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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Es war warlich nicht so bös gemeynt! -- Bey
mir auch nicht, Bruder, sagte Kronhelm, und nahm
seinen Freund bey der Hand. Wir sind ja Freun-
de, und du weist, was ich auf dich halte. Du hät-
test mir auch schon vieles übel nehmen müssen.
Laß die Grillen fahren! Jch weis am besten, daß
man nicht immer aufgeräumt ist. Aber ein Wort
must du mir erlauben, Xaver! Jch seh wohl, daß
das Stubensitzen dir nicht taugt; du solltest dich
zerstreuen! drum wollt ich eben, daß du gestern
mit gewesen wärest! Gelt, bey mir hast du wenig
Aufmunterung, dich zu zerstreuen? Jch weis wohl,
und es thut mir leid. Aber wer kann für sein
Schicksal? Wenn man so viel Gram im Herzen
hat, wie ich, wie kann man da noch froh und mun-
ter seyn? Mach dir zuweilen eine Veränderung! --
Gut, ich wills thun, Kronhelm! sagte Siegwart
zärtlich. Bey der nächsten Schlittenfahrt will ich
auch seyn! Du must Geduld mit mir haben! Viel-
leicht wirds bald besser! -- Er gieng auf die Sei-
te, und wischte sich die Augen. Kronhelm konnte
nichts sprechen, und gieng nach etlichen Minuten
auf sein Zimmer, unter dem Vorwand, sich anzu-
kleiden, denn sie assen jetzt auf Gutfrieds Zimmer,
weil er krank war. -- Siegwarts Schmerz brach



Es war warlich nicht ſo boͤs gemeynt! — Bey
mir auch nicht, Bruder, ſagte Kronhelm, und nahm
ſeinen Freund bey der Hand. Wir ſind ja Freun-
de, und du weiſt, was ich auf dich halte. Du haͤt-
teſt mir auch ſchon vieles uͤbel nehmen muͤſſen.
Laß die Grillen fahren! Jch weis am beſten, daß
man nicht immer aufgeraͤumt iſt. Aber ein Wort
muſt du mir erlauben, Xaver! Jch ſeh wohl, daß
das Stubenſitzen dir nicht taugt; du ſollteſt dich
zerſtreuen! drum wollt ich eben, daß du geſtern
mit geweſen waͤreſt! Gelt, bey mir haſt du wenig
Aufmunterung, dich zu zerſtreuen? Jch weis wohl,
und es thut mir leid. Aber wer kann fuͤr ſein
Schickſal? Wenn man ſo viel Gram im Herzen
hat, wie ich, wie kann man da noch froh und mun-
ter ſeyn? Mach dir zuweilen eine Veraͤnderung! —
Gut, ich wills thun, Kronhelm! ſagte Siegwart
zaͤrtlich. Bey der naͤchſten Schlittenfahrt will ich
auch ſeyn! Du muſt Geduld mit mir haben! Viel-
leicht wirds bald beſſer! — Er gieng auf die Sei-
te, und wiſchte ſich die Augen. Kronhelm konnte
nichts ſprechen, und gieng nach etlichen Minuten
auf ſein Zimmer, unter dem Vorwand, ſich anzu-
kleiden, denn ſie aſſen jetzt auf Gutfrieds Zimmer,
weil er krank war. — Siegwarts Schmerz brach

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[621/0201] Es war warlich nicht ſo boͤs gemeynt! — Bey mir auch nicht, Bruder, ſagte Kronhelm, und nahm ſeinen Freund bey der Hand. Wir ſind ja Freun- de, und du weiſt, was ich auf dich halte. Du haͤt- teſt mir auch ſchon vieles uͤbel nehmen muͤſſen. Laß die Grillen fahren! Jch weis am beſten, daß man nicht immer aufgeraͤumt iſt. Aber ein Wort muſt du mir erlauben, Xaver! Jch ſeh wohl, daß das Stubenſitzen dir nicht taugt; du ſollteſt dich zerſtreuen! drum wollt ich eben, daß du geſtern mit geweſen waͤreſt! Gelt, bey mir haſt du wenig Aufmunterung, dich zu zerſtreuen? Jch weis wohl, und es thut mir leid. Aber wer kann fuͤr ſein Schickſal? Wenn man ſo viel Gram im Herzen hat, wie ich, wie kann man da noch froh und mun- ter ſeyn? Mach dir zuweilen eine Veraͤnderung! — Gut, ich wills thun, Kronhelm! ſagte Siegwart zaͤrtlich. Bey der naͤchſten Schlittenfahrt will ich auch ſeyn! Du muſt Geduld mit mir haben! Viel- leicht wirds bald beſſer! — Er gieng auf die Sei- te, und wiſchte ſich die Augen. Kronhelm konnte nichts ſprechen, und gieng nach etlichen Minuten auf ſein Zimmer, unter dem Vorwand, ſich anzu- kleiden, denn ſie aſſen jetzt auf Gutfrieds Zimmer, weil er krank war. — Siegwarts Schmerz brach

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/201>, abgerufen am 21.11.2024.