Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



ich zu euch, und besuch euch. Laßt mich in mein
Kloster! Jch will für euch bethen!

Kronhelm und Therese weinten, und konnten
ihn nicht trösten. -- Ja, du sollst ins Kloster!
sagte Kronhelm; morgen will ich dahin schreiben.
Armer Freund, wir können nichts, als dich be-
dauren. Kronhelm schrieb auch wirklich den fol-
genden Tag an den Guardian, und schickte den
Brief weg.

Therese erholte sich nun täglich mehr, und
konnte schon zuweilen sich ein paar Stunden aus-
serhalb dem Bett aufhalten. Sie und ihr Kron-
helm empfanden nun das Glück der Zärtlichkeit
zehnsach mehr, als vorher, ehe das Unglück der
Trennung sie bedrohet hatte. Es war ihnen,
als ob ihre Liebe sich nun erst recht anfinge, und
alles vorherige Glück war in ihren Augen nur
ein Traum.

Einen Abend sassen sie beysammen, und Herr
von Rothfels kam dazu. Siegwart fieng vom
Kloster zu reden an, daß die Antwort sich so lang
verzögere -- Weil wir eben vom Kloster und
von Kapuzinern reden, sagte Rothfels, so fällt
mir eine Geschichte ein, die ich dieser Tagen
von einem Kapuziner hörte. Sie betrifft ein



ich zu euch, und beſuch euch. Laßt mich in mein
Kloſter! Jch will fuͤr euch bethen!

Kronhelm und Thereſe weinten, und konnten
ihn nicht troͤſten. — Ja, du ſollſt ins Kloſter!
ſagte Kronhelm; morgen will ich dahin ſchreiben.
Armer Freund, wir koͤnnen nichts, als dich be-
dauren. Kronhelm ſchrieb auch wirklich den fol-
genden Tag an den Guardian, und ſchickte den
Brief weg.

Thereſe erholte ſich nun taͤglich mehr, und
konnte ſchon zuweilen ſich ein paar Stunden auſ-
ſerhalb dem Bett aufhalten. Sie und ihr Kron-
helm empfanden nun das Gluͤck der Zaͤrtlichkeit
zehnſach mehr, als vorher, ehe das Ungluͤck der
Trennung ſie bedrohet hatte. Es war ihnen,
als ob ihre Liebe ſich nun erſt recht anfinge, und
alles vorherige Gluͤck war in ihren Augen nur
ein Traum.

Einen Abend ſaſſen ſie beyſammen, und Herr
von Rothfels kam dazu. Siegwart fieng vom
Kloſter zu reden an, daß die Antwort ſich ſo lang
verzoͤgere — Weil wir eben vom Kloſter und
von Kapuzinern reden, ſagte Rothfels, ſo faͤllt
mir eine Geſchichte ein, die ich dieſer Tagen
von einem Kapuziner hoͤrte. Sie betrifft ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0564" n="984"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ich zu euch, und be&#x017F;uch euch. Laßt mich in mein<lb/>
Klo&#x017F;ter! Jch will fu&#x0364;r euch bethen!</p><lb/>
        <p>Kronhelm und There&#x017F;e weinten, und konnten<lb/>
ihn nicht tro&#x0364;&#x017F;ten. &#x2014; Ja, du &#x017F;oll&#x017F;t ins Klo&#x017F;ter!<lb/>
&#x017F;agte Kronhelm; morgen will ich dahin &#x017F;chreiben.<lb/>
Armer Freund, wir ko&#x0364;nnen nichts, als dich be-<lb/>
dauren. Kronhelm &#x017F;chrieb auch wirklich den fol-<lb/>
genden Tag an den Guardian, und &#x017F;chickte den<lb/>
Brief weg.</p><lb/>
        <p>There&#x017F;e erholte &#x017F;ich nun ta&#x0364;glich mehr, und<lb/>
konnte &#x017F;chon zuweilen &#x017F;ich ein paar Stunden au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erhalb dem Bett aufhalten. Sie und ihr Kron-<lb/>
helm empfanden nun das Glu&#x0364;ck der Za&#x0364;rtlichkeit<lb/>
zehn&#x017F;ach mehr, als vorher, ehe das Unglu&#x0364;ck der<lb/>
Trennung &#x017F;ie bedrohet hatte. Es war ihnen,<lb/>
als ob ihre Liebe &#x017F;ich nun er&#x017F;t recht anfinge, und<lb/>
alles vorherige Glu&#x0364;ck war in ihren Augen nur<lb/>
ein Traum.</p><lb/>
        <p>Einen Abend &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie bey&#x017F;ammen, und Herr<lb/>
von Rothfels kam dazu. Siegwart fieng vom<lb/>
Klo&#x017F;ter zu reden an, daß die Antwort &#x017F;ich &#x017F;o lang<lb/>
verzo&#x0364;gere &#x2014; Weil wir eben vom Klo&#x017F;ter und<lb/>
von Kapuzinern reden, &#x017F;agte Rothfels, &#x017F;o fa&#x0364;llt<lb/>
mir eine Ge&#x017F;chichte ein, die ich die&#x017F;er Tagen<lb/>
von einem Kapuziner ho&#x0364;rte. Sie betrifft ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[984/0564] ich zu euch, und beſuch euch. Laßt mich in mein Kloſter! Jch will fuͤr euch bethen! Kronhelm und Thereſe weinten, und konnten ihn nicht troͤſten. — Ja, du ſollſt ins Kloſter! ſagte Kronhelm; morgen will ich dahin ſchreiben. Armer Freund, wir koͤnnen nichts, als dich be- dauren. Kronhelm ſchrieb auch wirklich den fol- genden Tag an den Guardian, und ſchickte den Brief weg. Thereſe erholte ſich nun taͤglich mehr, und konnte ſchon zuweilen ſich ein paar Stunden auſ- ſerhalb dem Bett aufhalten. Sie und ihr Kron- helm empfanden nun das Gluͤck der Zaͤrtlichkeit zehnſach mehr, als vorher, ehe das Ungluͤck der Trennung ſie bedrohet hatte. Es war ihnen, als ob ihre Liebe ſich nun erſt recht anfinge, und alles vorherige Gluͤck war in ihren Augen nur ein Traum. Einen Abend ſaſſen ſie beyſammen, und Herr von Rothfels kam dazu. Siegwart fieng vom Kloſter zu reden an, daß die Antwort ſich ſo lang verzoͤgere — Weil wir eben vom Kloſter und von Kapuzinern reden, ſagte Rothfels, ſo faͤllt mir eine Geſchichte ein, die ich dieſer Tagen von einem Kapuziner hoͤrte. Sie betrifft ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/564
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 984. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/564>, abgerufen am 25.11.2024.