Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Vierter Gesang. Bey den Geistern dort unten; Jch habe mit andern VersprechenSie verführt, mit anderm Prahlen, als Unterwerfung, Da ich mich, den Allmächtgen zu überwinden, gerühmet. 90O ich Armer! Sie wissen es wenig, wie viel mich dies stolze, Dieses vergebliche Prahlen kostet, und wie ich inwendig Unter den tiefsten Quaalen erliege, wenn sie mich mit Ehrfurcht Auf dem Throne der Höllen anbeten. So hoch mich mein Zepter, Und dies Diadem, vor andern erhebt, so viel tiefer 95Fall ich herab; der Oberste zwar, jedoch nur im Elend. Solche Freude findet der Ehrgeiz. Doch wenn ich zur Reue Mich entschließen könnte, wenn ich durch Gnad und Vergebung Meinen vorigen Zustand erlangte; wie würde die Höh bald Wieder hohe Gedanken erwecken; und bald wiederrufen. 100Was Unterwerfung verstellt geschworen! wie würd ich im Glücke Meine Gelübde für leer, und für erzwungen, erklären, Die ich im Unglück gethan! (Wahrhafte Versöhnung kann nimmer Jn dem Herzen wachsen, von Wunden des tödtlichsten Hasses So durchdrungen) zu schlimmerm Zurückfall, zu schwererm Hinabsturz, 105Würde mich dieses nur leiten. So würd ich mit doppelten Schmerzen Theuer den kurzen Stillstand erkaufen. Dies weis mein Bestrafer, Und ist deshalb so wenig geneigt mir Frieden zu geben, Als ich geneigt bin, von ihm ihn zu betteln. So ist denn die Hoffnung, Alle Hoffnung gänzlich verlohren! Und siehe! statt unser, 110Die wir verstoßen, ins Elend gejagt sind, sein neues Vergnügen, Dieses geschaffne Geschlecht der Menschen; und für dies Geschlechte Diese herrliche Welt. -- So fahre denn wohl, o Hoffnung, Fahre S 2
Vierter Geſang. Bey den Geiſtern dort unten; Jch habe mit andern VerſprechenSie verfuͤhrt, mit anderm Prahlen, als Unterwerfung, Da ich mich, den Allmaͤchtgen zu uͤberwinden, geruͤhmet. 90O ich Armer! Sie wiſſen es wenig, wie viel mich dies ſtolze, Dieſes vergebliche Prahlen koſtet, und wie ich inwendig Unter den tiefſten Quaalen erliege, wenn ſie mich mit Ehrfurcht Auf dem Throne der Hoͤllen anbeten. So hoch mich mein Zepter, Und dies Diadem, vor andern erhebt, ſo viel tiefer 95Fall ich herab; der Oberſte zwar, jedoch nur im Elend. Solche Freude findet der Ehrgeiz. Doch wenn ich zur Reue Mich entſchließen koͤnnte, wenn ich durch Gnad und Vergebung Meinen vorigen Zuſtand erlangte; wie wuͤrde die Hoͤh bald Wieder hohe Gedanken erwecken; und bald wiederrufen. 100Was Unterwerfung verſtellt geſchworen! wie wuͤrd ich im Gluͤcke Meine Geluͤbde fuͤr leer, und fuͤr erzwungen, erklaͤren, Die ich im Ungluͤck gethan! (Wahrhafte Verſoͤhnung kann nimmer Jn dem Herzen wachſen, von Wunden des toͤdtlichſten Haſſes So durchdrungen) zu ſchlimmerm Zuruͤckfall, zu ſchwererm Hinabſturz, 105Wuͤrde mich dieſes nur leiten. So wuͤrd ich mit doppelten Schmerzen Theuer den kurzen Stillſtand erkaufen. Dies weis mein Beſtrafer, Und iſt deshalb ſo wenig geneigt mir Frieden zu geben, Als ich geneigt bin, von ihm ihn zu betteln. So iſt denn die Hoffnung, Alle Hoffnung gaͤnzlich verlohren! Und ſiehe! ſtatt unſer, 110Die wir verſtoßen, ins Elend gejagt ſind, ſein neues Vergnuͤgen, Dieſes geſchaffne Geſchlecht der Menſchen; und fuͤr dies Geſchlechte Dieſe herrliche Welt. — So fahre denn wohl, o Hoffnung, Fahre S 2
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Vierter Geſang.
Bey den Geiſtern dort unten; Jch habe mit andern Verſprechen
Sie verfuͤhrt, mit anderm Prahlen, als Unterwerfung,
Da ich mich, den Allmaͤchtgen zu uͤberwinden, geruͤhmet.
O ich Armer! Sie wiſſen es wenig, wie viel mich dies ſtolze,
Dieſes vergebliche Prahlen koſtet, und wie ich inwendig
Unter den tiefſten Quaalen erliege, wenn ſie mich mit Ehrfurcht
Auf dem Throne der Hoͤllen anbeten. So hoch mich mein Zepter,
Und dies Diadem, vor andern erhebt, ſo viel tiefer
Fall ich herab; der Oberſte zwar, jedoch nur im Elend.
Solche Freude findet der Ehrgeiz. Doch wenn ich zur Reue
Mich entſchließen koͤnnte, wenn ich durch Gnad und Vergebung
Meinen vorigen Zuſtand erlangte; wie wuͤrde die Hoͤh bald
Wieder hohe Gedanken erwecken; und bald wiederrufen.
Was Unterwerfung verſtellt geſchworen! wie wuͤrd ich im Gluͤcke
Meine Geluͤbde fuͤr leer, und fuͤr erzwungen, erklaͤren,
Die ich im Ungluͤck gethan! (Wahrhafte Verſoͤhnung kann nimmer
Jn dem Herzen wachſen, von Wunden des toͤdtlichſten Haſſes
So durchdrungen) zu ſchlimmerm Zuruͤckfall, zu ſchwererm Hinabſturz,
Wuͤrde mich dieſes nur leiten. So wuͤrd ich mit doppelten Schmerzen
Theuer den kurzen Stillſtand erkaufen. Dies weis mein Beſtrafer,
Und iſt deshalb ſo wenig geneigt mir Frieden zu geben,
Als ich geneigt bin, von ihm ihn zu betteln. So iſt denn die Hoffnung,
Alle Hoffnung gaͤnzlich verlohren! Und ſiehe! ſtatt unſer,
Die wir verſtoßen, ins Elend gejagt ſind, ſein neues Vergnuͤgen,
Dieſes geſchaffne Geſchlecht der Menſchen; und fuͤr dies Geſchlechte
Dieſe herrliche Welt. — So fahre denn wohl, o Hoffnung,
Fahre
S 2
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