Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Regen, oder die Ankunft des milden holdseeligen Abends;Noch auch die stille Nacht mit diesem ihr heiligem Vogel, Noch der angenehme Spaziergang in silbernem Mondschein, Noch der Gestirne schimmerndes Licht ist ohne dich lieblich. 660Doch warum scheinen sie denn die lange Nacht durch? Für wem dient Dieses prächtige Schauspiel, da jedes Auge nun schlummert? Jhr versetzte hierauf der erste Stammvater also: Tochter Gottes, und Tochter des Menschen, vollkommene Eva, Diese haben zum folgenden Abend rund um die Erde 665Jhren Lauf zu vollbringen. Und Nationen, die itzt noch Ungebohren, von Land zu Land ihr Licht zu ertheilen, Gehn sie ordentlich auf, und unter; sonst würde bey Nachtszeit Gänzliche Finsterniß wieder die alte Herrschaft erlangen, Und das Leben in der Natur und in allen Dingen 670Wieder erlöschen; die sanften Feuer erleuchten sie nicht nur, Sondern mit gütiger Hitze von unterschiedenem Einfluß Wärmen, erquicken und nähren sie sie; sie schütten zum Theil auch Jhre Sternenkraft nieder auf alle Pflanzengeschlechter, Die auf Erden wachsen, und machen dadurch sie geschickter, 675Von dem mächtigern Strale der Sonne die völlige Reifung Zu empfangen. Sie scheinen also gewiß nicht vergebens, Obgleich in der Tiefe der Nacht sie niemand betrachtet. Und wenn keine Menschen auch wären, so mußt du nicht denken, Daß es dem Himmel an Schauern, und Gott an Lobe, gebreche. 680Millionen von geistgen Geschöpfen besuchen die Erde Ungesehen,
Das verlohrne Paradies. Regen, oder die Ankunft des milden holdſeeligen Abends;Noch auch die ſtille Nacht mit dieſem ihr heiligem Vogel, Noch der angenehme Spaziergang in ſilbernem Mondſchein, Noch der Geſtirne ſchimmerndes Licht iſt ohne dich lieblich. 660Doch warum ſcheinen ſie denn die lange Nacht durch? Fuͤr wem dient Dieſes praͤchtige Schauſpiel, da jedes Auge nun ſchlummert? Jhr verſetzte hierauf der erſte Stammvater alſo: Tochter Gottes, und Tochter des Menſchen, vollkommene Eva, Dieſe haben zum folgenden Abend rund um die Erde 665Jhren Lauf zu vollbringen. Und Nationen, die itzt noch Ungebohren, von Land zu Land ihr Licht zu ertheilen, Gehn ſie ordentlich auf, und unter; ſonſt wuͤrde bey Nachtszeit Gaͤnzliche Finſterniß wieder die alte Herrſchaft erlangen, Und das Leben in der Natur und in allen Dingen 670Wieder erloͤſchen; die ſanften Feuer erleuchten ſie nicht nur, Sondern mit guͤtiger Hitze von unterſchiedenem Einfluß Waͤrmen, erquicken und naͤhren ſie ſie; ſie ſchuͤtten zum Theil auch Jhre Sternenkraft nieder auf alle Pflanzengeſchlechter, Die auf Erden wachſen, und machen dadurch ſie geſchickter, 675Von dem maͤchtigern Strale der Sonne die voͤllige Reifung Zu empfangen. Sie ſcheinen alſo gewiß nicht vergebens, Obgleich in der Tiefe der Nacht ſie niemand betrachtet. Und wenn keine Menſchen auch waͤren, ſo mußt du nicht denken, Daß es dem Himmel an Schauern, und Gott an Lobe, gebreche. 680Millionen von geiſtgen Geſchoͤpfen beſuchen die Erde Ungeſehen,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="17"> <pb facs="#f0184" n="164"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Regen, oder die Ankunft des milden holdſeeligen Abends;</l><lb/> <l>Noch auch die ſtille Nacht mit dieſem ihr heiligem Vogel,</l><lb/> <l>Noch der angenehme Spaziergang in ſilbernem Mondſchein,</l><lb/> <l>Noch der Geſtirne ſchimmerndes Licht iſt ohne dich lieblich.