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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Dritter Gesang.
Denn itzt stiegen sie senkrecht auf; daher denn kein Schatten
Jrgend von einem dunkeln Körper umher fallen konnte.
585Seinen Gesichtsstral schärfte die Luft, die nirgends so hell ist,
Weit entfernte Dinge zu sehn; und plötzlich entdeckt er
Jn ihr einen herrlichen Engel. Es sah ihn Johannes p)
Auch nachher in der Sonne. Er hatt' ihm den Rücken gewendet,
Aber doch blieb sein Glanz nicht verborgen. Ein güldener Hauptschmuck
590Von hellleuchtenden Sonnenstralen umzirkte die Schläfe,
Und nicht weniger herrlich bedeckten die blendenden Locken
Hinten wallend die Schultern, mit leichten Flügeln befiedert.
Und so schien er bestimmt zu einer großen Verrichtung,
Oder in tiefe Betrachtung vergraben. Der unreine Geist war
595Jn der schmeichelnden Hoffnung nun froh, daß er jemand gefunden,
Welcher den irrenden Flug nach dem Paradiese, des Menschen
Glücklichen Wohnung, bestimmen konnte; der mühsamen Reise
Lange gewünschtes Ende, und unsers Elendes Anfang.
Erstlich ist er bemüht, die eigne Gestalt zu verwandeln,
600Um in Gefahr nicht zu falln, noch aufgehalten zu werden.
Und nun scheint er ein junger Cherub; zwar keiner der Ersten,
Aber doch lächelte himmlische Jugend in seinem Gesichte,
Und jedwedes Gliedmaaß, (so wohl verstellt er sich) schmückte
Anmuth und Anstand; sein fliegendes Haar, in Locken gekrümmet,
605Spielte, mit einem Kranze geziert, um die blühenden Wangen.
Flügel trug er von farbichten Federn, mit Golde durchsprenget;

Auf-
p) Und ich sahe einen Engel in der Sonnen stehen. Offenbar
XIX. 17.

Dritter Geſang.
Denn itzt ſtiegen ſie ſenkrecht auf; daher denn kein Schatten
Jrgend von einem dunkeln Koͤrper umher fallen konnte.
585Seinen Geſichtsſtral ſchaͤrfte die Luft, die nirgends ſo hell iſt,
Weit entfernte Dinge zu ſehn; und ploͤtzlich entdeckt er
Jn ihr einen herrlichen Engel. Es ſah ihn Johannes p)
Auch nachher in der Sonne. Er hatt’ ihm den Ruͤcken gewendet,
Aber doch blieb ſein Glanz nicht verborgen. Ein guͤldener Hauptſchmuck
590Von hellleuchtenden Sonnenſtralen umzirkte die Schlaͤfe,
Und nicht weniger herrlich bedeckten die blendenden Locken
Hinten wallend die Schultern, mit leichten Fluͤgeln befiedert.
Und ſo ſchien er beſtimmt zu einer großen Verrichtung,
Oder in tiefe Betrachtung vergraben. Der unreine Geiſt war
595Jn der ſchmeichelnden Hoffnung nun froh, daß er jemand gefunden,
Welcher den irrenden Flug nach dem Paradieſe, des Menſchen
Gluͤcklichen Wohnung, beſtimmen konnte; der muͤhſamen Reiſe
Lange gewuͤnſchtes Ende, und unſers Elendes Anfang.
Erſtlich iſt er bemuͤht, die eigne Geſtalt zu verwandeln,
600Um in Gefahr nicht zu falln, noch aufgehalten zu werden.
Und nun ſcheint er ein junger Cherub; zwar keiner der Erſten,
Aber doch laͤchelte himmliſche Jugend in ſeinem Geſichte,
Und jedwedes Gliedmaaß, (ſo wohl verſtellt er ſich) ſchmuͤckte
Anmuth und Anſtand; ſein fliegendes Haar, in Locken gekruͤmmet,
605Spielte, mit einem Kranze geziert, um die bluͤhenden Wangen.
Fluͤgel trug er von farbichten Federn, mit Golde durchſprenget;

Auf-
p) Und ich ſahe einen Engel in der Sonnen ſtehen. Offenbar
XIX. 17.
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[127/0145] Dritter Geſang. Denn itzt ſtiegen ſie ſenkrecht auf; daher denn kein Schatten Jrgend von einem dunkeln Koͤrper umher fallen konnte. Seinen Geſichtsſtral ſchaͤrfte die Luft, die nirgends ſo hell iſt, Weit entfernte Dinge zu ſehn; und ploͤtzlich entdeckt er Jn ihr einen herrlichen Engel. Es ſah ihn Johannes p) Auch nachher in der Sonne. Er hatt’ ihm den Ruͤcken gewendet, Aber doch blieb ſein Glanz nicht verborgen. Ein guͤldener Hauptſchmuck Von hellleuchtenden Sonnenſtralen umzirkte die Schlaͤfe, Und nicht weniger herrlich bedeckten die blendenden Locken Hinten wallend die Schultern, mit leichten Fluͤgeln befiedert. Und ſo ſchien er beſtimmt zu einer großen Verrichtung, Oder in tiefe Betrachtung vergraben. Der unreine Geiſt war Jn der ſchmeichelnden Hoffnung nun froh, daß er jemand gefunden, Welcher den irrenden Flug nach dem Paradieſe, des Menſchen Gluͤcklichen Wohnung, beſtimmen konnte; der muͤhſamen Reiſe Lange gewuͤnſchtes Ende, und unſers Elendes Anfang. Erſtlich iſt er bemuͤht, die eigne Geſtalt zu verwandeln, Um in Gefahr nicht zu falln, noch aufgehalten zu werden. Und nun ſcheint er ein junger Cherub; zwar keiner der Erſten, Aber doch laͤchelte himmliſche Jugend in ſeinem Geſichte, Und jedwedes Gliedmaaß, (ſo wohl verſtellt er ſich) ſchmuͤckte Anmuth und Anſtand; ſein fliegendes Haar, in Locken gekruͤmmet, Spielte, mit einem Kranze geziert, um die bluͤhenden Wangen. Fluͤgel trug er von farbichten Federn, mit Golde durchſprenget; Auf- p) Und ich ſahe einen Engel in der Sonnen ſtehen. Offenbar XIX. 17.

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/145>, abgerufen am 22.11.2024.