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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Mariane stand unaufhörlich so vor ihm da, wie
er sie im Sprachzimmer erblickt hatte; sie erschien
ihm so in Träumen; aber nur selten konnte er
schlafen. Noch Einmal glaubte er sie unter den
Nonnen zu erblicken, aber sie hub ihren Schley-
er nicht auf, und er blieb in der Ungewißheit.

Am nächsten Feyertag gieng er in die Kirche.
Nach der Messe, welche P. Klemens las, mach-
ten die Nonnen auf dem Chor eine Musik. Erst
ward ein Tutti gesungen, dann ein Solo. Ma-
riane sangs. Er glaubte bey dem Klang ihrer
Stimme zu vergehen; konnts nicht länger aushal-
ten, und gieng aus der Kirche, weil er fürchtete,
man möchte ihm seine heftige Bewegung ansehen! --
Mit der Schwester Brigitte, die er oft im Gar-
ten und im Kloster sah, machte er sich bald bekannt.
Das arme Mädchen schien an dem artigen Gärtner
nur gar zu viel Wohlgefallen zu finden, und gieng
ihm alle Schritte und Tritte im Garten nach.
Siegwart kam dadurch in eine sehr unangenehme
Lage, und mußte sich stellen. als ob ihm an Bri-
gitta sehr viel gelegen sey. Oft lag ihms schon
auf der Zunge, daß er sich nach Marianen erkun-
digen wollte, aber Furchtsamkeit, sich zu verrathen,
hielt ihn immer wieder zurück.. Er fragte nur



Mariane ſtand unaufhoͤrlich ſo vor ihm da, wie
er ſie im Sprachzimmer erblickt hatte; ſie erſchien
ihm ſo in Traͤumen; aber nur ſelten konnte er
ſchlafen. Noch Einmal glaubte er ſie unter den
Nonnen zu erblicken, aber ſie hub ihren Schley-
er nicht auf, und er blieb in der Ungewißheit.

Am naͤchſten Feyertag gieng er in die Kirche.
Nach der Meſſe, welche P. Klemens las, mach-
ten die Nonnen auf dem Chor eine Muſik. Erſt
ward ein Tutti geſungen, dann ein Solo. Ma-
riane ſangs. Er glaubte bey dem Klang ihrer
Stimme zu vergehen; konnts nicht laͤnger aushal-
ten, und gieng aus der Kirche, weil er fuͤrchtete,
man moͤchte ihm ſeine heftige Bewegung anſehen! —
Mit der Schweſter Brigitte, die er oft im Gar-
ten und im Kloſter ſah, machte er ſich bald bekannt.
Das arme Maͤdchen ſchien an dem artigen Gaͤrtner
nur gar zu viel Wohlgefallen zu finden, und gieng
ihm alle Schritte und Tritte im Garten nach.
Siegwart kam dadurch in eine ſehr unangenehme
Lage, und mußte ſich ſtellen. als ob ihm an Bri-
gitta ſehr viel gelegen ſey. Oft lag ihms ſchon
auf der Zunge, daß er ſich nach Marianen erkun-
digen wollte, aber Furchtſamkeit, ſich zu verrathen,
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[1002/0582] Mariane ſtand unaufhoͤrlich ſo vor ihm da, wie er ſie im Sprachzimmer erblickt hatte; ſie erſchien ihm ſo in Traͤumen; aber nur ſelten konnte er ſchlafen. Noch Einmal glaubte er ſie unter den Nonnen zu erblicken, aber ſie hub ihren Schley- er nicht auf, und er blieb in der Ungewißheit. Am naͤchſten Feyertag gieng er in die Kirche. Nach der Meſſe, welche P. Klemens las, mach- ten die Nonnen auf dem Chor eine Muſik. Erſt ward ein Tutti geſungen, dann ein Solo. Ma- riane ſangs. Er glaubte bey dem Klang ihrer Stimme zu vergehen; konnts nicht laͤnger aushal- ten, und gieng aus der Kirche, weil er fuͤrchtete, man moͤchte ihm ſeine heftige Bewegung anſehen! — Mit der Schweſter Brigitte, die er oft im Gar- ten und im Kloſter ſah, machte er ſich bald bekannt. Das arme Maͤdchen ſchien an dem artigen Gaͤrtner nur gar zu viel Wohlgefallen zu finden, und gieng ihm alle Schritte und Tritte im Garten nach. Siegwart kam dadurch in eine ſehr unangenehme Lage, und mußte ſich ſtellen. als ob ihm an Bri- gitta ſehr viel gelegen ſey. Oft lag ihms ſchon auf der Zunge, daß er ſich nach Marianen erkun- digen wollte, aber Furchtſamkeit, ſich zu verrathen, hielt ihn immer wieder zuruͤck.. Er fragte nur

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1002. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/582>, abgerufen am 22.11.2024.