</l><lb/> <l><note place="left">660</note>Doch warum ſcheinen ſie denn die lange Nacht durch? Fuͤr wem dient</l><lb/> <l>Dieſes praͤchtige Schauſpiel, da jedes Auge nun ſchlummert?</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>Jhr verſetzte hierauf der erſte Stammvater alſo:</l><lb/> <l>Tochter Gottes, und Tochter des Menſchen, vollkommene <hi rendition="#fr">Eva,</hi></l><lb/> <l>Dieſe haben zum folgenden Abend rund um die Erde</l><lb/> <l><note place="left">665</note>Jhren Lauf zu vollbringen. Und Nationen, die itzt noch</l><lb/> <l>Ungebohren, von Land zu Land ihr Licht zu ertheilen,</l><lb/> <l>Gehn ſie ordentlich auf, und unter; ſonſt wuͤrde bey Nachtszeit</l><lb/> <l>Gaͤnzliche Finſterniß wieder die alte Herrſchaft erlangen,</l><lb/> <l>Und das Leben in der Natur und in allen Dingen</l><lb/> <l><note place="left">670</note>Wieder erloͤſchen; die ſanften Feuer erleuchten ſie nicht nur,</l><lb/> <l>Sondern mit guͤtiger Hitze von unterſchiedenem Einfluß</l><lb/> <l>Waͤrmen, erquicken und naͤhren ſie ſie; ſie ſchuͤtten zum Theil auch</l><lb/> <l>Jhre Sternenkraft nieder auf alle Pflanzengeſchlechter,</l><lb/> <l>Die auf Erden wachſen, und machen dadurch ſie geſchickter,</l><lb/> <l><note place="left">675</note>Von dem maͤchtigern Strale der Sonne die voͤllige Reifung</l><lb/> <l>Zu empfangen. Sie ſcheinen alſo gewiß nicht vergebens,</l><lb/> <l>Obgleich in der Tiefe der Nacht ſie niemand betrachtet.</l><lb/> <l>Und wenn keine Menſchen auch waͤren, ſo mußt du nicht denken,</l><lb/> <l>Daß es dem Himmel an Schauern, und Gott an Lobe, gebreche.</l><lb/> <l><note place="left">680</note>Millionen von geiſtgen Geſchoͤpfen beſuchen die Erde</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ungeſehen,</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [164/0184]
Das verlohrne Paradies.
Regen, oder die Ankunft des milden holdſeeligen Abends;
Noch auch die ſtille Nacht mit dieſem ihr heiligem Vogel,
Noch der angenehme Spaziergang in ſilbernem Mondſchein,
Noch der Geſtirne ſchimmerndes Licht iſt ohne dich lieblich.
Doch warum ſcheinen ſie denn die lange Nacht durch? Fuͤr wem dient
Dieſes praͤchtige Schauſpiel, da jedes Auge nun ſchlummert?
Jhr verſetzte hierauf der erſte Stammvater alſo:
Tochter Gottes, und Tochter des Menſchen, vollkommene Eva,
Dieſe haben zum folgenden Abend rund um die Erde
Jhren Lauf zu vollbringen. Und Nationen, die itzt noch
Ungebohren, von Land zu Land ihr Licht zu ertheilen,
Gehn ſie ordentlich auf, und unter; ſonſt wuͤrde bey Nachtszeit
Gaͤnzliche Finſterniß wieder die alte Herrſchaft erlangen,
Und das Leben in der Natur und in allen Dingen
Wieder erloͤſchen; die ſanften Feuer erleuchten ſie nicht nur,
Sondern mit guͤtiger Hitze von unterſchiedenem Einfluß
Waͤrmen, erquicken und naͤhren ſie ſie; ſie ſchuͤtten zum Theil auch
Jhre Sternenkraft nieder auf alle Pflanzengeſchlechter,
Die auf Erden wachſen, und machen dadurch ſie geſchickter,
Von dem maͤchtigern Strale der Sonne die voͤllige Reifung
Zu empfangen. Sie ſcheinen alſo gewiß nicht vergebens,
Obgleich in der Tiefe der Nacht ſie niemand betrachtet.
Und wenn keine Menſchen auch waͤren, ſo mußt du nicht denken,
Daß es dem Himmel an Schauern, und Gott an Lobe, gebreche.
Millionen von geiſtgen Geſchoͤpfen beſuchen die Erde
Ungeſehen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |