nichts mehr, als Paris zu sehen; schimpfte auf die Steifigkeit der Deutschen, nahm aber den Münchnerhof davon aus; erzählte ein paar Hof- geschichten, und gieng wieder weg, in eine ande- re Gesellschaft.
Herr von Eller, so hieß Kronhelms Schwa- ger, der schon ernsthafter dachte, suchte ihm die Annehmlichkeiten des Hoflebens von einer andern Seite darzustellen, und ihm den Hang, auf dem Land zu leben, zu entleiden. Er stellte ihm das Glück vor, um einen großen Herrn zu seyn, im- mer höher zu steigen, und endlich vielleicht gar zu seinem Vertrauen zu gelangen, u. s. w. Für Kronhelm war dieses kein Glück, und er wich den Ueberredungen seines Schwagers mit Klug- heit und Bescheidenheit aus. Um 3 Uhr muste Hr. von Eller in eine Session, und seine Gemahlin, Kronhelm und Siegwart blieben allein. Das Gespräch ward nun vertraulicher. Die Frau von Eller fragte ihren Bruder, warum er so blaß und eingefallen aussehe? Er sey sonst viel munterer gewesen; jetzt hab er so viel Ernst und Schwermuth in seinem Karakter; seine Seele müsse eine große Veränderung und tiefe Leiden erfahren haben. Er kenne die Freundschaft, die
nichts mehr, als Paris zu ſehen; ſchimpfte auf die Steifigkeit der Deutſchen, nahm aber den Muͤnchnerhof davon aus; erzaͤhlte ein paar Hof- geſchichten, und gieng wieder weg, in eine ande- re Geſellſchaft.
Herr von Eller, ſo hieß Kronhelms Schwa- ger, der ſchon ernſthafter dachte, ſuchte ihm die Annehmlichkeiten des Hoflebens von einer andern Seite darzuſtellen, und ihm den Hang, auf dem Land zu leben, zu entleiden. Er ſtellte ihm das Gluͤck vor, um einen großen Herrn zu ſeyn, im- mer hoͤher zu ſteigen, und endlich vielleicht gar zu ſeinem Vertrauen zu gelangen, u. ſ. w. Fuͤr Kronhelm war dieſes kein Gluͤck, und er wich den Ueberredungen ſeines Schwagers mit Klug- heit und Beſcheidenheit aus. Um 3 Uhr muſte Hr. von Eller in eine Seſſion, und ſeine Gemahlin, Kronhelm und Siegwart blieben allein. Das Geſpraͤch ward nun vertraulicher. Die Frau von Eller fragte ihren Bruder, warum er ſo blaß und eingefallen ausſehe? Er ſey ſonſt viel munterer geweſen; jetzt hab er ſo viel Ernſt und Schwermuth in ſeinem Karakter; ſeine Seele muͤſſe eine große Veraͤnderung und tiefe Leiden erfahren haben. Er kenne die Freundſchaft, die
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nichts mehr, als Paris zu ſehen; ſchimpfte auf
die Steifigkeit der Deutſchen, nahm aber den
Muͤnchnerhof davon aus; erzaͤhlte ein paar Hof-
geſchichten, und gieng wieder weg, in eine ande-
re Geſellſchaft.
Herr von Eller, ſo hieß Kronhelms Schwa-
ger, der ſchon ernſthafter dachte, ſuchte ihm die
Annehmlichkeiten des Hoflebens von einer andern
Seite darzuſtellen, und ihm den Hang, auf dem
Land zu leben, zu entleiden. Er ſtellte ihm das
Gluͤck vor, um einen großen Herrn zu ſeyn, im-
mer hoͤher zu ſteigen, und endlich vielleicht gar
zu ſeinem Vertrauen zu gelangen, u. ſ. w. Fuͤr
Kronhelm war dieſes kein Gluͤck, und er wich
den Ueberredungen ſeines Schwagers mit Klug-
heit und Beſcheidenheit aus. Um 3 Uhr muſte
Hr. von Eller in eine Seſſion, und ſeine Gemahlin,
Kronhelm und Siegwart blieben allein. Das
Geſpraͤch ward nun vertraulicher. Die Frau
von Eller fragte ihren Bruder, warum er ſo
blaß und eingefallen ausſehe? Er ſey ſonſt viel
munterer geweſen; jetzt hab er ſo viel Ernſt und
Schwermuth in ſeinem Karakter; ſeine Seele
muͤſſe eine große Veraͤnderung und tiefe Leiden
erfahren haben. Er kenne die Freundſchaft, die
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/306>, abgerufen am 22.11.2024.
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