Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Hier beschloß sie; oder vielmehr die heftge Verzweiflung 10801075Hindert sie, weiter zu reden; sie hatte den Todesgedanken So ins Herz sich geprägt, daß ihre Wangen erblaßten. Adam aber, der nichts auf diesen Anschlag geachtet, Hatt' indessen sein stilles Gemüth zu besserer Hoffnung Schwerarbeitend erhoben, und gab ihr also zur Antwort. Eva, deine Verachtung des Lebens, und alles Vergnügens, Scheint was höhres, was größres in dir, als dieß ist, zu zeigen, Was du verschmähst; die Zerstörung indeß mit eigenen Händen Stürzt die Meynung bald um von deinem erhabenen Vorzug. Dieß ist nicht Verachtung des Lebens, es ist nur Verzweiflung, 1085Furcht und Angst, ein Leben und ein Vergnügen zu missen, Das man zu sehr nur geliebt. Suchst du nur darum zu sterben, Um auf einmal dadurch dein itziges Elend zu enden; Oder glaubest du, so dem ausgesprochenen Urtheil Zu entgehn: so täusche dich nicht! Den rührenden Arm hat 1090Gott vorsichtger gewaffnet, als daß man ihm also entwische. Ja ich fürchte sogar, der also erzwungene Tod wird Diese Schmerzen, wozu uns unser Urtheil verdammet, Nicht
Hier beſchloß ſie; oder vielmehr die heftge Verzweiflung 10801075Hindert ſie, weiter zu reden; ſie hatte den Todesgedanken So ins Herz ſich gepraͤgt, daß ihre Wangen erblaßten. Adam aber, der nichts auf dieſen Anſchlag geachtet, Hatt’ indeſſen ſein ſtilles Gemuͤth zu beſſerer Hoffnung Schwerarbeitend erhoben, und gab ihr alſo zur Antwort. Eva, deine Verachtung des Lebens, und alles Vergnuͤgens, Scheint was hoͤhres, was groͤßres in dir, als dieß iſt, zu zeigen, Was du verſchmaͤhſt; die Zerſtoͤrung indeß mit eigenen Haͤnden Stuͤrzt die Meynung bald um von deinem erhabenen Vorzug. Dieß iſt nicht Verachtung des Lebens, es iſt nur Verzweiflung, 1085Furcht und Angſt, ein Leben und ein Vergnuͤgen zu miſſen, Das man zu ſehr nur geliebt. Suchſt du nur darum zu ſterben, Um auf einmal dadurch dein itziges Elend zu enden; Oder glaubeſt du, ſo dem ausgeſprochenen Urtheil Zu entgehn: ſo taͤuſche dich nicht! Den ruͤhrenden Arm hat 1090Gott vorſichtger gewaffnet, als daß man ihm alſo entwiſche. Ja ich fuͤrchte ſogar, der alſo erzwungene Tod wird Dieſe Schmerzen, wozu uns unſer Urtheil verdammet, Nicht
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Zehnter Geſang.
Laß den Tod uns ſuchen! und wird er von uns nicht gefunden,
An uns ſelber ſein Amt mit eigenen Haͤnden verrichten.
Warum ſtehen wir ſo, und zittern unter den Sorgen,
Die nichts zeigen, als Tod? Stehts nicht in unſerer Willkuͤhr,
Unter ſo mancherley Wegen zu ſterben den kuͤrzeſten Weg uns
Zu erwaͤhlen, und mit der Zerſtoͤrung Zerſtoͤrung zu enden.
Hier beſchloß ſie; oder vielmehr die heftge Verzweiflung
Hindert ſie, weiter zu reden; ſie hatte den Todesgedanken
So ins Herz ſich gepraͤgt, daß ihre Wangen erblaßten.
Adam aber, der nichts auf dieſen Anſchlag geachtet,
Hatt’ indeſſen ſein ſtilles Gemuͤth zu beſſerer Hoffnung
Schwerarbeitend erhoben, und gab ihr alſo zur Antwort.
Eva, deine Verachtung des Lebens, und alles Vergnuͤgens,
Scheint was hoͤhres, was groͤßres in dir, als dieß iſt, zu zeigen,
Was du verſchmaͤhſt; die Zerſtoͤrung indeß mit eigenen Haͤnden
Stuͤrzt die Meynung bald um von deinem erhabenen Vorzug.
Dieß iſt nicht Verachtung des Lebens, es iſt nur Verzweiflung,
Furcht und Angſt, ein Leben und ein Vergnuͤgen zu miſſen,
Das man zu ſehr nur geliebt. Suchſt du nur darum zu ſterben,
Um auf einmal dadurch dein itziges Elend zu enden;
Oder glaubeſt du, ſo dem ausgeſprochenen Urtheil
Zu entgehn: ſo taͤuſche dich nicht! Den ruͤhrenden Arm hat
Gott vorſichtger gewaffnet, als daß man ihm alſo entwiſche.
Ja ich fuͤrchte ſogar, der alſo erzwungene Tod wird
Dieſe Schmerzen, wozu uns unſer Urtheil verdammet,
Nicht
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