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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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wartet. Darfst du einem Menschen den Weg zu
seinem Glück abschneiden? Oder willst du sein Teu-
fel werden, und ihn in die Hölle jagen, und dir
dadurch dein Leben auch zu einer Hölle machen?
Denk einmal, was ein Mörder für ein unseliges
Geschöpf ist? Fliehen muß er vor Menschen und
vor Gott; darf nicht mit sich selber reden, denn
es ruft aus ihm heraus: Du bist ein Mörder.
Blut sieht er überall, darf keinem Menschen ins
Gesicht sehn, und hat Höllenquaalen, ausser sich
und in sich. Das heist sich warlich schön gerächt,
wenn man sich selbst einen Dolch ins Herz stöst,
daß es ewig blutet. Dem Teufel gibt man Sa-
tisfaktion, und nicht sich selbst, wenn man ihm
einen schlechten Kerl zuschickt, und wohl selber
nachfolgt. Und dann ists ja so ausgemacht nicht,
daß du ihn gerad niederstichst; er hat ja auch einen
Degen, und kann eben so gut treffen, als du.
Jst der Kerl wol dein Leben werth, und dein Glück
in alle Ewigkeit? Darfst du nur damit schalten
und walten, wie du willst? Du hast brave El-
tern, die so viel an dir thun, und Trost und
Freud im Alter von dir erwarten, und nun mit
Gram und Kummer vor der Zeit ins Grab sänken;
die nicht ohne Graus an dich denken könnten, und



wartet. Darfſt du einem Menſchen den Weg zu
ſeinem Gluͤck abſchneiden? Oder willſt du ſein Teu-
fel werden, und ihn in die Hoͤlle jagen, und dir
dadurch dein Leben auch zu einer Hoͤlle machen?
Denk einmal, was ein Moͤrder fuͤr ein unſeliges
Geſchoͤpf iſt? Fliehen muß er vor Menſchen und
vor Gott; darf nicht mit ſich ſelber reden, denn
es ruft aus ihm heraus: Du biſt ein Moͤrder.
Blut ſieht er uͤberall, darf keinem Menſchen ins
Geſicht ſehn, und hat Hoͤllenquaalen, auſſer ſich
und in ſich. Das heiſt ſich warlich ſchoͤn geraͤcht,
wenn man ſich ſelbſt einen Dolch ins Herz ſtoͤſt,
daß es ewig blutet. Dem Teufel gibt man Sa-
tisfaktion, und nicht ſich ſelbſt, wenn man ihm
einen ſchlechten Kerl zuſchickt, und wohl ſelber
nachfolgt. Und dann iſts ja ſo ausgemacht nicht,
daß du ihn gerad niederſtichſt; er hat ja auch einen
Degen, und kann eben ſo gut treffen, als du.
Jſt der Kerl wol dein Leben werth, und dein Gluͤck
in alle Ewigkeit? Darfſt du nur damit ſchalten
und walten, wie du willſt? Du haſt brave El-
tern, die ſo viel an dir thun, und Troſt und
Freud im Alter von dir erwarten, und nun mit
Gram und Kummer vor der Zeit ins Grab ſaͤnken;
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[705/0285] wartet. Darfſt du einem Menſchen den Weg zu ſeinem Gluͤck abſchneiden? Oder willſt du ſein Teu- fel werden, und ihn in die Hoͤlle jagen, und dir dadurch dein Leben auch zu einer Hoͤlle machen? Denk einmal, was ein Moͤrder fuͤr ein unſeliges Geſchoͤpf iſt? Fliehen muß er vor Menſchen und vor Gott; darf nicht mit ſich ſelber reden, denn es ruft aus ihm heraus: Du biſt ein Moͤrder. Blut ſieht er uͤberall, darf keinem Menſchen ins Geſicht ſehn, und hat Hoͤllenquaalen, auſſer ſich und in ſich. Das heiſt ſich warlich ſchoͤn geraͤcht, wenn man ſich ſelbſt einen Dolch ins Herz ſtoͤſt, daß es ewig blutet. Dem Teufel gibt man Sa- tisfaktion, und nicht ſich ſelbſt, wenn man ihm einen ſchlechten Kerl zuſchickt, und wohl ſelber nachfolgt. Und dann iſts ja ſo ausgemacht nicht, daß du ihn gerad niederſtichſt; er hat ja auch einen Degen, und kann eben ſo gut treffen, als du. Jſt der Kerl wol dein Leben werth, und dein Gluͤck in alle Ewigkeit? Darfſt du nur damit ſchalten und walten, wie du willſt? Du haſt brave El- tern, die ſo viel an dir thun, und Troſt und Freud im Alter von dir erwarten, und nun mit Gram und Kummer vor der Zeit ins Grab ſaͤnken; die nicht ohne Graus an dich denken koͤnnten, und

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/285>, abgerufen am 23.11.2024.