Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.setzte er hinzu, für die du mir danken must. Jch bin dir tausenmal mehr schuldig; hier, meinen größ- ten Schatz (indem er seine Therese bey der Hand nahm, und küßte) ohne dich hätt ich dieses Klei- nod nicht. Was ich thue, kann ich leicht thun, denn Gott hat mich ja mit Ueberfluß gesegnet; und dir bin ichs schuldig. Siegwart wollte eben dan- ken, als Karl mit seiner Frau ins Zimmer trak. Sie schienen sehr erschreckt und betroffen zu seyn, und machten eine tiefe Verbeugung. Kronhelm und Therese dankten ziemlich frostig. Nach den vorläufigen Bewillkommungskomplimenten und Beyleidsbezeugungen fieng Kronhelm zu Karl an: Aber, Herr Bruder, gegen unsern Xaver handeln Sie ziemlich unbrüderlich und gebieterisch. Jch hätt Jhnen doch mehr zugetraut! Karl fieng an sich zu entschuldigen, es sey nicht so bös gemeynt gewesen; es könr Xavers Wunsch doch noch erfüllt werden -- Das wird ohnedieß geschehen, fiel ihm Kronhelm ein; ich übernehme die Sache, und sie geht Sie weiter nichts an; ich rede nur von dem unbrü- derlichen Betragen zwey Tage nach dem Tod eines solchen Vaters! Karls Frau wollte sich auch drein mischen, und sagte: Der selige Vater habe sich doch nicht drüber erklärt. Mit Jhnen red ich von ſetzte er hinzu, fuͤr die du mir danken muſt. Jch bin dir tauſenmal mehr ſchuldig; hier, meinen groͤß- ten Schatz (indem er ſeine Thereſe bey der Hand nahm, und kuͤßte) ohne dich haͤtt ich dieſes Klei- nod nicht. Was ich thue, kann ich leicht thun, denn Gott hat mich ja mit Ueberfluß geſegnet; und dir bin ichs ſchuldig. Siegwart wollte eben dan- ken, als Karl mit ſeiner Frau ins Zimmer trak. Sie ſchienen ſehr erſchreckt und betroffen zu ſeyn, und machten eine tiefe Verbeugung. Kronhelm und Thereſe dankten ziemlich froſtig. Nach den vorlaͤufigen Bewillkommungskomplimenten und Beyleidsbezeugungen fieng Kronhelm zu Karl an: Aber, Herr Bruder, gegen unſern Xaver handeln Sie ziemlich unbruͤderlich und gebieteriſch. Jch haͤtt Jhnen doch mehr zugetraut! Karl fieng an ſich zu entſchuldigen, es ſey nicht ſo boͤs gemeynt geweſen; es koͤnr Xavers Wunſch doch noch erfuͤllt werden — Das wird ohnedieß geſchehen, fiel ihm Kronhelm ein; ich uͤbernehme die Sache, und ſie geht Sie weiter nichts an; ich rede nur von dem unbruͤ- derlichen Betragen zwey Tage nach dem Tod eines ſolchen Vaters! Karls Frau wollte ſich auch drein miſchen, und ſagte: Der ſelige Vater habe ſich doch nicht druͤber erklaͤrt. Mit Jhnen red ich von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0470" n="890"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſetzte er hinzu, fuͤr die du mir danken muſt. Jch<lb/> bin dir tauſenmal mehr ſchuldig; hier, meinen groͤß-<lb/> ten Schatz (indem er ſeine Thereſe bey der Hand<lb/> nahm, und kuͤßte) ohne dich haͤtt ich dieſes Klei-<lb/> nod nicht. Was ich thue, kann ich leicht thun,<lb/> denn Gott hat mich ja mit Ueberfluß geſegnet; und<lb/> dir bin ichs ſchuldig. Siegwart wollte eben dan-<lb/> ken, als Karl mit ſeiner Frau ins Zimmer trak.<lb/> Sie ſchienen ſehr erſchreckt und betroffen zu ſeyn,<lb/> und machten eine tiefe Verbeugung. Kronhelm<lb/> und Thereſe dankten ziemlich froſtig. Nach den<lb/> vorlaͤufigen Bewillkommungskomplimenten und<lb/> Beyleidsbezeugungen fieng Kronhelm zu Karl an:<lb/> Aber, Herr Bruder, gegen unſern Xaver handeln<lb/> Sie ziemlich unbruͤderlich und gebieteriſch. Jch<lb/> haͤtt Jhnen doch mehr zugetraut! Karl fieng an ſich<lb/> zu entſchuldigen, es ſey nicht ſo boͤs gemeynt geweſen;<lb/> es koͤnr Xavers Wunſch doch noch erfuͤllt werden —<lb/> Das wird ohnedieß geſchehen, fiel ihm Kronhelm<lb/> ein; ich uͤbernehme die Sache, und ſie geht Sie<lb/> weiter nichts an; ich rede nur von dem unbruͤ-<lb/> derlichen Betragen zwey Tage nach dem Tod eines<lb/> ſolchen Vaters! Karls Frau wollte ſich auch drein<lb/> miſchen, und ſagte: Der ſelige Vater habe ſich<lb/> doch nicht druͤber erklaͤrt. Mit Jhnen red ich von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [890/0470]
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bin dir tauſenmal mehr ſchuldig; hier, meinen groͤß-
ten Schatz (indem er ſeine Thereſe bey der Hand
nahm, und kuͤßte) ohne dich haͤtt ich dieſes Klei-
nod nicht. Was ich thue, kann ich leicht thun,
denn Gott hat mich ja mit Ueberfluß geſegnet; und
dir bin ichs ſchuldig. Siegwart wollte eben dan-
ken, als Karl mit ſeiner Frau ins Zimmer trak.
Sie ſchienen ſehr erſchreckt und betroffen zu ſeyn,
und machten eine tiefe Verbeugung. Kronhelm
und Thereſe dankten ziemlich froſtig. Nach den
vorlaͤufigen Bewillkommungskomplimenten und
Beyleidsbezeugungen fieng Kronhelm zu Karl an:
Aber, Herr Bruder, gegen unſern Xaver handeln
Sie ziemlich unbruͤderlich und gebieteriſch. Jch
haͤtt Jhnen doch mehr zugetraut! Karl fieng an ſich
zu entſchuldigen, es ſey nicht ſo boͤs gemeynt geweſen;
es koͤnr Xavers Wunſch doch noch erfuͤllt werden —
Das wird ohnedieß geſchehen, fiel ihm Kronhelm
ein; ich uͤbernehme die Sache, und ſie geht Sie
weiter nichts an; ich rede nur von dem unbruͤ-
derlichen Betragen zwey Tage nach dem Tod eines
ſolchen Vaters! Karls Frau wollte ſich auch drein
miſchen, und ſagte: Der ſelige Vater habe ſich
doch nicht druͤber erklaͤrt. Mit Jhnen red ich von
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