Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



fatale Mensch, der schon mehrmals mit ihr ge-
tanzt hatte, wollte sie wieder aufziehen. Jch tanze
mit Herrn Siegwart, sagte sie, sah ihn zärtlich
an, und drückte ihm die Hand. Er stürmte mit
ihr in den Reihen hinein, flog mit ihr herum, als
ob ihn Wolken trügen. Alle andre hörten auf,
und sahn unserm Paar verwundernd zu. Hier
und da ward ein Gelipsel: Da wird wohl ein Lie-
beshandel draus werden; die sind immer bey ein-
ander, u. s. w. Endlich tanzte man den Kehraus,
den Mariane und Siegwart anführten, und die
Gesellschaft gieng gröstentheils auseinander.

Auf dem Heimweg küste Siegwart seine Maria-
ne noch ein paarmal. Sie war ausserordentlich
vergnügt über diesen Abend, dankte ihm für das
viele Vergnügen, das er ihr gemacht hätte; freute
sich, mit ihm genauer bekannt worden zu seyn, und
bat ihn, sie nur recht bald zu besuchen. Er wuste
vor Entzücken nicht, was er reden sollte? Alle
Worte fehlten ihm. Er drückte ihr nur die Hand,
und gab ihr noch einmal einen heiligen Kuß zum
Abschied.

Als er aus ihrer Strasse kam, hüpfte und sprang
er mehr, als daß er gieng. Zu Haus blieb er noch
eine halbe Stunde auf; Kronhelm war schon zu



fatale Menſch, der ſchon mehrmals mit ihr ge-
tanzt hatte, wollte ſie wieder aufziehen. Jch tanze
mit Herrn Siegwart, ſagte ſie, ſah ihn zaͤrtlich
an, und druͤckte ihm die Hand. Er ſtuͤrmte mit
ihr in den Reihen hinein, flog mit ihr herum, als
ob ihn Wolken truͤgen. Alle andre hoͤrten auf,
und ſahn unſerm Paar verwundernd zu. Hier
und da ward ein Gelipſel: Da wird wohl ein Lie-
beshandel draus werden; die ſind immer bey ein-
ander, u. ſ. w. Endlich tanzte man den Kehraus,
den Mariane und Siegwart anfuͤhrten, und die
Geſellſchaft gieng groͤſtentheils auseinander.

Auf dem Heimweg kuͤſte Siegwart ſeine Maria-
ne noch ein paarmal. Sie war auſſerordentlich
vergnuͤgt uͤber dieſen Abend, dankte ihm fuͤr das
viele Vergnuͤgen, das er ihr gemacht haͤtte; freute
ſich, mit ihm genauer bekannt worden zu ſeyn, und
bat ihn, ſie nur recht bald zu beſuchen. Er wuſte
vor Entzuͤcken nicht, was er reden ſollte? Alle
Worte fehlten ihm. Er druͤckte ihr nur die Hand,
und gab ihr noch einmal einen heiligen Kuß zum
Abſchied.

Als er aus ihrer Straſſe kam, huͤpfte und ſprang
er mehr, als daß er gieng. Zu Haus blieb er noch
eine halbe Stunde auf; Kronhelm war ſchon zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0255" n="675"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
fatale Men&#x017F;ch, der &#x017F;chon mehrmals mit ihr ge-<lb/>
tanzt hatte, wollte &#x017F;ie wieder aufziehen. Jch tanze<lb/>
mit Herrn Siegwart, &#x017F;agte &#x017F;ie, &#x017F;ah ihn za&#x0364;rtlich<lb/>
an, und dru&#x0364;ckte ihm die Hand. Er &#x017F;tu&#x0364;rmte mit<lb/>
ihr in den Reihen hinein, flog mit ihr herum, als<lb/>
ob ihn Wolken tru&#x0364;gen. Alle andre ho&#x0364;rten auf,<lb/>
und &#x017F;ahn un&#x017F;erm Paar verwundernd zu. Hier<lb/>
und da ward ein Gelip&#x017F;el: Da wird wohl ein Lie-<lb/>
beshandel draus werden; die &#x017F;ind immer bey ein-<lb/>
ander, u. &#x017F;. w. Endlich tanzte man den Kehraus,<lb/>
den Mariane und Siegwart anfu&#x0364;hrten, und die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gieng gro&#x0364;&#x017F;tentheils auseinander.</p><lb/>
        <p>Auf dem Heimweg ku&#x0364;&#x017F;te Siegwart &#x017F;eine Maria-<lb/>
ne noch ein paarmal. Sie war au&#x017F;&#x017F;erordentlich<lb/>
vergnu&#x0364;gt u&#x0364;ber die&#x017F;en Abend, dankte ihm fu&#x0364;r das<lb/>
viele Vergnu&#x0364;gen, das er ihr gemacht ha&#x0364;tte; freute<lb/>
&#x017F;ich, mit ihm genauer bekannt worden zu &#x017F;eyn, und<lb/>
bat ihn, &#x017F;ie nur recht bald zu be&#x017F;uchen. Er wu&#x017F;te<lb/>
vor Entzu&#x0364;cken nicht, was er reden &#x017F;ollte? Alle<lb/>
Worte fehlten ihm. Er dru&#x0364;ckte ihr nur die Hand,<lb/>
und gab ihr noch einmal einen heiligen Kuß zum<lb/>
Ab&#x017F;chied.</p><lb/>
        <p>Als er aus ihrer Stra&#x017F;&#x017F;e kam, hu&#x0364;pfte und &#x017F;prang<lb/>
er mehr, als daß er gieng. Zu Haus blieb er noch<lb/>
eine halbe Stunde auf; Kronhelm war &#x017F;chon zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[675/0255] fatale Menſch, der ſchon mehrmals mit ihr ge- tanzt hatte, wollte ſie wieder aufziehen. Jch tanze mit Herrn Siegwart, ſagte ſie, ſah ihn zaͤrtlich an, und druͤckte ihm die Hand. Er ſtuͤrmte mit ihr in den Reihen hinein, flog mit ihr herum, als ob ihn Wolken truͤgen. Alle andre hoͤrten auf, und ſahn unſerm Paar verwundernd zu. Hier und da ward ein Gelipſel: Da wird wohl ein Lie- beshandel draus werden; die ſind immer bey ein- ander, u. ſ. w. Endlich tanzte man den Kehraus, den Mariane und Siegwart anfuͤhrten, und die Geſellſchaft gieng groͤſtentheils auseinander. Auf dem Heimweg kuͤſte Siegwart ſeine Maria- ne noch ein paarmal. Sie war auſſerordentlich vergnuͤgt uͤber dieſen Abend, dankte ihm fuͤr das viele Vergnuͤgen, das er ihr gemacht haͤtte; freute ſich, mit ihm genauer bekannt worden zu ſeyn, und bat ihn, ſie nur recht bald zu beſuchen. Er wuſte vor Entzuͤcken nicht, was er reden ſollte? Alle Worte fehlten ihm. Er druͤckte ihr nur die Hand, und gab ihr noch einmal einen heiligen Kuß zum Abſchied. Als er aus ihrer Straſſe kam, huͤpfte und ſprang er mehr, als daß er gieng. Zu Haus blieb er noch eine halbe Stunde auf; Kronhelm war ſchon zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/255
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/255>, abgerufen am 24.11.2024.