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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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sich in tiefer Wehmuth. Endlich wollte Siegwart
Abschied nehmen. Wir begleiten Sie die Wiese
noch hinauf, sagte die Tante. Oben an der Wie-
se, nah am Dorf, nahmen sie von einander Ab-
schied.

Siegwart kam zu seinem Bauren, der vor sei-
nem Haus auf einer Bank saß, und schlief. Er
wachte auf, als Siegwart kam, stand ganz schlaf-
trunken auf, und nahm seine Mütze ab. Es thut
mir leid, sagte Siegwart, daß ich ihn so lang
aufgehalten habe, ich ward drüben aufgehalten.
Ey was, sagte Thomas, das hat nichts zu bedeu-
ten. Jch saß da, und sah den Mond an, bis ich
einschlief. Es schläft sich gar gut im Mondschein,
und es träumte mir eben, als ob ich gestorben wär,
und in Himmel käme. Da schien Sonn und
Mond zugleich. 's mag auch wol so seyn! Nun,
nun, wenn der Herr jetzt ins Bett will, so kann
ich ihn hinaufführen. Will gleich ein Licht anma-
chen. Siegwart sagte, daß es gar nicht nöthig
wäre, und gieng ohne Licht hinauf. Er sah noch
etwas aus dem Fenster in die mondbeglänzte Ge-
gend. Von ferne sah er das weiße Landhaus durch-
schimmern, und ein Licht drinn. Er dachte, daß
dieß vielleicht Marianens Licht wäre, und sah hin-



ſich in tiefer Wehmuth. Endlich wollte Siegwart
Abſchied nehmen. Wir begleiten Sie die Wieſe
noch hinauf, ſagte die Tante. Oben an der Wie-
ſe, nah am Dorf, nahmen ſie von einander Ab-
ſchied.

Siegwart kam zu ſeinem Bauren, der vor ſei-
nem Haus auf einer Bank ſaß, und ſchlief. Er
wachte auf, als Siegwart kam, ſtand ganz ſchlaf-
trunken auf, und nahm ſeine Muͤtze ab. Es thut
mir leid, ſagte Siegwart, daß ich ihn ſo lang
aufgehalten habe, ich ward druͤben aufgehalten.
Ey was, ſagte Thomas, das hat nichts zu bedeu-
ten. Jch ſaß da, und ſah den Mond an, bis ich
einſchlief. Es ſchlaͤft ſich gar gut im Mondſchein,
und es traͤumte mir eben, als ob ich geſtorben waͤr,
und in Himmel kaͤme. Da ſchien Sonn und
Mond zugleich. ’s mag auch wol ſo ſeyn! Nun,
nun, wenn der Herr jetzt ins Bett will, ſo kann
ich ihn hinauffuͤhren. Will gleich ein Licht anma-
chen. Siegwart ſagte, daß es gar nicht noͤthig
waͤre, und gieng ohne Licht hinauf. Er ſah noch
etwas aus dem Fenſter in die mondbeglaͤnzte Ge-
gend. Von ferne ſah er das weiße Landhaus durch-
ſchimmern, und ein Licht drinn. Er dachte, daß
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[849/0429] ſich in tiefer Wehmuth. Endlich wollte Siegwart Abſchied nehmen. Wir begleiten Sie die Wieſe noch hinauf, ſagte die Tante. Oben an der Wie- ſe, nah am Dorf, nahmen ſie von einander Ab- ſchied. Siegwart kam zu ſeinem Bauren, der vor ſei- nem Haus auf einer Bank ſaß, und ſchlief. Er wachte auf, als Siegwart kam, ſtand ganz ſchlaf- trunken auf, und nahm ſeine Muͤtze ab. Es thut mir leid, ſagte Siegwart, daß ich ihn ſo lang aufgehalten habe, ich ward druͤben aufgehalten. Ey was, ſagte Thomas, das hat nichts zu bedeu- ten. Jch ſaß da, und ſah den Mond an, bis ich einſchlief. Es ſchlaͤft ſich gar gut im Mondſchein, und es traͤumte mir eben, als ob ich geſtorben waͤr, und in Himmel kaͤme. Da ſchien Sonn und Mond zugleich. ’s mag auch wol ſo ſeyn! Nun, nun, wenn der Herr jetzt ins Bett will, ſo kann ich ihn hinauffuͤhren. Will gleich ein Licht anma- chen. Siegwart ſagte, daß es gar nicht noͤthig waͤre, und gieng ohne Licht hinauf. Er ſah noch etwas aus dem Fenſter in die mondbeglaͤnzte Ge- gend. Von ferne ſah er das weiße Landhaus durch- ſchimmern, und ein Licht drinn. Er dachte, daß dieß vielleicht Marianens Licht waͤre, und ſah hin-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/429>, abgerufen am 03.05.2024.