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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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auf die andern Paters, die in Ruh und grösten-
theils in Faulheit und Unthätigkeit ihr Leben hin-
brachten. Er sehnte sich also nach dem Ende dieses
Probejahrs, um dann ausruhen, und als Pater
sein Leben in ewiger Unthätigkeit hinbringen zu
können. Jn dieser Hofnung versprach er unserm
Siegwart, das Probejahr auszuhalten und im Klo-
ster zu bleiben. Darüber triumphirte Siegwart
bey sich selbst, und hielt es für eine Frucht seiner
frommen Vorstellungen, so daß er glaubte, durch
diese Bekehrung ein grosses gutes Werk gethan zu
haben.

Die Pönitenzen oder Bußübungen waren auch
sehr streng, besonders das Fasten und das Geisseln.
Die Paters mußten oft bey Nacht in ein dunkles
Gewölde gehen, und sich mit den Stricken, die
sie an sich hängen hatten, auf den blossen Rücken
geisseln. Das Schlagen gab ein Getöse, daß das
ganze Gewölbe wiederhallte. Unser gewissenhafter
Siegwart schlug sich allemal blutrünstig, so daß er
eine Menge Bluts verlohr. Darunter litt seine
Gesundheit, bey dem ohnedieß immer nagenden
Seelenkummer, noch mehr. Seine Gesichtsfarbe
verlohr sich völlig, und seine Kräfte nahmen zuse-
hends ab. Umsonst warnte ihn P. Anton, sich zu



auf die andern Paters, die in Ruh und groͤſten-
theils in Faulheit und Unthaͤtigkeit ihr Leben hin-
brachten. Er ſehnte ſich alſo nach dem Ende dieſes
Probejahrs, um dann ausruhen, und als Pater
ſein Leben in ewiger Unthaͤtigkeit hinbringen zu
koͤnnen. Jn dieſer Hofnung verſprach er unſerm
Siegwart, das Probejahr auszuhalten und im Klo-
ſter zu bleiben. Daruͤber triumphirte Siegwart
bey ſich ſelbſt, und hielt es fuͤr eine Frucht ſeiner
frommen Vorſtellungen, ſo daß er glaubte, durch
dieſe Bekehrung ein groſſes gutes Werk gethan zu
haben.

Die Poͤnitenzen oder Bußuͤbungen waren auch
ſehr ſtreng, beſonders das Faſten und das Geiſſeln.
Die Paters mußten oft bey Nacht in ein dunkles
Gewoͤlde gehen, und ſich mit den Stricken, die
ſie an ſich haͤngen hatten, auf den bloſſen Ruͤcken
geiſſeln. Das Schlagen gab ein Getoͤſe, daß das
ganze Gewoͤlbe wiederhallte. Unſer gewiſſenhafter
Siegwart ſchlug ſich allemal blutruͤnſtig, ſo daß er
eine Menge Bluts verlohr. Darunter litt ſeine
Geſundheit, bey dem ohnedieß immer nagenden
Seelenkummer, noch mehr. Seine Geſichtsfarbe
verlohr ſich voͤllig, und ſeine Kraͤfte nahmen zuſe-
hends ab. Umſonſt warnte ihn P. Anton, ſich zu

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[1038/0618] auf die andern Paters, die in Ruh und groͤſten- theils in Faulheit und Unthaͤtigkeit ihr Leben hin- brachten. Er ſehnte ſich alſo nach dem Ende dieſes Probejahrs, um dann ausruhen, und als Pater ſein Leben in ewiger Unthaͤtigkeit hinbringen zu koͤnnen. Jn dieſer Hofnung verſprach er unſerm Siegwart, das Probejahr auszuhalten und im Klo- ſter zu bleiben. Daruͤber triumphirte Siegwart bey ſich ſelbſt, und hielt es fuͤr eine Frucht ſeiner frommen Vorſtellungen, ſo daß er glaubte, durch dieſe Bekehrung ein groſſes gutes Werk gethan zu haben. Die Poͤnitenzen oder Bußuͤbungen waren auch ſehr ſtreng, beſonders das Faſten und das Geiſſeln. Die Paters mußten oft bey Nacht in ein dunkles Gewoͤlde gehen, und ſich mit den Stricken, die ſie an ſich haͤngen hatten, auf den bloſſen Ruͤcken geiſſeln. Das Schlagen gab ein Getoͤſe, daß das ganze Gewoͤlbe wiederhallte. Unſer gewiſſenhafter Siegwart ſchlug ſich allemal blutruͤnſtig, ſo daß er eine Menge Bluts verlohr. Darunter litt ſeine Geſundheit, bey dem ohnedieß immer nagenden Seelenkummer, noch mehr. Seine Geſichtsfarbe verlohr ſich voͤllig, und ſeine Kraͤfte nahmen zuſe- hends ab. Umſonſt warnte ihn P. Anton, ſich zu

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1038. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/618>, abgerufen am 24.11.2024.