diese Hoffnung wäre mir die Trennung unerträg- lich. Aber schreib mir fleissig. Laß mich nicht in meiner Einsamkeit verschmachten! -- Du mich auch nicht, Kronhelm! Du weist, wie ich ohnehin zur Schwermuth geneigt bin. Wenn ich dich nicht hätte, und es ginge mir in meiner Liebe widerwär- tig! Bruder, Bruder, schreib mir! -- Du must glücklich werden, sagte Kronhelm, du, und Mariane! Wenn ein Mensch es werth ist, so seyd ihrs. Aber, Bruder, du must dich bald entschliessen, welche Le- bensart du wählen willst. Ein Geistlicher wirst du nun doch nicht, und das ist recht gut, ich war nie damit zufrieden. Aber, da Mariane weis, was du bisher studirt hast, so könnte sie leicht unruhig werden. Neiß sie bald aus ihrer Unruhe! -- Jch wills thun, Bruder! versetzte Siegwart. Es geht mir schon lang im Kopf herum, und quält mich heimlich. Jch bin selber noch nicht schlüssig; so bald ichs bin, schreib ich dir davon. Ein Geistli- cher kann ich freylich nicht werden. Gott wird mirs vergeben, und ich hoffe, mein Vater wird es auch zufrieden seyn. Jch muß mich erst an The- resen wenden. -- Thu es bald! sagte Kronhelm du weist, wie der Engel denkt. --
dieſe Hoffnung waͤre mir die Trennung unertraͤg- lich. Aber ſchreib mir fleiſſig. Laß mich nicht in meiner Einſamkeit verſchmachten! — Du mich auch nicht, Kronhelm! Du weiſt, wie ich ohnehin zur Schwermuth geneigt bin. Wenn ich dich nicht haͤtte, und es ginge mir in meiner Liebe widerwaͤr- tig! Bruder, Bruder, ſchreib mir! — Du muſt gluͤcklich werden, ſagte Kronhelm, du, und Mariane! Wenn ein Menſch es werth iſt, ſo ſeyd ihrs. Aber, Bruder, du muſt dich bald entſchlieſſen, welche Le- bensart du waͤhlen willſt. Ein Geiſtlicher wirſt du nun doch nicht, und das iſt recht gut, ich war nie damit zufrieden. Aber, da Mariane weis, was du bisher ſtudirt haſt, ſo koͤnnte ſie leicht unruhig werden. Neiß ſie bald aus ihrer Unruhe! — Jch wills thun, Bruder! verſetzte Siegwart. Es geht mir ſchon lang im Kopf herum, und quaͤlt mich heimlich. Jch bin ſelber noch nicht ſchluͤſſig; ſo bald ichs bin, ſchreib ich dir davon. Ein Geiſtli- cher kann ich freylich nicht werden. Gott wird mirs vergeben, und ich hoffe, mein Vater wird es auch zufrieden ſeyn. Jch muß mich erſt an The- reſen wenden. — Thu es bald! ſagte Kronhelm du weiſt, wie der Engel denkt. —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0330"n="750"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
dieſe Hoffnung waͤre mir die Trennung unertraͤg-<lb/>
lich. Aber ſchreib mir fleiſſig. Laß mich nicht in<lb/>
meiner Einſamkeit verſchmachten! — Du mich<lb/>
auch nicht, Kronhelm! Du weiſt, wie ich ohnehin<lb/>
zur Schwermuth geneigt bin. Wenn ich dich nicht<lb/>
haͤtte, und es ginge mir in meiner Liebe widerwaͤr-<lb/>
tig! Bruder, Bruder, ſchreib mir! — Du muſt<lb/>
gluͤcklich werden, ſagte Kronhelm, du, und Mariane!<lb/>
Wenn ein Menſch es werth iſt, ſo ſeyd ihrs. Aber,<lb/>
Bruder, du muſt dich bald entſchlieſſen, welche Le-<lb/>
bensart du waͤhlen willſt. Ein Geiſtlicher wirſt<lb/>
du nun doch nicht, und das iſt recht gut, ich war<lb/>
nie damit zufrieden. Aber, da Mariane weis, was<lb/>
du bisher ſtudirt haſt, ſo koͤnnte ſie leicht unruhig<lb/>
werden. Neiß ſie bald aus ihrer Unruhe! — Jch<lb/>
wills thun, Bruder! verſetzte Siegwart. Es geht<lb/>
mir ſchon lang im Kopf herum, und quaͤlt mich<lb/>
heimlich. Jch bin ſelber noch nicht ſchluͤſſig; ſo<lb/>
bald ichs bin, ſchreib ich dir davon. Ein Geiſtli-<lb/>
cher kann ich freylich nicht werden. Gott wird<lb/>
mirs vergeben, und ich hoffe, mein Vater wird es<lb/>
auch zufrieden ſeyn. Jch muß mich erſt an The-<lb/>
reſen wenden. — Thu es bald! ſagte Kronhelm<lb/>
du weiſt, wie der Engel denkt. —</p><lb/></div></body></text></TEI>
[750/0330]
dieſe Hoffnung waͤre mir die Trennung unertraͤg-
lich. Aber ſchreib mir fleiſſig. Laß mich nicht in
meiner Einſamkeit verſchmachten! — Du mich
auch nicht, Kronhelm! Du weiſt, wie ich ohnehin
zur Schwermuth geneigt bin. Wenn ich dich nicht
haͤtte, und es ginge mir in meiner Liebe widerwaͤr-
tig! Bruder, Bruder, ſchreib mir! — Du muſt
gluͤcklich werden, ſagte Kronhelm, du, und Mariane!
Wenn ein Menſch es werth iſt, ſo ſeyd ihrs. Aber,
Bruder, du muſt dich bald entſchlieſſen, welche Le-
bensart du waͤhlen willſt. Ein Geiſtlicher wirſt
du nun doch nicht, und das iſt recht gut, ich war
nie damit zufrieden. Aber, da Mariane weis, was
du bisher ſtudirt haſt, ſo koͤnnte ſie leicht unruhig
werden. Neiß ſie bald aus ihrer Unruhe! — Jch
wills thun, Bruder! verſetzte Siegwart. Es geht
mir ſchon lang im Kopf herum, und quaͤlt mich
heimlich. Jch bin ſelber noch nicht ſchluͤſſig; ſo
bald ichs bin, ſchreib ich dir davon. Ein Geiſtli-
cher kann ich freylich nicht werden. Gott wird
mirs vergeben, und ich hoffe, mein Vater wird es
auch zufrieden ſeyn. Jch muß mich erſt an The-
reſen wenden. — Thu es bald! ſagte Kronhelm
du weiſt, wie der Engel denkt. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 750. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/330>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.