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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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kann ich dir nicht schildern. Die zum letztenmale
sehen, die ich, neben dir, über alles liebe, das
geht über alle Leiden. Heilige Mutter Gottes, steh
ihr bey!

Also wär ich denn allein; getrennt von dir und
ihr, und hätte keinen Freund mehr, der mir hel-
fen könnte! Fürchterlich, ach, unaussprechlich fürch-
terlich! -- O du, den ich nicht sehe, der aber mich,
und meine Seele sieht, daß sie rein ist; sieh, ich
bin allein! Verschleuß dein Ohr nicht! Laß es hö-
ren meine Seufzer! Verschlouß deinen Himmel
nicht! Laß herabthauen Trost und Gnade! Denn
ich bin allein. --

Mein Bruder war noch einmal auf Befehl mei-
nes Vaters bey mir: Willst du dem Hofrath deine
Hand geben? -- Nein, ich kann nicht Bruder! -- Nun
so sag ich dir im Namen meines Vaters, daß du mor-
gen früh um drey Uhr dich gefaßt halten kannst, ins
Kloster zu wandern. Halts für eine Ehre, daß er
deinen Wunsch erfüllt! Aber dein Vater will er
von dem Augenblick an nicht mehr seyn. Man
wird dir Kleider bringen! -- Mit diesen Worten
gieng er. Gleich darauf brachte mir Konrad eini-
ge wenige, und schlechte Kleider. --



kann ich dir nicht ſchildern. Die zum letztenmale
ſehen, die ich, neben dir, uͤber alles liebe, das
geht uͤber alle Leiden. Heilige Mutter Gottes, ſteh
ihr bey!

Alſo waͤr ich denn allein; getrennt von dir und
ihr, und haͤtte keinen Freund mehr, der mir hel-
fen koͤnnte! Fuͤrchterlich, ach, unausſprechlich fuͤrch-
terlich! — O du, den ich nicht ſehe, der aber mich,
und meine Seele ſieht, daß ſie rein iſt; ſieh, ich
bin allein! Verſchleuß dein Ohr nicht! Laß es hoͤ-
ren meine Seufzer! Verſchlouß deinen Himmel
nicht! Laß herabthauen Troſt und Gnade! Denn
ich bin allein. —

Mein Bruder war noch einmal auf Befehl mei-
nes Vaters bey mir: Willſt du dem Hofrath deine
Hand geben? — Nein, ich kann nicht Bruder! — Nun
ſo ſag ich dir im Namen meines Vaters, daß du mor-
gen fruͤh um drey Uhr dich gefaßt halten kannſt, ins
Kloſter zu wandern. Halts fuͤr eine Ehre, daß er
deinen Wunſch erfuͤllt! Aber dein Vater will er
von dem Augenblick an nicht mehr ſeyn. Man
wird dir Kleider bringen! — Mit dieſen Worten
gieng er. Gleich darauf brachte mir Konrad eini-
ge wenige, und ſchlechte Kleider. —

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[914/0494] kann ich dir nicht ſchildern. Die zum letztenmale ſehen, die ich, neben dir, uͤber alles liebe, das geht uͤber alle Leiden. Heilige Mutter Gottes, ſteh ihr bey! Alſo waͤr ich denn allein; getrennt von dir und ihr, und haͤtte keinen Freund mehr, der mir hel- fen koͤnnte! Fuͤrchterlich, ach, unausſprechlich fuͤrch- terlich! — O du, den ich nicht ſehe, der aber mich, und meine Seele ſieht, daß ſie rein iſt; ſieh, ich bin allein! Verſchleuß dein Ohr nicht! Laß es hoͤ- ren meine Seufzer! Verſchlouß deinen Himmel nicht! Laß herabthauen Troſt und Gnade! Denn ich bin allein. — Mein Bruder war noch einmal auf Befehl mei- nes Vaters bey mir: Willſt du dem Hofrath deine Hand geben? — Nein, ich kann nicht Bruder! — Nun ſo ſag ich dir im Namen meines Vaters, daß du mor- gen fruͤh um drey Uhr dich gefaßt halten kannſt, ins Kloſter zu wandern. Halts fuͤr eine Ehre, daß er deinen Wunſch erfuͤllt! Aber dein Vater will er von dem Augenblick an nicht mehr ſeyn. Man wird dir Kleider bringen! — Mit dieſen Worten gieng er. Gleich darauf brachte mir Konrad eini- ge wenige, und ſchlechte Kleider. —

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 914. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/494>, abgerufen am 22.11.2024.