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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Jm Anfang des Oktobers.

Bald werd ich hingehn ins Kloster, eher noch
als du. Die hochgelobte Jungfrau hat mir zuge-
winkt, und einen Perlenkranz geflochten für mein
Haupt. Als ich durch die goldnen Pforten ein-
gieng, kamst du, mein Erwählter, mir entgegen;
warest angethan mit einem glänzenden Gewand. --
Hier ist gut seyn, mein Erwählter, laß uns Lau-
ben flechten von den Lebensbäumen, und in ihrem
Schatten wohnen!

Meine Mutter weint; mein Vater klagt. Trock-
net eure Thränen, ihr Geliebten! Denn ich wer-
de wohnen bey dem Mann, den meine Seele liebt;
werde mit ihm Hütten bauen, daß ihr wohnen
möget an der Seite eurer Kinder!



Am 25sten Oktober. (als das Schuldrama auf-
geführt worden)

Meine Seele dankt dir, o du Heiliger und Aus-
erwählter, daß du mich verachten lehrtest diese Welt
mit ihren Freuden! Eine Braut des Himmels will
ich werden, wie du wirst ein Bräutigam des Him-
mels. Ach, wie hast du heut mein Herz erschüt-
tert, als du da standst in aller deiner Lieblichkeit;





Jm Anfang des Oktobers.

Bald werd ich hingehn ins Kloſter, eher noch
als du. Die hochgelobte Jungfrau hat mir zuge-
winkt, und einen Perlenkranz geflochten fuͤr mein
Haupt. Als ich durch die goldnen Pforten ein-
gieng, kamſt du, mein Erwaͤhlter, mir entgegen;
wareſt angethan mit einem glaͤnzenden Gewand. —
Hier iſt gut ſeyn, mein Erwaͤhlter, laß uns Lau-
ben flechten von den Lebensbaͤumen, und in ihrem
Schatten wohnen!

Meine Mutter weint; mein Vater klagt. Trock-
net eure Thraͤnen, ihr Geliebten! Denn ich wer-
de wohnen bey dem Mann, den meine Seele liebt;
werde mit ihm Huͤtten bauen, daß ihr wohnen
moͤget an der Seite eurer Kinder!



Am 25ſten Oktober. (als das Schuldrama auf-
gefuͤhrt worden)

Meine Seele dankt dir, o du Heiliger und Aus-
erwaͤhlter, daß du mich verachten lehrteſt dieſe Welt
mit ihren Freuden! Eine Braut des Himmels will
ich werden, wie du wirſt ein Braͤutigam des Him-
mels. Ach, wie haſt du heut mein Herz erſchuͤt-
tert, als du da ſtandſt in aller deiner Lieblichkeit;

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[527/0107] Jm Anfang des Oktobers. Bald werd ich hingehn ins Kloſter, eher noch als du. Die hochgelobte Jungfrau hat mir zuge- winkt, und einen Perlenkranz geflochten fuͤr mein Haupt. Als ich durch die goldnen Pforten ein- gieng, kamſt du, mein Erwaͤhlter, mir entgegen; wareſt angethan mit einem glaͤnzenden Gewand. — Hier iſt gut ſeyn, mein Erwaͤhlter, laß uns Lau- ben flechten von den Lebensbaͤumen, und in ihrem Schatten wohnen! Meine Mutter weint; mein Vater klagt. Trock- net eure Thraͤnen, ihr Geliebten! Denn ich wer- de wohnen bey dem Mann, den meine Seele liebt; werde mit ihm Huͤtten bauen, daß ihr wohnen moͤget an der Seite eurer Kinder! Am 25ſten Oktober. (als das Schuldrama auf- gefuͤhrt worden) Meine Seele dankt dir, o du Heiliger und Aus- erwaͤhlter, daß du mich verachten lehrteſt dieſe Welt mit ihren Freuden! Eine Braut des Himmels will ich werden, wie du wirſt ein Braͤutigam des Him- mels. Ach, wie haſt du heut mein Herz erſchuͤt- tert, als du da ſtandſt in aller deiner Lieblichkeit;

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/107>, abgerufen am 25.11.2024.