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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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in seine Augen. Um halb sieben Uhr weckte ihn
das Morgenroth schon wieder. Er sah hinaus,
dachte nichts als Marianen, war im Jnnersten
bewegt, und dankte Gott mit solcher Jnbrunst für
ihre Liebe, daß sein Herz mehr im Himmel, als
auf Erden war. Sie war auch schon aufgestan-
den, und lächelte mit Engelanmuth zu ihm her-
über. Seine Seele war so heiter, als sie in sei-
nem Leben nie noch gewesen war. Kronhelm kam
zu ihm aufs Zimmer, und sagte, er habe diese
Nacht nicht schlafen können, und den Plan, zu
seinem Onkel zu reisen, vollends ausgedacht. Er
sey nun völlig entschlossen, morgen nach München
zu reiten. Er habe alles überlegt, und soviel ein
Mensch voraus sehen könne, könn' es ihm nicht
fehlen. Sein Onkel habe ihn und sein Glück
viel zu lieb, und sey zu frey von Vorurtheilen, als
daß er ihm seine Einwilligung, Theresen zu hei-
rathen, versagen könne. Wenn er diese habe,
dann sey es ihm genug. Sein Vater werde ge-
wiß nachgeben, denn sein Onkel vermöge alles über
ihn, und er müss' ihm nachgeben, weil er sonst
fürchten müste, er vermache seine Güter einer an-
dern Linie vom Kronhelmschen Haus. Jch trage,
setzte er hinzu, diesen Plan schon lang im Herzen;



in ſeine Augen. Um halb ſieben Uhr weckte ihn
das Morgenroth ſchon wieder. Er ſah hinaus,
dachte nichts als Marianen, war im Jnnerſten
bewegt, und dankte Gott mit ſolcher Jnbrunſt fuͤr
ihre Liebe, daß ſein Herz mehr im Himmel, als
auf Erden war. Sie war auch ſchon aufgeſtan-
den, und laͤchelte mit Engelanmuth zu ihm her-
uͤber. Seine Seele war ſo heiter, als ſie in ſei-
nem Leben nie noch geweſen war. Kronhelm kam
zu ihm aufs Zimmer, und ſagte, er habe dieſe
Nacht nicht ſchlafen koͤnnen, und den Plan, zu
ſeinem Onkel zu reiſen, vollends ausgedacht. Er
ſey nun voͤllig entſchloſſen, morgen nach Muͤnchen
zu reiten. Er habe alles uͤberlegt, und ſoviel ein
Menſch voraus ſehen koͤnne, koͤnn’ es ihm nicht
fehlen. Sein Onkel habe ihn und ſein Gluͤck
viel zu lieb, und ſey zu frey von Vorurtheilen, als
daß er ihm ſeine Einwilligung, Thereſen zu hei-
rathen, verſagen koͤnne. Wenn er dieſe habe,
dann ſey es ihm genug. Sein Vater werde ge-
wiß nachgeben, denn ſein Onkel vermoͤge alles uͤber
ihn, und er muͤſſ’ ihm nachgeben, weil er ſonſt
fuͤrchten muͤſte, er vermache ſeine Guͤter einer an-
dern Linie vom Kronhelmſchen Haus. Jch trage,
ſetzte er hinzu, dieſen Plan ſchon lang im Herzen;

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[702/0282] in ſeine Augen. Um halb ſieben Uhr weckte ihn das Morgenroth ſchon wieder. Er ſah hinaus, dachte nichts als Marianen, war im Jnnerſten bewegt, und dankte Gott mit ſolcher Jnbrunſt fuͤr ihre Liebe, daß ſein Herz mehr im Himmel, als auf Erden war. Sie war auch ſchon aufgeſtan- den, und laͤchelte mit Engelanmuth zu ihm her- uͤber. Seine Seele war ſo heiter, als ſie in ſei- nem Leben nie noch geweſen war. Kronhelm kam zu ihm aufs Zimmer, und ſagte, er habe dieſe Nacht nicht ſchlafen koͤnnen, und den Plan, zu ſeinem Onkel zu reiſen, vollends ausgedacht. Er ſey nun voͤllig entſchloſſen, morgen nach Muͤnchen zu reiten. Er habe alles uͤberlegt, und ſoviel ein Menſch voraus ſehen koͤnne, koͤnn’ es ihm nicht fehlen. Sein Onkel habe ihn und ſein Gluͤck viel zu lieb, und ſey zu frey von Vorurtheilen, als daß er ihm ſeine Einwilligung, Thereſen zu hei- rathen, verſagen koͤnne. Wenn er dieſe habe, dann ſey es ihm genug. Sein Vater werde ge- wiß nachgeben, denn ſein Onkel vermoͤge alles uͤber ihn, und er muͤſſ’ ihm nachgeben, weil er ſonſt fuͤrchten muͤſte, er vermache ſeine Guͤter einer an- dern Linie vom Kronhelmſchen Haus. Jch trage, ſetzte er hinzu, dieſen Plan ſchon lang im Herzen;

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/282>, abgerufen am 23.11.2024.