Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Weinend endigte sie, und blieb in der flehenden Stellung 10101000Unbeweglich, bis sie von ihm Vergebung erhielte [Spaltenumbruch] z) . Dieses ihres gestandnen so sehr beweinten Vergehens. Adam wurde zum Mitleid gerührt; bald neigte sein Herze Wieder verföhnt sich zu der, die noch so kürzlich sein Leben, Und sein einzigs Ergötzen gewesen, und die itzt in Unruh, 1005Ganz von Demuth durchdrungen, zu seinen Füßen gebeugt lag; Ein so schönes Geschöpf, das nun um Schutz und Versöhnung, Und um Hülfe dem flehte, den sie beleidiget hatte. Schnell entwaffnet, erstarb sein Zorn; sein Auge ward sanfter, Und er richtet sie auf mit diesen versöhnlichen Worten. Unvorsichtig und allzugeschwind begehrest du itzo, So wie zuvor, das, was du nicht kennst, und wünschest die Strafe Dir allein. Ach! trage zuerst dein eigenes Antheil! Wie ohnmächtig wärst du, die volle Rache des Ewgen Zu ertragen, wovon du nur noch den kleinesten Theil fühlst, 1115Da du so wenig vermagst mein Mißvergnügen zu tragen? Wären der Allmacht erhabene Schlüsse durch Bitten zu ändern, O so z) Man liest in Miltons Leben, daß,
nachdem seine erste Frau ihn verlassen, er schon im Begriffe gewesen, ein anderes Franenzimmer zu heurathen. Unvermu- thet aber habe sich seine Frau in dem Hause eines seiner Bekannten ihm zu Füs- sen geworfen, und ihn um Verzeihung [Spaltenumbruch] angefleht. Da dieses unstreitig einen ausserordentlichen Eindruck auf seine Ein- bildungskraft gemacht haben muß, so glaubt man mit Recht, daß er in gegen- wärtiger Scene zwischen Adam und Eva desto glücklicher gewesen, da er seine ei- gene Begebenheit darinne geschildert. Z.
Weinend endigte ſie, und blieb in der flehenden Stellung 10101000Unbeweglich, bis ſie von ihm Vergebung erhielte [Spaltenumbruch] z) . Dieſes ihres geſtandnen ſo ſehr beweinten Vergehens. Adam wurde zum Mitleid geruͤhrt; bald neigte ſein Herze Wieder verfoͤhnt ſich zu der, die noch ſo kuͤrzlich ſein Leben, Und ſein einzigs Ergoͤtzen geweſen, und die itzt in Unruh, 1005Ganz von Demuth durchdrungen, zu ſeinen Fuͤßen gebeugt lag; Ein ſo ſchoͤnes Geſchoͤpf, das nun um Schutz und Verſoͤhnung, Und um Huͤlfe dem flehte, den ſie beleidiget hatte. Schnell entwaffnet, erſtarb ſein Zorn; ſein Auge ward ſanfter, Und er richtet ſie auf mit dieſen verſoͤhnlichen Worten. Unvorſichtig und allzugeſchwind begehreſt du itzo, So wie zuvor, das, was du nicht kennſt, und wuͤnſcheſt die Strafe Dir allein. Ach! trage zuerſt dein eigenes Antheil! Wie ohnmaͤchtig waͤrſt du, die volle Rache des Ewgen Zu ertragen, wovon du nur noch den kleineſten Theil fuͤhlſt, 1115Da du ſo wenig vermagſt mein Mißvergnuͤgen zu tragen? Waͤren der Allmacht erhabene Schluͤſſe durch Bitten zu aͤndern, O ſo z) Man lieſt in Miltons Leben, daß,
nachdem ſeine erſte Frau ihn verlaſſen, er ſchon im Begriffe geweſen, ein anderes Franenzimmer zu heurathen. Unvermu- thet aber habe ſich ſeine Frau in dem Hauſe eines ſeiner Bekannten ihm zu Fuͤſ- ſen geworfen, und ihn um Verzeihung [Spaltenumbruch] angefleht. Da dieſes unſtreitig einen auſſerordentlichen Eindruck auf ſeine Ein- bildungskraft gemacht haben muß, ſo glaubt man mit Recht, daß er in gegen- waͤrtiger Scene zwiſchen Adam und Eva deſto gluͤcklicher geweſen, da er ſeine ei- gene Begebenheit darinne geſchildert. Z. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="36"> <l> <pb facs="#f0186" n="164"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Und auf mich faͤllt, mich, die einzige Stifterinn alles</l><lb/> <l>Dieſes Jammers, auf mich, die alle Rache verdienet.