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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Zweyter Gesang.
Seiner ganzen Bemühung, nach einiger grausamen Rache.
Welche Rache? frag ich zuerst. Die Thürme des Himmels
130Sind mit bewaffneten Wachen besetzet, die undurchdringlich
Allen Zugang machen. Oft stehn am Ufer des Abgrunds
Jhre Legionen gelagert; mit einsamen Flügeln
Eilen sie tief in die Reiche der Nacht, als Kundschafter, muthig
Allem Ueberfall spottend. Und könnten wir unseren Weg auch
135Mit Gewalt uns eröffnen, und könnte die sämtliche Hölle
Unsern Fußstapfen folgen, im schwärzesten Aufstand, des Himmels
Reinestes Licht zu beflecken, so würde doch unüberwindlich
Unser großer Feind auf dem unbesudelten Throne
Sitzen; die himmlische Masse, die keine Flecken erduldet
140Würde das Unreine schnell von sich stoßen, und würde bald siegend
Von dem unedlern Feuer sich säubern. Und so denn geschlagen,
Jst noch unsre letzte Zuflucht, Verzweiflung. Wir müssen
Unsern allmächtigen Sieger bewegen, auf unsere Häupter
Seinen ganzen Zorn zu verschütten; dies wäre zuletzt noch
145Alles, was wir verlangen, und unsre ganze Bemühung,
Nicht mehr zu seyn! Betrübte Bemühung! denn welcher von uns will
Dieses denkende Wesen verlieren, so sehr es auch leidet;
Diese Göttergedanken, die durch die Ewigkeit wandern,
Und zu vergehen lieber sich wünschen, verschlungen, verlohren,
150Jn der unerschaffnen Nacht unfruchtbarem Schooße;
Aller Empfindung beraubt, und aller Bewegung. Und wenn auch
Dieses für uns das beste seyn sollte; wer weis denn, ob jemals
Unser erzürnter Feind uns diese Wohlthat erweisen

Kann
G 2

Zweyter Geſang.
Seiner ganzen Bemuͤhung, nach einiger grauſamen Rache.
Welche Rache? frag ich zuerſt. Die Thuͤrme des Himmels
130Sind mit bewaffneten Wachen beſetzet, die undurchdringlich
Allen Zugang machen. Oft ſtehn am Ufer des Abgrunds
Jhre Legionen gelagert; mit einſamen Fluͤgeln
Eilen ſie tief in die Reiche der Nacht, als Kundſchafter, muthig
Allem Ueberfall ſpottend. Und koͤnnten wir unſeren Weg auch
135Mit Gewalt uns eroͤffnen, und koͤnnte die ſaͤmtliche Hoͤlle
Unſern Fußſtapfen folgen, im ſchwaͤrzeſten Aufſtand, des Himmels
Reineſtes Licht zu beflecken, ſo wuͤrde doch unuͤberwindlich
Unſer großer Feind auf dem unbeſudelten Throne
Sitzen; die himmliſche Maſſe, die keine Flecken erduldet
140Wuͤrde das Unreine ſchnell von ſich ſtoßen, und wuͤrde bald ſiegend
Von dem unedlern Feuer ſich ſaͤubern. Und ſo denn geſchlagen,
Jſt noch unſre letzte Zuflucht, Verzweiflung. Wir muͤſſen
Unſern allmaͤchtigen Sieger bewegen, auf unſere Haͤupter
Seinen ganzen Zorn zu verſchuͤtten; dies waͤre zuletzt noch
145Alles, was wir verlangen, und unſre ganze Bemuͤhung,
Nicht mehr zu ſeyn! Betruͤbte Bemuͤhung! denn welcher von uns will
Dieſes denkende Weſen verlieren, ſo ſehr es auch leidet;
Dieſe Goͤttergedanken, die durch die Ewigkeit wandern,
Und zu vergehen lieber ſich wuͤnſchen, verſchlungen, verlohren,
150Jn der unerſchaffnen Nacht unfruchtbarem Schooße;
Aller Empfindung beraubt, und aller Bewegung. Und wenn auch
Dieſes fuͤr uns das beſte ſeyn ſollte; wer weis denn, ob jemals
Unſer erzuͤrnter Feind uns dieſe Wohlthat erweiſen

Kann
G 2
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[51/0067] Zweyter Geſang. Seiner ganzen Bemuͤhung, nach einiger grauſamen Rache. Welche Rache? frag ich zuerſt. Die Thuͤrme des Himmels Sind mit bewaffneten Wachen beſetzet, die undurchdringlich Allen Zugang machen. Oft ſtehn am Ufer des Abgrunds Jhre Legionen gelagert; mit einſamen Fluͤgeln Eilen ſie tief in die Reiche der Nacht, als Kundſchafter, muthig Allem Ueberfall ſpottend. Und koͤnnten wir unſeren Weg auch Mit Gewalt uns eroͤffnen, und koͤnnte die ſaͤmtliche Hoͤlle Unſern Fußſtapfen folgen, im ſchwaͤrzeſten Aufſtand, des Himmels Reineſtes Licht zu beflecken, ſo wuͤrde doch unuͤberwindlich Unſer großer Feind auf dem unbeſudelten Throne Sitzen; die himmliſche Maſſe, die keine Flecken erduldet Wuͤrde das Unreine ſchnell von ſich ſtoßen, und wuͤrde bald ſiegend Von dem unedlern Feuer ſich ſaͤubern. Und ſo denn geſchlagen, Jſt noch unſre letzte Zuflucht, Verzweiflung. Wir muͤſſen Unſern allmaͤchtigen Sieger bewegen, auf unſere Haͤupter Seinen ganzen Zorn zu verſchuͤtten; dies waͤre zuletzt noch Alles, was wir verlangen, und unſre ganze Bemuͤhung, Nicht mehr zu ſeyn! Betruͤbte Bemuͤhung! denn welcher von uns will Dieſes denkende Weſen verlieren, ſo ſehr es auch leidet; Dieſe Goͤttergedanken, die durch die Ewigkeit wandern, Und zu vergehen lieber ſich wuͤnſchen, verſchlungen, verlohren, Jn der unerſchaffnen Nacht unfruchtbarem Schooße; Aller Empfindung beraubt, und aller Bewegung. Und wenn auch Dieſes fuͤr uns das beſte ſeyn ſollte; wer weis denn, ob jemals Unſer erzuͤrnter Feind uns dieſe Wohlthat erweiſen Kann G 2

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/67>, abgerufen am 23.11.2024.