zween Studenten mit dem blossen Degen angriffen. Man kann Muth haben, ohne ihn zum Schaden andrer ohne Noth zu brauchen. Jch schlage mich gewiß nicht, aber deswegen komm mir keiner und necke mich! Jch will ihms zeigen, daß ich meine Faust und meinen Degen nicht umsonst habe. Und bey den groben Schlägern fehlts gar oft an Herz, wenns auf wirkliche Vertheidigung ankommt. Beym bösen Gewissen gibts keine wahre Herz- haftigkeit, und ein gutes Gewissen hat der niemals, der vorsetzlich, um einer Kleinigkeit willen, sein Leben aufs Spiel setzt, oder nach dem Leben eines andern trachtet. -- Aber die Weissin ist nun doch verloh- ren, sagte Dahlmund, und das thut mir in der Seele weh! -- Kanns das wol mit Recht? sagte Kronhelm. Sie hat sich schlecht aufgesührt, das must du selbst bekennen, da sie dir einen sol- chen Menschen vorzieht. Ein Mädchen, das aus- ser uns, noch mit einem andern, auch sonst guten Menschen, liebelt, verdient warlich unsere Liebe nicht. Ganz und allein muß man ein Herz haben, das man ganz liebt. Wenn ich meinem Mädchen nicht Alles bin, so bin ich gar nichts, und nehm auch mein Herz zurück. Du must stolz seyn, Dahl- mund, und den Flattergeist verachten können. Du
zween Studenten mit dem bloſſen Degen angriffen. Man kann Muth haben, ohne ihn zum Schaden andrer ohne Noth zu brauchen. Jch ſchlage mich gewiß nicht, aber deswegen komm mir keiner und necke mich! Jch will ihms zeigen, daß ich meine Fauſt und meinen Degen nicht umſonſt habe. Und bey den groben Schlaͤgern fehlts gar oft an Herz, wenns auf wirkliche Vertheidigung ankommt. Beym boͤſen Gewiſſen gibts keine wahre Herz- haftigkeit, und ein gutes Gewiſſen hat der niemals, der vorſetzlich, um einer Kleinigkeit willen, ſein Leben aufs Spiel ſetzt, oder nach dem Leben eines andern trachtet. — Aber die Weiſſin iſt nun doch verloh- ren, ſagte Dahlmund, und das thut mir in der Seele weh! — Kanns das wol mit Recht? ſagte Kronhelm. Sie hat ſich ſchlecht aufgeſuͤhrt, das muſt du ſelbſt bekennen, da ſie dir einen ſol- chen Menſchen vorzieht. Ein Maͤdchen, das auſ- ſer uns, noch mit einem andern, auch ſonſt guten Menſchen, liebelt, verdient warlich unſere Liebe nicht. Ganz und allein muß man ein Herz haben, das man ganz liebt. Wenn ich meinem Maͤdchen nicht Alles bin, ſo bin ich gar nichts, und nehm auch mein Herz zuruͤck. Du muſt ſtolz ſeyn, Dahl- mund, und den Flattergeiſt verachten koͤnnen. Du
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0287"n="707"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
zween Studenten mit dem bloſſen Degen angriffen.<lb/>
Man kann Muth haben, ohne ihn zum Schaden<lb/>
andrer ohne Noth zu brauchen. Jch ſchlage mich<lb/>
gewiß nicht, aber deswegen komm mir keiner und<lb/>
necke mich! Jch will ihms zeigen, daß ich meine<lb/>
Fauſt und meinen Degen nicht umſonſt habe.<lb/>
Und bey den groben Schlaͤgern fehlts gar oft an<lb/>
Herz, wenns auf wirkliche Vertheidigung ankommt.<lb/>
Beym boͤſen Gewiſſen gibts keine wahre Herz-<lb/>
haftigkeit, und ein gutes Gewiſſen hat der niemals, der<lb/>
vorſetzlich, um einer Kleinigkeit willen, ſein Leben<lb/>
aufs Spiel ſetzt, oder nach dem Leben eines andern<lb/>
trachtet. — Aber die Weiſſin iſt nun doch verloh-<lb/>
ren, ſagte Dahlmund, und das thut mir in der<lb/>
Seele weh! — Kanns das wol mit Recht?<lb/>ſagte Kronhelm. Sie hat ſich ſchlecht aufgeſuͤhrt,<lb/>
das muſt du ſelbſt bekennen, da ſie dir einen ſol-<lb/>
chen Menſchen vorzieht. Ein Maͤdchen, das auſ-<lb/>ſer uns, noch mit einem andern, auch ſonſt guten<lb/>
Menſchen, liebelt, verdient warlich unſere Liebe nicht.<lb/>
Ganz und allein muß man ein Herz haben, das<lb/>
man ganz liebt. Wenn ich meinem Maͤdchen nicht<lb/>
Alles bin, ſo bin ich gar nichts, und nehm auch<lb/>
mein Herz zuruͤck. Du muſt ſtolz ſeyn, Dahl-<lb/>
mund, und den Flattergeiſt verachten koͤnnen. Du<lb/></p></div></body></text></TEI>
[707/0287]
zween Studenten mit dem bloſſen Degen angriffen.
Man kann Muth haben, ohne ihn zum Schaden
andrer ohne Noth zu brauchen. Jch ſchlage mich
gewiß nicht, aber deswegen komm mir keiner und
necke mich! Jch will ihms zeigen, daß ich meine
Fauſt und meinen Degen nicht umſonſt habe.
Und bey den groben Schlaͤgern fehlts gar oft an
Herz, wenns auf wirkliche Vertheidigung ankommt.
Beym boͤſen Gewiſſen gibts keine wahre Herz-
haftigkeit, und ein gutes Gewiſſen hat der niemals, der
vorſetzlich, um einer Kleinigkeit willen, ſein Leben
aufs Spiel ſetzt, oder nach dem Leben eines andern
trachtet. — Aber die Weiſſin iſt nun doch verloh-
ren, ſagte Dahlmund, und das thut mir in der
Seele weh! — Kanns das wol mit Recht?
ſagte Kronhelm. Sie hat ſich ſchlecht aufgeſuͤhrt,
das muſt du ſelbſt bekennen, da ſie dir einen ſol-
chen Menſchen vorzieht. Ein Maͤdchen, das auſ-
ſer uns, noch mit einem andern, auch ſonſt guten
Menſchen, liebelt, verdient warlich unſere Liebe nicht.
Ganz und allein muß man ein Herz haben, das
man ganz liebt. Wenn ich meinem Maͤdchen nicht
Alles bin, ſo bin ich gar nichts, und nehm auch
mein Herz zuruͤck. Du muſt ſtolz ſeyn, Dahl-
mund, und den Flattergeiſt verachten koͤnnen. Du
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/287>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.