Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.schlossen, den Nachmittag aufs Feld hinaus zu ge- hen, um sich etwas zu zerstreuen. Alle Leute auf dem Feld sahen ihnen traurig nach, und weinten um ihren lieben Amtmann, und um seine Kinder. Salome sagte: sie hätte vor vier Tagen an ihre Schwester Kronhelm geschrieben. Vielleicht, wenn sie könnte, würde sie mit ihrem Manne herüber kommen. Sie giengen fast trauriger wieder nach Haus, als sie es verlassen hatten. Als sie in die Thüre traten, weinte Siegwart heftiger. Er war ungefähr eine halbe Stunde auf seinem Zimmer, als er ein Geräusch die Treppe herauf kommen hörte. An dem holen Gepolter merkte er, daß der Sarg heraufgebracht wnrde. Ein kalter Schauer lief ihm über alle Glieder; sein ganzer Körper ward erschüttert, und er wagte es nicht, vor die Thür hinauszugehen. Das Zimmer, wo sein Vater lag, war nicht weit vom seinigen entfernt. Er hörte den Sarg zunageln. Jeder Schlag durchdrang sein Herz. Er konnte sich vor Wehmuth fast nicht mehr fassen. Als die Leute weggiengen, suchte er im Garten wieder frische Luft, wo er Karl und Salome in Thränen antraf. Er ward beyden| auf Einmal wieder ganz gut, weil sie so um ihren Va- ter Leid trugen. Da er von der vorigen schlaflo- ſchloſſen, den Nachmittag aufs Feld hinaus zu ge- hen, um ſich etwas zu zerſtreuen. Alle Leute auf dem Feld ſahen ihnen traurig nach, und weinten um ihren lieben Amtmann, und um ſeine Kinder. Salome ſagte: ſie haͤtte vor vier Tagen an ihre Schweſter Kronhelm geſchrieben. Vielleicht, wenn ſie koͤnnte, wuͤrde ſie mit ihrem Manne heruͤber kommen. Sie giengen faſt trauriger wieder nach Haus, als ſie es verlaſſen hatten. Als ſie in die Thuͤre traten, weinte Siegwart heftiger. Er war ungefaͤhr eine halbe Stunde auf ſeinem Zimmer, als er ein Geraͤuſch die Treppe herauf kommen hoͤrte. An dem holen Gepolter merkte er, daß der Sarg heraufgebracht wnrde. Ein kalter Schauer lief ihm uͤber alle Glieder; ſein ganzer Koͤrper ward erſchuͤttert, und er wagte es nicht, vor die Thuͤr hinauszugehen. Das Zimmer, wo ſein Vater lag, war nicht weit vom ſeinigen entfernt. Er hoͤrte den Sarg zunageln. Jeder Schlag durchdrang ſein Herz. Er konnte ſich vor Wehmuth faſt nicht mehr faſſen. Als die Leute weggiengen, ſuchte er im Garten wieder friſche Luft, wo er Karl und Salome in Thraͤnen antraf. Er ward beyden| auf Einmal wieder ganz gut, weil ſie ſo um ihren Va- ter Leid trugen. Da er von der vorigen ſchlaflo- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0458" n="878"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſchloſſen, den Nachmittag aufs Feld hinaus zu ge-<lb/> hen, um ſich etwas zu zerſtreuen. Alle Leute auf<lb/> dem Feld ſahen ihnen traurig nach, und weinten<lb/> um ihren lieben Amtmann, und um ſeine Kinder.<lb/> Salome ſagte: ſie haͤtte vor vier Tagen an ihre<lb/> Schweſter Kronhelm geſchrieben. Vielleicht, wenn<lb/> ſie koͤnnte, wuͤrde ſie mit ihrem Manne heruͤber<lb/> kommen. Sie giengen faſt trauriger wieder nach<lb/> Haus, als ſie es verlaſſen hatten. Als ſie in die<lb/> Thuͤre traten, weinte Siegwart heftiger. Er war<lb/> ungefaͤhr eine halbe Stunde auf ſeinem Zimmer,<lb/> als er ein Geraͤuſch die Treppe herauf kommen<lb/> hoͤrte. An dem holen Gepolter merkte er, daß<lb/> der Sarg heraufgebracht wnrde. Ein kalter Schauer<lb/> lief ihm uͤber alle Glieder; ſein ganzer Koͤrper ward<lb/> erſchuͤttert, und er wagte es nicht, vor die Thuͤr<lb/> hinauszugehen. Das Zimmer, wo ſein Vater lag,<lb/> war nicht weit vom ſeinigen entfernt. Er hoͤrte<lb/> den Sarg zunageln. Jeder Schlag durchdrang<lb/> ſein Herz. Er konnte ſich vor Wehmuth faſt nicht<lb/> mehr faſſen. Als die Leute weggiengen, ſuchte er<lb/> im Garten wieder friſche Luft, wo er Karl und<lb/> Salome in Thraͤnen antraf. Er ward beyden| auf<lb/> Einmal wieder ganz gut, weil ſie ſo um ihren Va-<lb/> ter Leid trugen. Da er von der vorigen ſchlaflo-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [878/0458]
ſchloſſen, den Nachmittag aufs Feld hinaus zu ge-
hen, um ſich etwas zu zerſtreuen. Alle Leute auf
dem Feld ſahen ihnen traurig nach, und weinten
um ihren lieben Amtmann, und um ſeine Kinder.
Salome ſagte: ſie haͤtte vor vier Tagen an ihre
Schweſter Kronhelm geſchrieben. Vielleicht, wenn
ſie koͤnnte, wuͤrde ſie mit ihrem Manne heruͤber
kommen. Sie giengen faſt trauriger wieder nach
Haus, als ſie es verlaſſen hatten. Als ſie in die
Thuͤre traten, weinte Siegwart heftiger. Er war
ungefaͤhr eine halbe Stunde auf ſeinem Zimmer,
als er ein Geraͤuſch die Treppe herauf kommen
hoͤrte. An dem holen Gepolter merkte er, daß
der Sarg heraufgebracht wnrde. Ein kalter Schauer
lief ihm uͤber alle Glieder; ſein ganzer Koͤrper ward
erſchuͤttert, und er wagte es nicht, vor die Thuͤr
hinauszugehen. Das Zimmer, wo ſein Vater lag,
war nicht weit vom ſeinigen entfernt. Er hoͤrte
den Sarg zunageln. Jeder Schlag durchdrang
ſein Herz. Er konnte ſich vor Wehmuth faſt nicht
mehr faſſen. Als die Leute weggiengen, ſuchte er
im Garten wieder friſche Luft, wo er Karl und
Salome in Thraͤnen antraf. Er ward beyden| auf
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Zitationshilfe: | Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 878. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/458>, abgerufen am 16.07.2024. |