme,
Dessen Spitze die Wolken erreiche; sich über die Erde
Einen Namen dadurch zu erwerben, damit ihr Gedächtniß
Nicht in Vergessenheit komme, wenn sie in ferne Provinzen
50Sich von einander zerstreuet gesehn; nicht drüber bekümmert,

Ob im Guten, oder im Böfen ihr Ruf sie verewge.
Doch der Allmächtge, der oft herniedersteiget, die Menschen
Unsichtbar zu besuchen, und ihre Hütten durchwandelt,
Um auf ihre Wege zu achten; bemerket gar bald sie,
55Und fährt nieder, zu sehen die Stadt, bevor noch ihr Thurmbau

Ueber die Thürme des Himmels geragt. Zu ihrer Verspottung
Schickt er einen verwirrenden Geist auf die Zungen der Völker,
Jhre Sprache, die sie von ihren Vätern erlernet,
Zu vertilgen, und statt derselben ein buntes Gemische

Fremder
b) Denn der Rame Nimrod wird ge-
meiniglich von dem hebräischen Worte
[Spaltenumbruch] Marad hergeleitet, welches| rebelliren be-
deutet. N.
E e 3

Zwoͤlfter Geſang.

Oder vom Himmel dadurch die oberſte Herrſchaft zu fordern.
Von Empoͤrung wird er den Namen erhalten [Spaltenumbruch] b) ; wiewohl er
Andere ſelbſt der Empoͤrung beſchuldigt. Dann wird er mit Rotten,
Die aus gleicher Eroberungsſucht ſich mit ihm vereinigt,
40Unter ihm, oder auch mit ihm zugleich tyranniſch zu herrſchen,

Aus den Gefilden von Eden nach Weſten ziehen; da wird er
Eine Ebene finden, aus deren ſchwangerem Boden
Schwarzer harzichter Leim, wie aus dem Munde der Hoͤlle,
Siedend hervorquillt; ſie nehmen ſich vor, aus gebackenen Steinen
45Und aus dieſem harzichten Stoff mit verwegenen Haͤnden

Eine Stadt zu erbauen, mit einem gewaltigen Thurme,
Deſſen Spitze die Wolken erreiche; ſich uͤber die Erde
Einen Namen dadurch zu erwerben, damit ihr Gedaͤchtniß
Nicht in Vergeſſenheit komme, wenn ſie in ferne Provinzen
50Sich von einander zerſtreuet geſehn; nicht druͤber bekuͤmmert,

Ob im Guten, oder im Boͤfen ihr Ruf ſie verewge.
Doch der Allmaͤchtge, der oft herniederſteiget, die Menſchen
Unſichtbar zu beſuchen, und ihre Huͤtten durchwandelt,
Um auf ihre Wege zu achten; bemerket gar bald ſie,
55Und faͤhrt nieder, zu ſehen die Stadt, bevor noch ihr Thurmbau

Ueber die Thuͤrme des Himmels geragt. Zu ihrer Verſpottung
Schickt er einen verwirrenden Geiſt auf die Zungen der Voͤlker,
Jhre Sprache, die ſie von ihren Vaͤtern erlernet,
Zu vertilgen, und ſtatt derſelben ein buntes Gemiſche

