Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Also sprach sie; und wandte den Schritt vom Baume zurücke, Aber bückte vorher sich tief [Spaltenumbruch] o), als wie vor dem Geiste, Der sich drinn aufhielt, und welcher den Saft der Weisheit, den Nektar, Und der Götter Getränk' in diese Pflanze gegossen. Adam, welcher verlangend auf ihre Zurückkunft gewartet, 865Hatt' indessen für sie von auserlesenen Blumen Eine Krone gewunden, um ihre Locken zu zieren, Und sie nach ihrer vollendeten Arbeit im Garten zu krönen, So wie Schnitter manchmal die Erndteköniginn schmücken. Welche Freude versprach er sich nicht in seinen Gedanken, Welches n) Wie viel stärker ist dieses, als im Horaz, Od. III. IX. 24. Tecum vivere amem, tecum obeam libens! N. o) Es ist eine sehr schöne Erdichtung,
daß Eva sogleich nach dem Essen der ver- lothenen Frucht in Abgötterey verfällt. Richardson.
Alſo ſprach ſie; und wandte den Schritt vom Baume zuruͤcke, Aber buͤckte vorher ſich tief [Spaltenumbruch] o), als wie vor dem Geiſte, Der ſich drinn aufhielt, und welcher den Saft der Weisheit, den Nektar, Und der Goͤtter Getraͤnk’ in dieſe Pflanze gegoſſen. Adam, welcher verlangend auf ihre Zuruͤckkunft gewartet, 865Hatt’ indeſſen fuͤr ſie von auserleſenen Blumen Eine Krone gewunden, um ihre Locken zu zieren, Und ſie nach ihrer vollendeten Arbeit im Garten zu kroͤnen, So wie Schnitter manchmal die Erndtekoͤniginn ſchmuͤcken. Welche Freude verſprach er ſich nicht in ſeinen Gedanken, Welches n) Wie viel ſtaͤrker iſt dieſes, als im Horaz, Od. III. IX. 24. Tecum vivere amem, tecum obeam libens! N. o) Es iſt eine ſehr ſchoͤne Erdichtung,
daß Eva ſogleich nach dem Eſſen der ver- lothenen Frucht in Abgoͤtterey verfaͤllt. Richardſon. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="33"> <l> <pb facs="#f0123" n="103"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neunter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Meines Geſchlechts zu erſetzen, und ſeine zaͤrtliche Liebe</l><lb/> <l>Deſto mehr zu vergroͤßern, und mich ihm gleicher zu machen,<lb/><note place="left">850</note>Oder ihn gar zu beherrſchen, was auch wohl wuͤnſchenswerth waͤre;</l><lb/> <l>Denn der Geringre, wie iſt der frey? Dieß waͤre vortrefflich!</l><lb/> <l>Aber, wie dann? wenn Gott es geſehn, und Tod nun erfolget?</l><lb/> <l>Alsdann bin ich nicht mehr! mit einer anderen <hi rendition="#fr">Eva</hi></l><lb/> <l>Wird dann <hi rendition="#fr">Adam,</hi> vermaͤhlt mit ihr, ſein Leben genießen,<lb/><note place="left">855</note>Und ich ausgeloͤſcht ſeyn! Nur dieſen Gedanken zu denken</l><lb/> <l>Jſt ſchon Tod! So ſteh es denn feſt, in Wohl und in Wehe</l><lb/> <l>Soll er theilen mit mir. Jch liebe ſo ſtark ihn, ſo zaͤrtlich,</l><lb/> <l>Daß ich jeglichen Tod mit ihm zu ſterben bereit bin,</l><lb/> <l>Und das gluͤcklichſte Leben ohn’ ihn nicht zu leben verlange <cb/> <note place="foot" n="n)">Wie viel ſtaͤrker iſt dieſes, als im<lb/> Horaz, <hi rendition="#fr">Od.