</l> </lg><lb/> <lg n="37"> <l>Weinend endigte ſie, und blieb in der flehenden Stellung<lb/><note place="left">1000</note>Unbeweglich, bis ſie von ihm Vergebung erhielte <cb/> <note place="foot" n="z)">Man lieſt in Miltons Leben, daß,<lb/> nachdem ſeine erſte Frau ihn verlaſſen,<lb/> er ſchon im Begriffe geweſen, ein anderes<lb/> Franenzimmer zu heurathen. Unvermu-<lb/> thet aber habe ſich ſeine Frau in dem<lb/> Hauſe eines ſeiner Bekannten ihm zu Fuͤſ-<lb/> ſen geworfen, und ihn um Verzeihung<lb/><cb/> angefleht. Da dieſes unſtreitig einen<lb/> auſſerordentlichen Eindruck auf ſeine Ein-<lb/> bildungskraft gemacht haben muß, ſo<lb/> glaubt man mit Recht, daß er in gegen-<lb/> waͤrtiger Scene zwiſchen Adam und Eva<lb/> deſto gluͤcklicher geweſen, da er ſeine ei-<lb/> gene Begebenheit darinne geſchildert. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note> .</l><lb/> <l>Dieſes ihres geſtandnen ſo ſehr beweinten Vergehens.<lb/><hi rendition="#fr">Adam</hi> wurde zum Mitleid geruͤhrt; bald neigte ſein Herze</l><lb/> <l>Wieder verfoͤhnt ſich zu der, die noch ſo kuͤrzlich ſein Leben,</l><lb/> <l>Und ſein einzigs Ergoͤtzen geweſen, und die itzt in Unruh,<lb/><note place="left">1005</note>Ganz von Demuth durchdrungen, zu ſeinen Fuͤßen gebeugt lag;</l><lb/> <l>Ein ſo ſchoͤnes Geſchoͤpf, das nun um Schutz und Verſoͤhnung,</l><lb/> <l>Und um Huͤlfe dem flehte, den ſie beleidiget hatte.</l><lb/> <l>Schnell entwaffnet, erſtarb ſein Zorn; ſein Auge ward ſanfter,</l><lb/> <l>Und er richtet ſie auf mit dieſen verſoͤhnlichen Worten.</l> </lg><lb/> <note place="left">1010</note> <lg n="38"> <l>Unvorſichtig und allzugeſchwind begehreſt du itzo,</l><lb/> <l>So wie zuvor, das, was du nicht kennſt, und wuͤnſcheſt die Strafe</l><lb/> <l>Dir allein. Ach! trage zuerſt dein eigenes Antheil!</l><lb/> <l>Wie ohnmaͤchtig waͤrſt du, die volle Rache des Ewgen</l><lb/> <l>Zu ertragen, wovon du nur noch den kleineſten Theil fuͤhlſt,<lb/><note place="left">1115</note>Da du ſo wenig vermagſt mein Mißvergnuͤgen zu tragen?</l><lb/> <l>Waͤren der Allmacht erhabene Schluͤſſe durch Bitten zu aͤndern,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">O ſo</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [164/0186]
Das verlohrne Paradies.
Und auf mich faͤllt, mich, die einzige Stifterinn alles
Dieſes Jammers, auf mich, die alle Rache verdienet.
Weinend endigte ſie, und blieb in der flehenden Stellung
Unbeweglich, bis ſie von ihm Vergebung erhielte
z) .
Dieſes ihres geſtandnen ſo ſehr beweinten Vergehens.
Adam wurde zum Mitleid geruͤhrt; bald neigte ſein Herze
Wieder verfoͤhnt ſich zu der, die noch ſo kuͤrzlich ſein Leben,
Und ſein einzigs Ergoͤtzen geweſen, und die itzt in Unruh,
Ganz von Demuth durchdrungen, zu ſeinen Fuͤßen gebeugt lag;
Ein ſo ſchoͤnes Geſchoͤpf, das nun um Schutz und Verſoͤhnung,
Und um Huͤlfe dem flehte, den ſie beleidiget hatte.
Schnell entwaffnet, erſtarb ſein Zorn; ſein Auge ward ſanfter,
Und er richtet ſie auf mit dieſen verſoͤhnlichen Worten.
Unvorſichtig und allzugeſchwind begehreſt du itzo,
So wie zuvor, das, was du nicht kennſt, und wuͤnſcheſt die Strafe
Dir allein. Ach! trage zuerſt dein eigenes Antheil!
Wie ohnmaͤchtig waͤrſt du, die volle Rache des Ewgen
Zu ertragen, wovon du nur noch den kleineſten Theil fuͤhlſt,
Da du ſo wenig vermagſt mein Mißvergnuͤgen zu tragen?
Waͤren der Allmacht erhabene Schluͤſſe durch Bitten zu aͤndern,
O ſo
z) Man lieſt in Miltons Leben, daß,
nachdem ſeine erſte Frau ihn verlaſſen,
er ſchon im Begriffe geweſen, ein anderes
Franenzimmer zu heurathen. Unvermu-
thet aber habe ſich ſeine Frau in dem
Hauſe eines ſeiner Bekannten ihm zu Fuͤſ-
ſen geworfen, und ihn um Verzeihung
angefleht. Da dieſes unſtreitig einen
auſſerordentlichen Eindruck auf ſeine Ein-
bildungskraft gemacht haben muß, ſo
glaubt man mit Recht, daß er in gegen-
waͤrtiger Scene zwiſchen Adam und Eva
deſto gluͤcklicher geweſen, da er ſeine ei-
gene Begebenheit darinne geſchildert. Z.
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