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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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der Onkel seiner Wahl nicht ganz abgeneigt sey;
und jetzt, da er in Theresens Gegend komme, sich
gewiß nach ihr erkundigen, oder den alten Hrn.
Siegwart selbst besuchen werde. Der Onkel, setzte
sie hinzu, hält alles auf dich, und ist für dein Schick-
sal sehr besorgt. Er war mit dem Betragen un-
sers Vaters gegen dich nicht zufrieden, aber weil er
deine Liebe nur für ein aufbrausendes Feuer hielt,
so glaubte er, behutsam drein gehen zu müssen. Er
hat sich unter der |Hand fleissig nach dir erkundigt,
besonders bey einem Hofrath Fischer in Jngolstadt
(hier wurde Siegwart roth) und war oft sehr be-
kümmert, wenn er hörte, daß du so niedergeschlagen
seyest. Erst noch neulich, als man von dir sprach,
sagte er, ich will mich der Sache annehmen, sobald
ich kann. -- Und was ich dabey thun kann, Bru-
der, das thu ich gewiß. |Davon brauch ich dir
nicht erst Versicherung zu geben. -- Kronhelm war
über diese Nachricht äusserst froh, und voll süsser
Hoffnungen. Er und Siegwart musten nun der
braven Frau viel von Theresen erzählen. Sie er-
kundigte sich nach allen, sie betreffenden Kleinigkei-
ten sehr genau. Kronhelm muste ihr Theresens
ganzes Aussehen beschreiben. Er sagte: in den
meisten Zügen seh sie seinem Siegwart ganz ähn-



der Onkel ſeiner Wahl nicht ganz abgeneigt ſey;
und jetzt, da er in Thereſens Gegend komme, ſich
gewiß nach ihr erkundigen, oder den alten Hrn.
Siegwart ſelbſt beſuchen werde. Der Onkel, ſetzte
ſie hinzu, haͤlt alles auf dich, und iſt fuͤr dein Schick-
ſal ſehr beſorgt. Er war mit dem Betragen un-
ſers Vaters gegen dich nicht zufrieden, aber weil er
deine Liebe nur fuͤr ein aufbrauſendes Feuer hielt,
ſo glaubte er, behutſam drein gehen zu muͤſſen. Er
hat ſich unter der |Hand fleiſſig nach dir erkundigt,
beſonders bey einem Hofrath Fiſcher in Jngolſtadt
(hier wurde Siegwart roth) und war oft ſehr be-
kuͤmmert, wenn er hoͤrte, daß du ſo niedergeſchlagen
ſeyeſt. Erſt noch neulich, als man von dir ſprach,
ſagte er, ich will mich der Sache annehmen, ſobald
ich kann. — Und was ich dabey thun kann, Bru-
der, das thu ich gewiß. |Davon brauch ich dir
nicht erſt Verſicherung zu geben. — Kronhelm war
uͤber dieſe Nachricht aͤuſſerſt froh, und voll ſuͤſſer
Hoffnungen. Er und Siegwart muſten nun der
braven Frau viel von Thereſen erzaͤhlen. Sie er-
kundigte ſich nach allen, ſie betreffenden Kleinigkei-
ten ſehr genau. Kronhelm muſte ihr Thereſens
ganzes Ausſehen beſchreiben. Er ſagte: in den
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[728/0308] der Onkel ſeiner Wahl nicht ganz abgeneigt ſey; und jetzt, da er in Thereſens Gegend komme, ſich gewiß nach ihr erkundigen, oder den alten Hrn. Siegwart ſelbſt beſuchen werde. Der Onkel, ſetzte ſie hinzu, haͤlt alles auf dich, und iſt fuͤr dein Schick- ſal ſehr beſorgt. Er war mit dem Betragen un- ſers Vaters gegen dich nicht zufrieden, aber weil er deine Liebe nur fuͤr ein aufbrauſendes Feuer hielt, ſo glaubte er, behutſam drein gehen zu muͤſſen. Er hat ſich unter der |Hand fleiſſig nach dir erkundigt, beſonders bey einem Hofrath Fiſcher in Jngolſtadt (hier wurde Siegwart roth) und war oft ſehr be- kuͤmmert, wenn er hoͤrte, daß du ſo niedergeſchlagen ſeyeſt. Erſt noch neulich, als man von dir ſprach, ſagte er, ich will mich der Sache annehmen, ſobald ich kann. — Und was ich dabey thun kann, Bru- der, das thu ich gewiß. |Davon brauch ich dir nicht erſt Verſicherung zu geben. — Kronhelm war uͤber dieſe Nachricht aͤuſſerſt froh, und voll ſuͤſſer Hoffnungen. Er und Siegwart muſten nun der braven Frau viel von Thereſen erzaͤhlen. Sie er- kundigte ſich nach allen, ſie betreffenden Kleinigkei- ten ſehr genau. Kronhelm muſte ihr Thereſens ganzes Ausſehen beſchreiben. Er ſagte: in den meiſten Zuͤgen ſeh ſie ſeinem Siegwart ganz aͤhn-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 728. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/308>, abgerufen am 22.11.2024.