o Gott! Süsser Trost des Klosters und der Ein- samkeit! träufle herab in mein Herz; erfüll es ganz! -- O wie will ich sitzen in der Einsamkeit und weinen, bis der Tag kommt der Erlösung! -- Du bist heilig; ich will heilig werden, daß ich dei- ne Braut sey, wenn der Tag kommt der Erlösung.
Jm August.
Lang hab ich dich schon nicht gesehen, mein Er- wählter, und doch bist du schön, wie die Liebe, und mein Herz hängt fest an dir, und ewig. Aber ich will dulden in der Stille, und dich Gott nicht rauben, dem du dienen willst im Kloster. Jm Him- mel will ich deine Braut seyn, und mich heiligen auf Erden. -- Schön bist du, mein Geliebter; blühst wie die Rose, die am Morgen aufwacht im Thau. Blaß bin ich, und welke, wie die Rose, die des Abends hin sinkt in der Sonnenhitze, und ihre Blätter flattern aus einander, wenn der Sturm kommt. Möcht' er bald aufstehn, und meinen Staub zerstreuen! Aber noch nicht ganz reif ist die Frucht; noch nicht gnug getroffen vom heissen Stral der Liebe. --
Schön bist du, mein Bräutigam! Deine Wan- gen sind rosenroth; blau dein Auge, wie der Mit-
o Gott! Suͤſſer Troſt des Kloſters und der Ein- ſamkeit! traͤufle herab in mein Herz; erfuͤll es ganz! — O wie will ich ſitzen in der Einſamkeit und weinen, bis der Tag kommt der Erloͤſung! — Du biſt heilig; ich will heilig werden, daß ich dei- ne Braut ſey, wenn der Tag kommt der Erloͤſung.
Jm Auguſt.
Lang hab ich dich ſchon nicht geſehen, mein Er- waͤhlter, und doch biſt du ſchoͤn, wie die Liebe, und mein Herz haͤngt feſt an dir, und ewig. Aber ich will dulden in der Stille, und dich Gott nicht rauben, dem du dienen willſt im Kloſter. Jm Him- mel will ich deine Braut ſeyn, und mich heiligen auf Erden. — Schoͤn biſt du, mein Geliebter; bluͤhſt wie die Roſe, die am Morgen aufwacht im Thau. Blaß bin ich, und welke, wie die Roſe, die des Abends hin ſinkt in der Sonnenhitze, und ihre Blaͤtter flattern aus einander, wenn der Sturm kommt. Moͤcht’ er bald aufſtehn, und meinen Staub zerſtreuen! Aber noch nicht ganz reif iſt die Frucht; noch nicht gnug getroffen vom heiſſen Stral der Liebe. —
Schoͤn biſt du, mein Braͤutigam! Deine Wan- gen ſind roſenroth; blau dein Auge, wie der Mit-
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o Gott! Suͤſſer Troſt des Kloſters und der Ein-
ſamkeit! traͤufle herab in mein Herz; erfuͤll es
ganz! — O wie will ich ſitzen in der Einſamkeit
und weinen, bis der Tag kommt der Erloͤſung! —
Du biſt heilig; ich will heilig werden, daß ich dei-
ne Braut ſey, wenn der Tag kommt der Erloͤſung.
Jm Auguſt.
Lang hab ich dich ſchon nicht geſehen, mein Er-
waͤhlter, und doch biſt du ſchoͤn, wie die Liebe, und
mein Herz haͤngt feſt an dir, und ewig. Aber
ich will dulden in der Stille, und dich Gott nicht
rauben, dem du dienen willſt im Kloſter. Jm Him-
mel will ich deine Braut ſeyn, und mich heiligen
auf Erden. — Schoͤn biſt du, mein Geliebter;
bluͤhſt wie die Roſe, die am Morgen aufwacht im
Thau. Blaß bin ich, und welke, wie die Roſe,
die des Abends hin ſinkt in der Sonnenhitze, und
ihre Blaͤtter flattern aus einander, wenn der Sturm
kommt. Moͤcht’ er bald aufſtehn, und meinen
Staub zerſtreuen! Aber noch nicht ganz reif iſt
die Frucht; noch nicht gnug getroffen vom heiſſen
Stral der Liebe. —
Schoͤn biſt du, mein Braͤutigam! Deine Wan-
gen ſind roſenroth; blau dein Auge, wie der Mit-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/103>, abgerufen am 25.11.2024.
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