Fremder
b) Denn der Rame Nimrod wird ge-
meiniglich von dem hebraͤiſchen Worte
[Spaltenumbruch] Marad hergeleitet, welches| rebelliren be-
deutet. N.
E e 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="3">
            <l>
              <pb facs="#f0247" n="221"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zwo&#x0364;lfter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Oder vom Himmel dadurch die ober&#x017F;te Herr&#x017F;chaft zu fordern.</l><lb/>
            <l>Von Empo&#x0364;rung wird er den Namen erhalten <cb/>
<note place="foot" n="b)">Denn der Rame <hi rendition="#fr">Nimrod</hi> wird ge-<lb/>
meiniglich von dem hebra&#x0364;i&#x017F;chen Worte<lb/><cb/> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Marad</hi></hi> hergeleitet, welches| rebelliren be-<lb/>
deutet. <hi rendition="#fr">N.</hi></note> ; wiewohl er</l><lb/>
            <l>Andere &#x017F;elb&#x017F;t der Empo&#x0364;rung be&#x017F;chuldigt. Dann wird er mit Rotten,</l><lb/>
            <l>Die aus gleicher Eroberungs&#x017F;ucht &#x017F;ich mit ihm vereinigt,<lb/><note place="left">40</note>Unter ihm, oder auch mit ihm zugleich tyranni&#x017F;ch zu herr&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Aus den Gefilden von Eden nach We&#x017F;ten ziehen; da wird er</l><lb/>
            <l>Eine Ebene finden, aus deren &#x017F;chwangerem Boden</l><lb/>
            <l>Schwarzer harzichter Leim, wie aus dem Munde der Ho&#x0364;lle,</l><lb/>
            <l>Siedend hervorquillt; &#x017F;ie nehmen &#x017F;ich vor, aus gebackenen Steinen<lb/><note place="left">45</note>Und aus die&#x017F;em harzichten Stoff mit verwegenen Ha&#x0364;nden</l><lb/>
            <l>Eine Stadt zu erbauen, mit einem gewaltigen Thurme,</l><lb/>
            <l>De&#x017F;&#x017F;en Spitze die Wolken erreiche; &#x017F;ich u&#x0364;ber die Erde</l><lb/>
            <l>Einen Namen dadurch zu erwerben, damit ihr Geda&#x0364;chtniß</l><lb/>
            <l>Nicht in Verge&#x017F;&#x017F;enheit komme, wenn &#x017F;ie in ferne Provinzen<lb/><note place="left">50</note>Sich von einander zer&#x017F;treuet ge&#x017F;ehn; nicht dru&#x0364;ber beku&#x0364;mmert,</l><lb/>
            <l>Ob im Guten, oder im Bo&#x0364;fen ihr Ruf &#x017F;ie verewge.</l><lb/>
            <l>Doch der Allma&#x0364;chtge, der oft hernieder&#x017F;teiget, die Men&#x017F;chen</l><lb/>
            <l>Un&#x017F;ichtbar zu be&#x017F;uchen, und ihre Hu&#x0364;tten durchwandelt,</l><lb/>
            <l>Um auf ihre Wege zu achten; bemerket gar bald &#x017F;ie,<lb/><note place="left">55</note>Und fa&#x0364;hrt nieder, zu &#x017F;ehen die Stadt, bevor noch ihr Thurmbau</l><lb/>
            <l>Ueber die Thu&#x0364;rme des Himmels geragt. Zu ihrer Ver&#x017F;pottung</l><lb/>
            <l>Schickt er einen verwirrenden Gei&#x017F;t auf die Zungen der Vo&#x0364;lker,</l><lb/>
            <l>Jhre Sprache, die &#x017F;ie von ihren Va&#x0364;tern erlernet,</l><lb/>
            <l>Zu vertilgen, und &#x017F;tatt der&#x017F;elben ein buntes Gemi&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Fremder</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0247] Zwoͤlfter Geſang. Oder vom Himmel dadurch die oberſte Herrſchaft zu fordern. Von Empoͤrung wird er den Namen erhalten b) ; wiewohl er Andere ſelbſt der Empoͤrung beſchuldigt. Dann wird er mit Rotten, Die aus gleicher Eroberungsſucht ſich mit ihm vereinigt, Unter ihm, oder auch mit ihm zugleich tyranniſch zu herrſchen, Aus den Gefilden von Eden nach Weſten ziehen; da wird er Eine Ebene finden, aus deren ſchwangerem Boden Schwarzer harzichter Leim, wie aus dem Munde der Hoͤlle, Siedend hervorquillt; ſie nehmen ſich vor, aus gebackenen Steinen Und aus dieſem harzichten Stoff mit verwegenen Haͤnden Eine Stadt zu erbauen, mit einem gewaltigen Thurme, Deſſen Spitze die Wolken erreiche; ſich uͤber die Erde Einen Namen dadurch zu erwerben, damit ihr Gedaͤchtniß Nicht in Vergeſſenheit komme, wenn ſie in ferne Provinzen Sich von einander zerſtreuet geſehn; nicht druͤber bekuͤmmert, Ob im Guten, oder im Boͤfen ihr Ruf ſie verewge. Doch der Allmaͤchtge, der oft herniederſteiget, die Menſchen Unſichtbar zu beſuchen, und ihre Huͤtten durchwandelt, Um auf ihre Wege zu achten; bemerket gar bald ſie, Und faͤhrt nieder, zu ſehen die Stadt, bevor noch ihr Thurmbau Ueber die Thuͤrme des Himmels geragt. Zu ihrer Verſpottung Schickt er einen verwirrenden Geiſt auf die Zungen der Voͤlker, Jhre Sprache, die ſie von ihren Vaͤtern erlernet, Zu vertilgen, und ſtatt derſelben ein buntes Gemiſche Fremder b) Denn der Rame Nimrod wird ge- meiniglich von dem hebraͤiſchen Worte Marad hergeleitet, welches| rebelliren be- deutet. N. E e 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/247
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/247>, abgerufen am 03.05.2024.