Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Wie mit geringrer Gewißheit das Galiläische SehrohrEingebildete Länder und Regionen im Monde Zu entdecken glaubt; oder wie von den Cykladischen Jnseln 270Delos und Samos, indem sie zuerst vor dem Steuermann aufsteigt, Wie ein wolkigter Flecken erscheint. Mit fallendem Fluge Eilt er hinunter, und seegelt den weiten ätherischen Himmel Zwischen Welten und Welten hindurch, mit schwebenden Schwingen Auf Polarwinden ruhend; dann schlägt er die biegsamen Lüste 275Mit verdoppeltem Flug, bis er itzo die Höhen erreichet, Welche der Adler empor steigt; von allen Vögeln des Himmels Wird er itzt als der Phönix [Spaltenumbruch] m) betrachtet, der einzige Vogel Seiner Art, wenn er etwan nunmehr zum Egyptischen Theben Seinen Flug nimmt, um seine Aschen im Tempel der Sonne 280Zu bestatten. Er läßt sich auf einmal mit sinkenden Flügeln Auf der östlichen Klippe des Paradieses hernieder, Und steht da in eigner Gestalt, ein geflügelter Seraph. Seine göttlichen Glieder zu decken, trug er sechs Flügel n); Zwey, so die breiten Schultern bedeckten, umgaben die Brust ihm 285Wie ein Mantel, mit Königesstaat; das mittelste Paar gieng Wie ein sternvoller Gürtel um seinen Leib, und umgürtet Seine Seiten und Hüften mit wollichtem Gold, und mit Farben, Jn m) Die Fabel vom Phönix ist be- kannt. Die Alten glaubten von ihm, er werde fünf- bis sechshundert Jahr alt, baue sich hernach ein Nest von kostbaren Spezereyen, welches durch die Sonne angezündet werde, und wor- inn er sich selbst verbrenne. Aus sei- [Spaltenumbruch] ner Asche komme alsdann ein neuer Phönix hervor, der seine eigene Asche im Tempel der Sonne des Aegypti- schen Thebens bestatte. N. n) Jes. VI. 2. Seraphim stun-
den über ihm, ein jeglicher hatte sechs Flügel. N. Das verlohrne Paradies. Wie mit geringrer Gewißheit das Galilaͤiſche SehrohrEingebildete Laͤnder und Regionen im Monde Zu entdecken glaubt; oder wie von den Cykladiſchen Jnſeln 270Delos und Samos, indem ſie zuerſt vor dem Steuermann aufſteigt, Wie ein wolkigter Flecken erſcheint. Mit fallendem Fluge Eilt er hinunter, und ſeegelt den weiten aͤtheriſchen Himmel Zwiſchen Welten und Welten hindurch, mit ſchwebenden Schwingen Auf Polarwinden ruhend; dann ſchlaͤgt er die biegſamen Luͤſte 275Mit verdoppeltem Flug, bis er itzo die Hoͤhen erreichet, Welche der Adler empor ſteigt; von allen Voͤgeln des Himmels Wird er itzt als der Phoͤnix [Spaltenumbruch] m) betrachtet, der einzige Vogel Seiner Art, wenn er etwan nunmehr zum Egyptiſchen Theben Seinen Flug nimmt, um ſeine Aſchen im Tempel der Sonne 280Zu beſtatten. Er laͤßt ſich auf einmal mit ſinkenden Fluͤgeln Auf der oͤſtlichen Klippe des Paradieſes hernieder, Und ſteht da in eigner Geſtalt, ein gefluͤgelter Seraph. Seine goͤttlichen Glieder zu decken, trug er ſechs Fluͤgel n); Zwey, ſo die breiten Schultern bedeckten, umgaben die Bruſt ihm 285Wie ein Mantel, mit Koͤnigesſtaat; das mittelſte Paar gieng Wie ein ſternvoller Guͤrtel um ſeinen Leib, und umguͤrtet Seine Seiten und Huͤften mit wollichtem Gold, und mit Farben, Jn m) Die Fabel vom Phoͤnix iſt be- kannt. Die Alten glaubten von ihm, er werde fuͤnf- bis ſechshundert Jahr alt, baue ſich hernach ein Neſt von koſtbaren Spezereyen, welches durch die Sonne angezuͤndet werde, und wor- inn er ſich ſelbſt verbrenne. Aus ſei- [Spaltenumbruch] ner Aſche komme alsdann ein neuer Phoͤnix hervor, der ſeine eigene Aſche im Tempel der Sonne des Aegypti- ſchen Thebens beſtatte. N. n) Jeſ. VI. 2. Seraphim ſtun-
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Das verlohrne Paradies.
Wie mit geringrer Gewißheit das Galilaͤiſche Sehrohr
Eingebildete Laͤnder und Regionen im Monde
Zu entdecken glaubt; oder wie von den Cykladiſchen Jnſeln
Delos und Samos, indem ſie zuerſt vor dem Steuermann aufſteigt,
Wie ein wolkigter Flecken erſcheint. Mit fallendem Fluge
Eilt er hinunter, und ſeegelt den weiten aͤtheriſchen Himmel
Zwiſchen Welten und Welten hindurch, mit ſchwebenden Schwingen
Auf Polarwinden ruhend; dann ſchlaͤgt er die biegſamen Luͤſte
Mit verdoppeltem Flug, bis er itzo die Hoͤhen erreichet,
Welche der Adler empor ſteigt; von allen Voͤgeln des Himmels
Wird er itzt als der Phoͤnix
m) betrachtet, der einzige Vogel
Seiner Art, wenn er etwan nunmehr zum Egyptiſchen Theben
Seinen Flug nimmt, um ſeine Aſchen im Tempel der Sonne
Zu beſtatten. Er laͤßt ſich auf einmal mit ſinkenden Fluͤgeln
Auf der oͤſtlichen Klippe des Paradieſes hernieder,
Und ſteht da in eigner Geſtalt, ein gefluͤgelter Seraph.
Seine goͤttlichen Glieder zu decken, trug er ſechs Fluͤgel n);
Zwey, ſo die breiten Schultern bedeckten, umgaben die Bruſt ihm
Wie ein Mantel, mit Koͤnigesſtaat; das mittelſte Paar gieng
Wie ein ſternvoller Guͤrtel um ſeinen Leib, und umguͤrtet
Seine Seiten und Huͤften mit wollichtem Gold, und mit Farben,
Jn
m) Die Fabel vom Phoͤnix iſt be-
kannt. Die Alten glaubten von ihm,
er werde fuͤnf- bis ſechshundert Jahr
alt, baue ſich hernach ein Neſt von
koſtbaren Spezereyen, welches durch
die Sonne angezuͤndet werde, und wor-
inn er ſich ſelbſt verbrenne. Aus ſei-
ner Aſche komme alsdann ein neuer
Phoͤnix hervor, der ſeine eigene Aſche
im Tempel der Sonne des Aegypti-
ſchen Thebens beſtatte. N.
n) Jeſ. VI. 2. Seraphim ſtun-
den über ihm, ein jeglicher hatte
ſechs Flügel. N.
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