war ganz ausser sich, und konnte vor Thränen nicht zu Worte kommen. Dankend und weinend nahm er Abschied.
Die Gesellschaft sprach nun von dem Glück, Reichthümer zu besitzen, wenn man auch die Kunst weis, sie wohl anzuwenden. Jch schäme mich nicht, sagte Siegwart, meine Schwachheit zu gestehen, und mir viel Vermögen zu wünschen. Wer viel hat, kann viel geben! Mariane blickte ihn für diese Gesinnungen mit Zärtlichkeit an; drückte seine Hand, und sank stillschweigend an sein Herz.
Eine halbe Stunde drauf gieng man zu Tisch. Die Mahlzeit war sehr einfach. Eßt, meine lieben Kinder! sagte Frau Held. Bey mir sieht man dem Koch bald unter die Augen. So ists am besten, sagte Mariane. An den allzusehr beladnen Tafeln will mirs nie ganz schmecken. Man ißt auf Kosten seiner Gesundheit, und der Gedanke macht mir jeden Bissen bitter: Daß von diesem Ueberfluß, wenn er in gemeine nahrhafte Speisen verwandelt würde, zwanzig und mehr Arme könn- ten gesättigt werden. Jch sah einmal den Hof in München offne Tafel halten. Die Tische waren voll; die Gäste übersättigt, und hundert Menschen mit eingefallenen Gesichtern standen da, denen man
war ganz auſſer ſich, und konnte vor Thraͤnen nicht zu Worte kommen. Dankend und weinend nahm er Abſchied.
Die Geſellſchaft ſprach nun von dem Gluͤck, Reichthuͤmer zu beſitzen, wenn man auch die Kunſt weis, ſie wohl anzuwenden. Jch ſchaͤme mich nicht, ſagte Siegwart, meine Schwachheit zu geſtehen, und mir viel Vermoͤgen zu wuͤnſchen. Wer viel hat, kann viel geben! Mariane blickte ihn fuͤr dieſe Geſinnungen mit Zaͤrtlichkeit an; druͤckte ſeine Hand, und ſank ſtillſchweigend an ſein Herz.
Eine halbe Stunde drauf gieng man zu Tiſch. Die Mahlzeit war ſehr einfach. Eßt, meine lieben Kinder! ſagte Frau Held. Bey mir ſieht man dem Koch bald unter die Augen. So iſts am beſten, ſagte Mariane. An den allzuſehr beladnen Tafeln will mirs nie ganz ſchmecken. Man ißt auf Koſten ſeiner Geſundheit, und der Gedanke macht mir jeden Biſſen bitter: Daß von dieſem Ueberfluß, wenn er in gemeine nahrhafte Speiſen verwandelt wuͤrde, zwanzig und mehr Arme koͤnn- ten geſaͤttigt werden. Jch ſah einmal den Hof in Muͤnchen offne Tafel halten. Die Tiſche waren voll; die Gaͤſte uͤberſaͤttigt, und hundert Menſchen mit eingefallenen Geſichtern ſtanden da, denen man
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war ganz auſſer ſich, und konnte vor Thraͤnen
nicht zu Worte kommen. Dankend und weinend
nahm er Abſchied.
Die Geſellſchaft ſprach nun von dem Gluͤck,
Reichthuͤmer zu beſitzen, wenn man auch die Kunſt
weis, ſie wohl anzuwenden. Jch ſchaͤme mich nicht,
ſagte Siegwart, meine Schwachheit zu geſtehen,
und mir viel Vermoͤgen zu wuͤnſchen. Wer viel
hat, kann viel geben! Mariane blickte ihn fuͤr
dieſe Geſinnungen mit Zaͤrtlichkeit an; druͤckte ſeine
Hand, und ſank ſtillſchweigend an ſein Herz.
Eine halbe Stunde drauf gieng man zu Tiſch.
Die Mahlzeit war ſehr einfach. Eßt, meine lieben
Kinder! ſagte Frau Held. Bey mir ſieht man
dem Koch bald unter die Augen. So iſts am
beſten, ſagte Mariane. An den allzuſehr beladnen
Tafeln will mirs nie ganz ſchmecken. Man ißt
auf Koſten ſeiner Geſundheit, und der Gedanke
macht mir jeden Biſſen bitter: Daß von dieſem
Ueberfluß, wenn er in gemeine nahrhafte Speiſen
verwandelt wuͤrde, zwanzig und mehr Arme koͤnn-
ten geſaͤttigt werden. Jch ſah einmal den Hof in
Muͤnchen offne Tafel halten. Die Tiſche waren
voll; die Gaͤſte uͤberſaͤttigt, und hundert Menſchen
mit eingefallenen Geſichtern ſtanden da, denen man
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 861. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/441>, abgerufen am 25.11.2024.
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