nersten Gedanken, und so entdeckte eines immer mehr Vorzüge und Vollkommenheiten an dem an- dern. Kurz, sie waren das glücklichste Paar, weil Tugend und Weisheit ihre Seelen an einander kettete, und immer fester mit einander verband. Der alte Siegwart wurde, ohngeachtet der Verschie- denheit der Jahre, Kronhelms warmer und ver- trauter Freund. Er hielt alles auf ihn, und wünsch- te nur, daß kein Unglück ihn von seiner Tochter trennen möchte! Unsre Liebende vergassen der Ge- fahr, so bald sie ihnen aus den Augen verschwand; freuten sich nur ihrer Liebe, und sahen nichts, als einen heitern, unbewölkten Himmel vor sich.
Siegwart, der auf der Schule, wegen seines Fleisses, immer weiter fortrückte, ließ sich diese Aufmunterung nur desto mehr anspornen, und vermehrte seine Kenntnisse mit jedem Tage. Ti- bull und Properz, die man in der Schule las, verfeinerten sein ohnedies zartes und richtiges Ge- fühl; er las sie sehr fleissig, und schätzte besonders den Properz; aber nicht, wie gemeiniglich geschieht, auf Kosten der Neuern. Er sah wohl, daß die Deutschen eben so gut, und in den meisten Fächern weit bessere Dichter aufzustellen haben, wie die Römer; besonders in Dingen, die mehr die Em-
nerſten Gedanken, und ſo entdeckte eines immer mehr Vorzuͤge und Vollkommenheiten an dem an- dern. Kurz, ſie waren das gluͤcklichſte Paar, weil Tugend und Weisheit ihre Seelen an einander kettete, und immer feſter mit einander verband. Der alte Siegwart wurde, ohngeachtet der Verſchie- denheit der Jahre, Kronhelms warmer und ver- trauter Freund. Er hielt alles auf ihn, und wuͤnſch- te nur, daß kein Ungluͤck ihn von ſeiner Tochter trennen moͤchte! Unſre Liebende vergaſſen der Ge- fahr, ſo bald ſie ihnen aus den Augen verſchwand; freuten ſich nur ihrer Liebe, und ſahen nichts, als einen heitern, unbewoͤlkten Himmel vor ſich.
Siegwart, der auf der Schule, wegen ſeines Fleiſſes, immer weiter fortruͤckte, ließ ſich dieſe Aufmunterung nur deſto mehr anſpornen, und vermehrte ſeine Kenntniſſe mit jedem Tage. Ti- bull und Properz, die man in der Schule las, verfeinerten ſein ohnedies zartes und richtiges Ge- fuͤhl; er las ſie ſehr fleiſſig, und ſchaͤtzte beſonders den Properz; aber nicht, wie gemeiniglich geſchieht, auf Koſten der Neuern. Er ſah wohl, daß die Deutſchen eben ſo gut, und in den meiſten Faͤchern weit beſſere Dichter aufzuſtellen haben, wie die Roͤmer; beſonders in Dingen, die mehr die Em-
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nerſten Gedanken, und ſo entdeckte eines immer
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dern. Kurz, ſie waren das gluͤcklichſte Paar, weil
Tugend und Weisheit ihre Seelen an einander
kettete, und immer feſter mit einander verband. Der
alte Siegwart wurde, ohngeachtet der Verſchie-
denheit der Jahre, Kronhelms warmer und ver-
trauter Freund. Er hielt alles auf ihn, und wuͤnſch-
te nur, daß kein Ungluͤck ihn von ſeiner Tochter
trennen moͤchte! Unſre Liebende vergaſſen der Ge-
fahr, ſo bald ſie ihnen aus den Augen verſchwand;
freuten ſich nur ihrer Liebe, und ſahen nichts, als
einen heitern, unbewoͤlkten Himmel vor ſich.
Siegwart, der auf der Schule, wegen ſeines
Fleiſſes, immer weiter fortruͤckte, ließ ſich dieſe
Aufmunterung nur deſto mehr anſpornen, und
vermehrte ſeine Kenntniſſe mit jedem Tage. Ti-
bull und Properz, die man in der Schule las,
verfeinerten ſein ohnedies zartes und richtiges Ge-
fuͤhl; er las ſie ſehr fleiſſig, und ſchaͤtzte beſonders
den Properz; aber nicht, wie gemeiniglich geſchieht,
auf Koſten der Neuern. Er ſah wohl, daß die
Deutſchen eben ſo gut, und in den meiſten Faͤchern
weit beſſere Dichter aufzuſtellen haben, wie die
Roͤmer; beſonders in Dingen, die mehr die Em-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/27>, abgerufen am 18.12.2024.
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