sehr viel Gutes, viel Empfindung, und das ist das Beste. Seine Freundschaft war mir werth und schätzbar. Jch hätt ihm ein längeres Leben ge- wünscht. Doch nun ist ihm auch wohl. Hier wandte sie sich auf die Seite, um sich eine Thräne aus dem Auge zu wischen. Unsre beyden Jüng- linge sahn sich an, und weinten auch. Von seiner heftigen Liebe gegen sie schien sie nichts gemerkt zu haben. Dieß rührte unsern Siegwart noch mehr. Die Hofrath Fischern stellte sich auch zu ihnen, und besprach sich, besonders mit Siegwart, über Gut- frieds Tod. Mariane sprach indessen mit Kron- helm, und sah mehrmals unsern Siegwart seit- wärts sehr bedeutend an. Sein Herz ward ihm durch jeden solcher Blicke sehr erleichtert, und Hof- nung nahm die Stelle der Furcht ein. Kronhelm hub zu Hause an: Hör! Xaver, Mariane will den Geßner lesen, und ich hab ihn nicht, willst du mir ihn wohl für sie leihen?
Siegwart. O von Herzen gerne! Sie kann alle Bücher von mir haben.
Kronhelm. Nun, das heiss' ich mir einmal vernünftig gesprochen! Nicht wahr, du gibst mir nun auch zu, daß die Fischerin ein vortrefliches Mädchen ist! Sie gefällt dir doch?
ſehr viel Gutes, viel Empfindung, und das iſt das Beſte. Seine Freundſchaft war mir werth und ſchaͤtzbar. Jch haͤtt ihm ein laͤngeres Leben ge- wuͤnſcht. Doch nun iſt ihm auch wohl. Hier wandte ſie ſich auf die Seite, um ſich eine Thraͤne aus dem Auge zu wiſchen. Unſre beyden Juͤng- linge ſahn ſich an, und weinten auch. Von ſeiner heftigen Liebe gegen ſie ſchien ſie nichts gemerkt zu haben. Dieß ruͤhrte unſern Siegwart noch mehr. Die Hofrath Fiſchern ſtellte ſich auch zu ihnen, und beſprach ſich, beſonders mit Siegwart, uͤber Gut- frieds Tod. Mariane ſprach indeſſen mit Kron- helm, und ſah mehrmals unſern Siegwart ſeit- waͤrts ſehr bedeutend an. Sein Herz ward ihm durch jeden ſolcher Blicke ſehr erleichtert, und Hof- nung nahm die Stelle der Furcht ein. Kronhelm hub zu Hauſe an: Hoͤr! Xaver, Mariane will den Geßner leſen, und ich hab ihn nicht, willſt du mir ihn wohl fuͤr ſie leihen?
Siegwart. O von Herzen gerne! Sie kann alle Buͤcher von mir haben.
Kronhelm. Nun, das heiſſ’ ich mir einmal vernuͤnftig geſprochen! Nicht wahr, du gibſt mir nun auch zu, daß die Fiſcherin ein vortrefliches Maͤdchen iſt! Sie gefaͤllt dir doch?
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ſehr viel Gutes, viel Empfindung, und das iſt das
Beſte. Seine Freundſchaft war mir werth und
ſchaͤtzbar. Jch haͤtt ihm ein laͤngeres Leben ge-
wuͤnſcht. Doch nun iſt ihm auch wohl. Hier
wandte ſie ſich auf die Seite, um ſich eine Thraͤne
aus dem Auge zu wiſchen. Unſre beyden Juͤng-
linge ſahn ſich an, und weinten auch. Von ſeiner
heftigen Liebe gegen ſie ſchien ſie nichts gemerkt zu
haben. Dieß ruͤhrte unſern Siegwart noch mehr.
Die Hofrath Fiſchern ſtellte ſich auch zu ihnen, und
beſprach ſich, beſonders mit Siegwart, uͤber Gut-
frieds Tod. Mariane ſprach indeſſen mit Kron-
helm, und ſah mehrmals unſern Siegwart ſeit-
waͤrts ſehr bedeutend an. Sein Herz ward ihm
durch jeden ſolcher Blicke ſehr erleichtert, und Hof-
nung nahm die Stelle der Furcht ein. Kronhelm
hub zu Hauſe an: Hoͤr! Xaver, Mariane will
den Geßner leſen, und ich hab ihn nicht, willſt
du mir ihn wohl fuͤr ſie leihen?
Siegwart. O von Herzen gerne! Sie kann
alle Buͤcher von mir haben.
Kronhelm. Nun, das heiſſ’ ich mir einmal
vernuͤnftig geſprochen! Nicht wahr, du gibſt mir
nun auch zu, daß die Fiſcherin ein vortrefliches
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/232>, abgerufen am 21.11.2024.
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