</hi> <hi rendition="#aq">III. IX. 24.<lb/> Tecum vivere amem, tecum obeam</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">libens!</hi><hi rendition="#fr">N.</hi></hi></note>.</l> </lg><lb/> <note place="left">860</note> <lg n="34"> <l>Alſo ſprach ſie; und wandte den Schritt vom Baume zuruͤcke,</l><lb/> <l>Aber buͤckte vorher ſich tief <cb/> <note place="foot" n="o)">Es iſt eine ſehr ſchoͤne Erdichtung,<lb/> daß Eva ſogleich nach dem Eſſen der ver-<lb/> lothenen Frucht in Abgoͤtterey verfaͤllt.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Richardſon.</hi></hi></note>, als wie vor dem Geiſte,</l><lb/> <l>Der ſich drinn aufhielt, und welcher den Saft der Weisheit, den Nektar,</l><lb/> <l>Und der Goͤtter Getraͤnk’ in dieſe Pflanze gegoſſen.<lb/><hi rendition="#fr">Adam,</hi> welcher verlangend auf ihre Zuruͤckkunft gewartet,<lb/><note place="left">865</note>Hatt’ indeſſen fuͤr ſie von auserleſenen Blumen</l><lb/> <l>Eine Krone gewunden, um ihre Locken zu zieren,</l><lb/> <l>Und ſie nach ihrer vollendeten Arbeit im Garten zu kroͤnen,</l><lb/> <l>So wie Schnitter manchmal die Erndtekoͤniginn ſchmuͤcken.</l><lb/> <l>Welche Freude verſprach er ſich nicht in ſeinen Gedanken,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Welches</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [103/0123]
Neunter Geſang.
Meines Geſchlechts zu erſetzen, und ſeine zaͤrtliche Liebe
Deſto mehr zu vergroͤßern, und mich ihm gleicher zu machen,
Oder ihn gar zu beherrſchen, was auch wohl wuͤnſchenswerth waͤre;
Denn der Geringre, wie iſt der frey? Dieß waͤre vortrefflich!
Aber, wie dann? wenn Gott es geſehn, und Tod nun erfolget?
Alsdann bin ich nicht mehr! mit einer anderen Eva
Wird dann Adam, vermaͤhlt mit ihr, ſein Leben genießen,
Und ich ausgeloͤſcht ſeyn! Nur dieſen Gedanken zu denken
Jſt ſchon Tod! So ſteh es denn feſt, in Wohl und in Wehe
Soll er theilen mit mir. Jch liebe ſo ſtark ihn, ſo zaͤrtlich,
Daß ich jeglichen Tod mit ihm zu ſterben bereit bin,
Und das gluͤcklichſte Leben ohn’ ihn nicht zu leben verlange
n).
Alſo ſprach ſie; und wandte den Schritt vom Baume zuruͤcke,
Aber buͤckte vorher ſich tief
o), als wie vor dem Geiſte,
Der ſich drinn aufhielt, und welcher den Saft der Weisheit, den Nektar,
Und der Goͤtter Getraͤnk’ in dieſe Pflanze gegoſſen.
Adam, welcher verlangend auf ihre Zuruͤckkunft gewartet,
Hatt’ indeſſen fuͤr ſie von auserleſenen Blumen
Eine Krone gewunden, um ihre Locken zu zieren,
Und ſie nach ihrer vollendeten Arbeit im Garten zu kroͤnen,
So wie Schnitter manchmal die Erndtekoͤniginn ſchmuͤcken.
Welche Freude verſprach er ſich nicht in ſeinen Gedanken,
Welches
n) Wie viel ſtaͤrker iſt dieſes, als im
Horaz, Od. III. IX. 24.
Tecum vivere amem, tecum obeam
libens! N.
o) Es iſt eine ſehr ſchoͤne Erdichtung,
daß Eva ſogleich nach dem Eſſen der ver-
lothenen Frucht in Abgoͤtterey verfaͤllt.
Richardſon.
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